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Rhetorik des Olaf ScholzWas Fakt ist, bestimme ich

Olaf Scholz benutzt in seinen Reden immer wieder die Formulierung „Klar ist“. Dabei steht seine Regierung eher fürs Rumeiern, statt fürs Klartext reden.

Klar ist: das ist Olaf Scholz Foto: Michael Sohn/ap

K ennen Sie den Moment, wenn man beim Plaudern mit Bekannten merkt, dass man gerade ein Wort oder eine Formulierung ausgesprochen hat, die man sich von ihnen abgehört hat? Mega unangenehm. Vor allem dann, wenn die Übernahme unabsichtlich passierte. Mimikry nennt man in der Psychologie das Phänomen des unbewussten Nachahmens.

Im politischen Betrieb samt angeschlossenen Medien-, Werbe-, Lobbybubbles ist dieses Phänomen gut zu studieren. Da geht es natürlich nicht um Wörter wie „krass“, „cringe“, „obergeil“, „saugut“ oder „absurd“. Was ich meine, betrifft auch nicht Dinge wie das Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz, für die es nun mal kein anderes Wort gibt. Ich meine unauffälligere Dinge.

Im Jahr 2011 beispielsweise wurde „alternativlos“ zum Unwort des Jahres erklärt, weil es für die Diskussionsunwilligkeit der Regierung Merkel stand. Die Ära Scholz ist bisher klar von einer Formulierung geprägt: „Klar ist:“. Der verkürzte Deklarativsatz, bei dem der Doppelpunkt mitgesprochen wird – wirklich, hören Sie mal genau hin!

Klar ist: Schon in der Regierungserklärung von Olaf Scholz zur Zeitenwende am 27. Februar stand diese Formulierung an zentraler Stelle: „Klar ist: Wir müssen deutlich mehr in die Sicherheit unseres Landes investieren, um auf diese Weise unsere Freiheit und unsere Demokratie zu schützen.“

Was Scholz daran so richtig gut gefällt, bleibt freilich unklar

Klar ist: „Klar ist:“ benutzt er in so gut wie allen Presseerklärungen, Reden, Mitteilungen und Interviews. Klar ist: Der Scholzomat hat inzwischen alle anderen Po­li­tisierenden und Politikkommentierenden mit seinem deklarativen Doppelpunkt infiltriert. In einer Zeit, in der große Geschäfte und einflussreiche Politik mit gezielten Fake News gemacht wird, ist verständlich, dass Po­li­ti­k und Medien Ding klarstellen wollen. Dabei ausgerechnet das Adjektiv „klar“ eine Karriere machen zu lassen, halte ich für falsch.

Wird doch in allzu vielen Fällen aus der vermeintlichen Klarheit ein ziemlicher vernebelter Sachverhalt. Zumal in vielen „Klar ist:“-Sätzen des Kanzlers der Nebel schon hinterm Doppelpunkt beginnt: „Klar ist: Kurz nach meiner Wahl zum Bundeskanzler habe ich die zuständigen Abteilungen im Kanzleramt gefragt, was wir eigentlich machen, wenn kein Gas aus Russland mehr kommen sollte … Klar ist aber auch, dass wir gemeinsam auf die aktuellen Herausforderungen reagieren müssen …“.

Die Aussage „Klar ist: Der Olaf war der Erste, der Klar ist: mit Doppelpunkt gesprochen hat“ wird sich kaum erhärten lassen. Sprache geht ja verschlungene Wege und Olaf Scholz wird selbstverständlich bestreiten, sich diesbezüglich an irgendwas erinnern zu können. Klar ist aber auch: Seinen Re­den­schrei­be­r:in­nen hat er gesagt „Klar ist: gefällt mir“.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Was Scholz daran so richtig gut gefällt, bleibt freilich unklar. Klar ist: Er will sich klar von der Ära Merkel abgrenzen. Denn Merkels legendäres Schweigen ließ immerhin Raum für Interpretation. Raum für Interpretation will Scholz aber komplett ausschließen. Wer „Klar ist:“ sagt, will mitteilen: Was Fakt ist, bestimme ich.

Es wäre schön, hätte der Kanzler alles so klar, wie er behauptet. Klar ist aber auch: Ob Waffen für die Ukraine, das Austrocknen der Mullah-Milliarden oder die Frage sozialer Verteilung der Krisenkosten – Scholz’ Regierung wird jede Woche aufs Neue dafür angegriffen, weder klare Worte noch Taten zu finden. Sicher auch manchmal zu Unrecht. Mehr Mühe beim Finden rhetorischer Mittel könnte sich die Regierung aber schon machen. Schließlich scheint auch sie die deutsche Tradition beizubehalten, in Kriegen und Krisen lieber rumzueiern, statt Klartext zu reden.

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Doris Akrap
Redakteurin
Ressortleiterin | taz zwei + medien Seit 2008 Redakteurin, Autorin und Kolumnistin der taz. Publizistin, Jurorin, Moderatorin, Boardmitglied im Pen Berlin.
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4 Kommentare

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  • Klar ist aber auch: man kann Artikel über Unfähigkeit, Untätigkeit, Mut- und Ideenlosigkeit schreiben, man kann natürlich auch darüber schreiben, wie sich dieses Versagen sprachlich tarnt. Ist nichts gegen zu sagen, ist aber nicht der Kern. Das ist nur Sprache, je weniger man sie glaubt, je weniger man an einzelne Worte glaubt, je weniger man auch an die Aufklärung der Wortklauberei glaubt, umso besser. Klarer wirds wenn man klar sagt, dass nicht die behauptete Klarheit das Problem ist, sondern darüber nachdenkt, was da eigentlich verdeckt werden soll. Ed ist meist nicht etwa Unklarheit, sondern Feigheit, Opportunismus und Desinteresse. Bei Olaf Scholz ist zum Beispiel meist der Befund klar, und das sogar oft zu Recht, unklar bleibt aber eigentlich immer, was Scholz selber zu tun gedenkt. Klar ist bei Scholz meist nur, dass etwas getan werden muss, dass er das auch schon tun wird, dass er nur noch nicht so richtig weiß was. Und das weiß er nicht, weil er darüber gar nicht nachdenkt, weil es ihn im Kern gar nicht interessiert. Scholz moderiert nur, wenn überhaupt.

  • Etwas mehr Klarheit könnte aufkommen, wenn sich fähige Psychologen mit dem Thema befassen würden, daß auch Parteien und Parteiführungen über so etwas wie eine "eigenständige Psyche" verfügen, die in ihrem Kern sehr stark der eines einzelnen Menschen ähnelt, welcher dringend einer psychotherapeutischen Behandlung/Verhaltenstherapie bedarf.

    Daß auch die Politik unter einem "lebensuntüchtig" machenden Tunnelblick und einer damit einhergehenden Verzerrung der Realitätswahrnehmung leidet, ist mir gegenwärtig nicht sehr klar. Vielmehr gehe ich davon aus, daß die Politik nicht unter diesen Dingen leidet,sonder sie genießt. Aus psychologischer Sicht würde diese Art Erkrankung dann in die Kategorie schwer behandelbar bis unheilbar gehören.

  • Die Fakten sind für Politiker äußerst ungemütlich: Das jahrelange Verweigern, endlich einmal den Globalisten das weitere Anheizen des Erdballs einzustellen und dabei einfach blinde Kuh zu spielen, wenn Wissenschaftler und Naturschützer schon seit 50 Jahren warnen, das Bildungs- und Rentensystem vor sich nintaumeln zu lassen und dem Wählervolk Wohlstand zu versprechen, insbesondere in Zeiten, wo die Globalisten den Kontinent Europa verlassen, um ihre Geschäfte im Fernen Osten zu machen, all das kumuliert sich in der Ampel, in der ausgerechnet die Grünen mit versagen. Dabei -so scheint es (vielleicht weiss er es insgeheim besser und das vermute ich, weil es ja kaum noch zu verbergen ist)- hat uns die SPD einen Kanzler hingestellt, der weder Vergangenheit noch Zukunft kennt, sondern von Termin zu Termin hetzt, da hatten wir wirklich schon Kanzler, die auch ohne Machtwort überzeugen und die Gesellschaft zusammenhalten konnten. Unser parlamentarisches System braucht überzeugende Persönlichkeiten, mir scheint, dieses Parteiensystem fördert sie nicht, sondern lässt sie lieber draußen vor. So dürfen wir uns das mangelnde Wählerinteresse nicht wundern. Retten lässt sich DAS GANZE nur über einen überparteilichen Expertenrat, der über einen Volksentscheid für anstehende Zukunftsaufgaben in eine neue Regierung gewählt wird. Klare Kante: Solange emissionsfreies Fliegen und Autofahren mit äußerst geringem CO²-Abdruck nicht tatsächlich möglich ist, müssen wir auf diese für viele überflüssigen Segnungen SOFORT verzichten, wenn wir die Existenzbedingungen auf der Erde noch irgendwie und auch heisser erhalten wollen. Wernicht freiwillig bverzichten will, dem bleibt nur die Peitsche, es ist einfach zu spät für ein 'weiter so', dessen Verkörperung eben dieser Olaf Scholz steht, dem ja auch sonst nichts einfällt.

    • @Dietmar Rauter:

      So ist es. Und in Deutschland kann fast jeder sofort bei sich anfangen. Die vielen Menschen, die gerade so überleben, haben nichts zu verzichten. Die leben meist nicht in Deutschland und sind nicht das Problem. Ich habe z.b. meine letzte Flugreise 2011 gemacht.