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Revolution in der Arbeitswelt9 to 5 ist so Boomer

Die Generation Z geht selbstbewusster durchs Arbeitsleben als die Generationen vor ihnen. Sie könnten viel verändern, wenn wir sie nicht aufhalten.

Gen Z geht viel selbstbewusster durchs Arbeitsleben Foto: Alice Mollon/imago

Ich muss jetzt gehen, ich will noch was kochen“, sagt meine 21-jährige Kollegin plötzlich mitten in der Redaktionssitzung. Meine jungen Kol­le­g*in­nen schieben erst gar keine wichtigen Ausreden wie „Arztbesuche“ vor, um Meetings frühzeitig zu verlassen. Ich muss schmunzeln, während ich an die Anfänge meiner Karriere denke. In ihrem Alter hätte ich mich das niemals getraut – bloß keine Zweifel an meinem Arbeitseifer aufkommen lassen. In den Redaktionen, in denen ich bisher gearbeitet habe, gehörte ich als Millennial zu den Jüngsten. Ich hab oft freiwillig Protokoll geführt oder lästige Tätigkeiten wie Interviews-Transkribieren übernommen, weil ich dachte, das gehört sich so als Jüngste.

Jetzt leite ich „die_chefredaktion“, ein journalistisches Medium auf Instagram, und meine Kol­le­g*in­nen sind im Schnitt 19 Jahre alt, also elf Jahre jünger als ich – ich bin also die Älteste und merke, dass Gen Z viel selbstbewusster durchs Arbeitsleben geht als ich. Ich bin zwar als Person ohnehin niemand, die Arbeit an andere abwälzen würde, aber selbst wenn ich so wäre, bei Gen Z würde ich es mich erst gar nicht trauen. Diese natürlich autoritäre Ausstrahlung, die Greta Thunberg hat, wenn sie sich zu Recht kein Blatt vor den Mund nimmt und nicht versucht ihre Message hinter Höflichkeiten zu verpacken, die steht für mich generell für diese ganze Generation.

Zusätzlich kommt dazu, dass viele Ver­tre­te­r*in­nen der Gen Z während der Pandemie erste Arbeits­erfahrungen gesammelt haben. Sie sind es also gewohnt, freier zu arbeiten – wo und wann sie wollen. Was für mich heißt, dass ich um 20 Uhr Whatsapp-Nachrichten mit der Beantwortung meiner Fragen vom Vormittag bekomme.

Dafür sagen sie ganz ehrlich, dass sie keine Frühaufsteher sind und deshalb erst gegen elf zu arbeiten beginnen. 9 to 5 ist so Boomer. Sie scheuen sich auch nicht davor, erst kurzfristig Bescheid zu geben, dass eine Deadline doch nicht eingehalten werden kann, weil sie so gestresst sind – mentale Gesundheit geht vor und das ist auch gut so. Schreibe ich ihnen Mails, bekomme ich oft erst Tage später eine Antwort. Die Kommunikation läuft über Sprachnachrichten.

Seit ich mehrmals gesagt habe, dass ich kein Fan von Sprachis bin, erhalte ich zwar noch immer welche, aber sie fangen mit „Sorry, ich weiß, du magst keine Sprachnachrichten“ an. Mein Problem mit Sprachnachrichten: Sie sind lang, die relevanten Informationen sind dazwischen versteckt und ich kann später nicht einfach im Chatverlauf danach suchen. Aber Effizienz ist ohnehin eine Erfindung des Kapitalismus und der Kapitalismus ist schuld an der Klimakrise – also so sicher nicht mit Gen Z.

Ich hoffe, ich klinge nicht wie der alte weiße Mann in der Runde, und natürlich gilt das nicht für alle zwischen 1997 und 2010 Geborenen, aber um ehrlich zu sein: ich würde es mir wünschen, denn Gen Z könnte die Arbeitswelt revolutionieren. Wir Millennials dürfen nicht die neuen Boomer werden, die ihnen dabei im Weg stehen.

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Melisa Erkurt
Autorin "Generation haram", Journalistin, ehemalige Lehrerin, lebt in Wien
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9 Kommentare

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  • Bzgl Klimawandel und "Sprachis" : wieviel mehr Strom verschleudert so ein Sprachi eigentlich im Internet verglichen mit einer Email mit gleichem Inhalt? Neben Kapitalismus macht auch Bequemlichkeit und fehlende Reflektion des eigenen Handelns Klimawandel.

  • Der Pflegedienst, der sich um Frau Erkurt alte Eltern kümmert, kann abends nicht nach den beiden sehen, weil er halt was kochen muss. Die Pflegekräfte und Ärzte in jenem Krankenhaus, in das Frau Erkurt nach einem Notfall eingeliefert wird, müssen leider pünktlich Schluss machen, weil: Mentale Gesundheit geht natürlich vor.



    Diese Eloge auf GenZ ging ja mal dermaßen nach hinten los...

  • Wenn das der neue Arbeitsethos sein soll, dann bitte aber auch nicht jammern, wenn das Gehalt nicht für eine Wohnung im Berliner Szenekiez reicht.

    Und, mal davon abgesehen: Eine tolle Privilegien - Filterblase habt ihr da. Wer als Arbeiterkind so seinem Meister kommt sitzt auf der Straße. Und VW wird für diese Einstellung auch nicht das Produktionsband langsamer laufen lassen.

  • hmm die Müllfrau hört dann auch vor ihren Haus auf.



    Der Kindergärtner hat auch erst ab 13 Uhr Lust und 15-18 Uhr iss natürlich Siesta….



    Schön wenn ma eine privilegierte Berufsgruppe hat oder ?

  • Schöner kann man die eigene Blase nicht dokumentieren.

    Von 9 bis 5 ist Boomer?



    Wenn die mal nicht auch andere Arbeitszeiten hatten. Zu der Zeit gab es nicht soviel Bürokratie und nicht so viele die irgendwas mit Medien machen.

    Wenn DIE GenZ lieber mal kochen geht und abends ne Whatsup schickt, dann scheint es keine wirklichen Jobs mehr zu geben (oder die GenZ lässt die von anderen unterbezahlten Arbeitern erledigen). Jobs, wie Schichtdienst an der Kasse oder am Pflegebett, Jobs zum Reinigen oder zur Autoreparatur. 24/7 jobs in den Notdiensten oder der Industrie. Viel Spass, wenn GenZ die Klimakrise bewältigt. Da reicht doch ne Whatup, oder?

  • Würden man in dem Artikel nur wenige Sätze weglassen, läse sich das Ganze eigentlich wie eine Kritik an Generation Z.



    Irgendwie scheint gegen Ende noch ein Absatz zu fehlen, welcher die genannte Revolution der Arbeitswelt und den Weg dahin auch mal beschreibt.

    • @Anachronist87:

      Ja, da könnte man noch einen Absatz dranhängen, der was mit Work-Life-Balance zu tun hat, aber das ist eigentlich schon implizit.

      Ich bin SO froh, dass die GenZ inzwischen da angekommen ist, wo ich schon immer war. Das hat sowas Bestätigendes...

      Wie sagte doch mal jemand so schön: Noch niemand hat je auf dem Sterbebett gesagt "hätte ich doch mehr Zeit im Büro verbracht". Niemand.

      (Was nicht heißt, dass es keine Dinge gibt, die es wert sind, sich damit 24/7 zu beschäftigen. Das muss jeder selber wissen, aber im Alltag der meisten Menschen ist das bestenfalls eine Phase, kein Lebensentwurf.)

      • @Mustardman:

        Jeder ist für seine eigene Work-Life-Balance, und auf dieser Grundlage gönnt man diese meist auch anderen Menschen. Knifflig wird es halt, wenn in manchen Betrieben, damit diese weiter existieren können, bestimmte Dinge in bestimmten Zeiten nun mal gemacht werden müssen. Wenn dies mit meiner Work-Life-Balance nicht kompatibel ist, und ich daher spontan Dinge liegen lasse, dann beeinträchtigt das die Work-Life-Balance meiner Kollegen, weil diese das auffangen müssen.



        Gleich zur Einordnung: Ich habe in unserem Betrieb einen Betriebsrat gegründet, bin dessen Vorsitzender, und setze mich prinzipiell für bessere Arbeitsbedingungen der Angestellten ein.



        Aber meine persönliche Erfahrung mit einem Generation Z-Exemplar, wie es die Autorin beschreibt, war ein sehr negatives.



        Meine Kollegin, mit der ich mich gegenseitig vertrete, ging in den Mutterschutz, und deren zeitweiser Ersatz war besagte Person, nennen wir sie Z. Z hat bei der Einarbeitung immer betont, wie easy doch alles wäre, Notizen müsse sie sich keine machen, sie lernt das auf ihre Weise (womit ich kein Problem habe, ich bin da ähnlich). Leider war eben doch nicht alles easy, aber das hat sie immer gut verschleiert. Die Zuarbeit an eine ältere Kollegin hat sie nur sehr selektiv gemacht, weil sie sich von der nicht bevormunden lassen wollte. Als die Probleme dann doch allmählich eskaliert sind, hat sie den Job halt vorzeitig hingeschmissen. Wir durften dann ihre Fehler nach und nach aufdecken und ausbügeln. Und für das Vierteljahr, das noch bis zur Rückkehr der ursprünglichen Kollegin übrig war, ließ sich kein weiterer Ersatz mehr finden, so dass ich für diese Zeit ihre Stelle noch notdürftig mit übernehmen musste.



        Locker und entspannt arbeiten ist eine wünschenswerte Sache, aber nicht überall ist das so leicht möglich wie in einer Redaktion. Und da sollte man Generation Z nicht unbedingt falsche Vorstellungen einpflanzen, außer man ist bereit auch die Konsequenzen zu tragen.

        • @Anachronist87:

          Es ist nicht jede/r für jeden Job geeignet, ja.