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Republika SrpskaEU verstärkt EUFOR-Truppen in Bosnien

Der serbische Teilstaat Republika Srpska erkennt die bosnische Polizei und Justiz nicht mehr an. Jetzt wächst auf dem Balkan die Kriegsangst.

Sollen in Bosnien für Sicherheit sorgen: Eufor-Truppen der EU, hier in Sarejevo 2024 Foto: Armin Durgut/imago

Split taz | Der Blick auf das Gräberfeld in Srebrenica zeigt mehr über die Lage in Bosnien als viele Analysen. Auf der Straße, die die Gedenkstätte für die von Serben ermordeten mehr als 6.700 Bosniaken durchschneidet, fuhren in den letzten Wochen serbische Extremisten in Autokorsos. Für die Mitarbeiter und Überlebenden ist das bedrohlich. Der Leiter der Gedenkstätte, Emir Suljagic, teilte mit, „bis auf Weiteres“ bleibe das Museum geschlossen.

Bisher war die Anlage, die in dem von Serben kontrollierten Gebiet, der serbischen Entität Republika Srpska, liegt, von der gesamtstaatlichen bosnischen Polizei SIPA bewacht, um Übergriffe und Zerstörungen der Gedenkstätte für den Völkermord von 1995 zu verhindern. Doch nachdem der „starke Mann“ der Serben, Milorad Dodik, als Reaktion auf ein Urteil gegen ihn am vergangenen Mittwoch das Parlament seiner Entität veranlasste, alle Institutionen der Polizei und Justiz des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina auf dem Gebiet der Republika Srpska zu verbieten und damit auch die Polizei SIPA durch die serbische MUP zu ersetzen, bekommen die Mitarbeiter der Gedenkstätte Angst.

Die meisten von ihnen sind Überlebenden des Genozids. Nicht nur sie leben in Angst, sondern alle zurückgekehrten Opfer der ethnischen Säuberungen, die etwa 15 Prozent der Bevölkerung der Republika Srpska ausmachen, so die Überlebenden der Konzentrationslager von Prijedor.

EU-Mission Eufor verstärkt vorübergehend Truppen

Jetzt läge es an den Institutionen der internationalen Gemeinschaft aktiv zu werden, fordert die Zivilgesellschaft. So könnten die Truppen der EU-Mission Eufor in die Bresche springen und zumindest in Srebrenica für Sicherheit sorgen, hoffen sie.

Immerhin hat Eufor eine „vorübergehende Verstärkung“ ihrer Kräfte vor Ort angekündigt. Die EU-Truppe besteht aus rund 1.500 Soldatinnen und Soldaten aus 23 Nationen. Seit 2022 beteiligt sich auch die Bundeswehr wieder mit bis zu 50 Soldatinnen und Soldaten. Im Fokus ihres Auftrages stehen Führungs-, Verbindungs-, Beratungs- und Beobachtungsaufgaben – sie beobachten also, was geschieht, ähnlich wie die UN-Truppen während des Krieges 1992-95.

Die „vorübergehende Verstärkung“ sei eine „proaktive Maßnahme, die darauf abzielt, Bosnien und Herzegowina im Interesse aller seiner Bürger zu unterstützen“, hieß es von Seiten der Mission am Freitagabend. Zur Anzahl der zusätzlichen Kräfte machte Eufor keine Angaben. Der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt, sprach von mehreren Hundert Soldatinnen und Soldaten.

Ob Eufor-Truppen auch nach Srebrenica kommen werden, ist noch unklar. Der bosnisch-muslimische Vertreter der Präsidentschaft von Bosnien und Herzegowina, Denis Becirovic, forderte die Eufor auf, ihre Soldaten „an strategischen Punkten“ im Land einzusetzen.

Nato-Generalsekretär Mark Rutte kommt nach Sarajevo

Nach den jüngsten Entwicklungen in Bezug auf die Ukraine sei Europa gewarnt, heißt es in diplomatischen Kreisen. Der Konflikt in Bosnien wird jetzt ernster genommen und nicht wie seit Jahren üblich heruntergespielt. So kündigte die Nato an, dass Generalsekretär Mark Rutte am Montag die bosnische Hauptstadt Sarajevo besuchen werde.

Noch stehen Entscheidungen in Bezug auf das ungarische Eufor-Kontingent aus. Ungarn hat nämlich erkennen lassen, es werde Milorad Dodik und die seinen beschützen. Dabei wäre es auch Sache der Eufor, Gerichtsurteile gegen Dodik durchzusetzen.

Dodik hatte bosnische Serben am Freitag dazu aufgerufen, ihre Posten in der Polizei und der Justiz des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina zu verlassen und stattdessen den Institutionen der Republika Srpska beizutreten. Ihnen sei ein Arbeitsplatz unter Beibehaltung ihres Dienstgrades, ihrer Position und ihres Gehalts zugesichert worden. Mit seiner Unterschrift setzte Dodik zuvor Regelungen in Kraft, wonach bosnischen Serben bis zu fünf Jahre Gefängnis drohen, wenn sie weiterhin für die Polizei oder die Justiz des Gesamtstaates arbeiten.

Doch in der serbisch bewohnten Trabantenstadt Istočno Sarajevo (Ost-Sarajevo) regt sich Widerstand. Die meisten der Serben dort arbeiten in Sarajevo, die ethnische Trennung bedroht ihre Existenz. Auch aus anderen Orten der Republika Srpska wird Dodiks Politik sehr kritisch gesehen, die Serbische Demokratische Partei (SDS) kritisiert ihn lautstark.

Rückendeckung erhält der bosnische Serbenführer demgegenüber aus Belgrad. Dort rumort es allerdings auch: Am 15. März werden in der serbischen Hauptstadt Hunderttausende gegen die Regierung dort demonstrieren. Die prominente serbische Oppositionelle Sonja Biserko warnte gegenüber der taz: „Angeschlagene Boxer können sehr gefährlich werden.“

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