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Repression in ÄgyptenSchein-Stabilität am Nil

Jannis Hagmann
Kommentar von Jannis Hagmann

Seit dem Arabischen Frühling hat sich an Korruption und wirtschaftlicher Misere wenig geändert. Jüngste Proteste zeigen, wie fragil die Ruhe ist.

Die Unzufriedenheit der Ägypter wächst Foto: dpa

A laa Abd el-Fattah sitzt wieder im Gefängnis. Der ägyptische Aktivist ist nicht nur eines der prominenten Gesichter des sogenannten Arabischen Frühlings 2011, sondern mittlerweile auch ein tragischer Seismograf für die Härte, mit der das Militärregime von Präsident Abdel Fattah al-Sisi gegen Oppositionelle – oder jene, die es für solche hält – vorzugehen bereit ist. Dass der 37-Jährige nach nur wenigen Monaten in Freiheit nun wieder hinter Gittern ist, zeigt, wie nervös die politische Führung in Kairo ist.

Die erneute Festnahme des Aktivisten soll eine Warnung sein an alle, die es wieder gewagt haben, gegen das Regime auf die Straße zu gehen: Unter keinen Umständen will al-Sisi eine Neuauflage der Proteste von 2011 und 2013 zulassen oder auch nur dem Selbstbewusstsein der Ägypterinnen und Ägypter erneut den Raum geben, mit dem sie damals ihr Recht auf politische Teilhabe einforderten.

Am vergangenen Freitag hatte die Regierung größere Proteste verhindert und sogar Pro-Sisi-Kundgebungen organisiert, nachdem es in der Vorwoche überraschend zu Anti-Regime-Protesten an verschiedenen Orten in Ägypten gekommen war. Ein zweiter Protestfreitag, zu dem der im spanischen Exil lebende Bauunternehmer Muhammad Ali aufgerufen hatte, wurde nicht Realität.

Ob hinter Muhammad Alis Aufruf zur erneuten Revolution tatsächlich der Wunsch nach Demokratie steht oder ob im Regime ein Machtkampf herrscht, in dem Ali nur als Marionette dient, um Stimmung gegen al-Sisi zu machen, ist dabei zweitrangig. Dass Alis Aufrufe auf Resonanz stoßen, zeigt: Ägyptens derzeitige Stabilität hat keine gesunde Basis.

Klar, Ruhe ist besser als Unruhe und viele BürgerInnen des Landes sind die ständige Unsicherheit leid. Doch die Gründe der Unzufriedenheit, die die Menschen 2011 auf die Straße trieb, sind geblieben: wirtschaftliche Misere, eine höchst korrupte politisch-militärische Elite und keine politischen Freiheiten. Trotz des wiederhergestellten Militärregimes und einer revolutionsmüden Gesellschaft ist das neue Ägypten nicht so stabil, wie es scheint.

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Jannis Hagmann
Redakteur Nahost
ist Redakteur für Nahost & Nordafrika (MENA). Davor: Online-CVD bei taz.de, Volontariat bei der taz und an der Evangelischen Journalistenschule Berlin, Studium der Islam- und Politikwissenschaft in Berlin und Jidda (Saudi-Arabien), Arabisch in Kairo und Damaskus. Er twittert unter twitter.com/jannishagmann
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2 Kommentare

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  • Nur damit es nicht ganz untergeht, die Krise im nahen Osten. www.tehrantimes.com/news/440449/



    Der Westen fordert ein Ende der Repression durch Schiiten, die "Anderen" ein Ende der Unterstützung radikalislamischer Gruppen, wie beispielsweise Al Kaida im Jemen. Und warum nicht, wäre Kooperation im Bereich Umwelt-technik, doch eine Möglichkeit um den ugly-white zu umgehen, zumindest besser als den Shit-Orkan zu ignorieren.



    Was machen eigentlich die Futures in Nahost? Israel, Saudi-Arabien, Ägypten..?

  • "und keine politischen Freiheiten". Politische Freiheiten sind einer kleinen, gebildeten Schicht wichtig. Die grosse Masse will den Islam als Gesellschaftsform. Und wie überall auf dem Kontinent sind die vielen Kinder pro Paar das eigentliche Problem. Die unmittelbare Herkunftsregion kann vielleicht 2-3 Kindern ein Leben bieten, die anderen müssen sich auf den Weg machen und andere Bereiche des Planeten besiedeln.