Anti-Sisi-Proteste in Ägypten: Regime wappnet sich für Freitag

Kommt es erneut zu Anti-Sisi-Demonstrationen in Ägypten? Vorsorglich hat das Regime knapp 2.000 Menschen festnehmen lassen.

Demonstranten in einer Straße

Am Samstag in Kairo: Demonstranten schützen sich vor Tränengas Foto: dpa

KAIRO taz | Was wird rund um den Freitag passieren? In Kairo gibt es kein anderes Gesprächsthema mehr. Zum einen ist die Aufregung den Protesten an verschiedenen Orten Ägyptens am vergangenen Wochenende geschuldet. Erstmals hatten kleine Gruppen von Demonstranten unter hohem persönlichem Risiko den Sturz von Präsident Abdel Fatah al-Sisi gefordert – ein Novum in einem Land, in dem jede Art von oppositioneller Demonstration untersagt ist.

Zum anderen haben Millionen Ägypter eine Online-Handreichung von Muhammad Ali, einem ehemaligen Subunternehmer des Militärs, zur Kenntnis genommen: „Lasst uns noch einen Versuch starten. Vielleicht sieht al-Sisi es ja ein und tritt zurück. Nächsten Freitag sollten Millionen von Menschen auf die Straße gehen“, heißt es in einem seiner zahlreichen Videos, die sich in den letzten drei Wochen in den sozialen Medien wie ein Lauffeuer verbreiten.

Der bislang unbekannte, 45-jährige Ägypter, der in Spanien lebt, erlangte Prominenz, indem er – ein ehemaliger Insider der Geschäftstätigkeiten des Militärs – vermeintliche Details über Geldverschwendung beim Bau von Präsidentenpalästen al-Sisis und den Missbrauch öffentlicher Gelder bei Immobiliengeschäften der Armee öffentlich machte.

Die Sicherheitskräfte werden am Freitag mit einem Großaufgebot präsent sein und das Regime hat Pro-Sisi-Demonstrationen organisiert. Ob sich Menschen tatsächlich auf die Straße trauen werden, um erneut gegen al-Sisi zu demonstrieren, möglicherweise in kurzen Flash Mobs, ist jedoch offen.

Die Demonstranten vom letztem Wochenende hatten keine offensichtliche Führung und politische Zugehörigkeit – auch wenn al-Sisi am Rande der UN-Vollversammlung in New York mit dem Finger auf den „politischen Islam“ zeigte, sichtlich zufrieden, dass er auch von US-Präsident Donald Trump erneut Zustimmung erhielt. Schon beim G7-Treffen in Frankreich hatte Trump al-Sisi als „mein Lieblings-Diktator“ bezeichnet.

Die meisten Verhafteten sind jünger als 25

Zur Einschüchterung folgte auf die Proteste vom vergangenen Wochenende eine massive Verhaftungswelle. Die ägyptische Menschenrechtsorganisation Egyptian Center for Economic and Social Rights veröffentlichte eine Namensliste von fast 2.000 Menschen, die seit verhaften worden sein sollen. Das sind möglicherweise mehr Menschen als jene, die es gewagt haben, auf die Straße zu gehen. Die meisten der Verhafteten sind jünger als 25 Jahre und in oppositionellen Kreisen und bei ehemaligen Tahrir-Aktivisten unbekannt. Damals während des Arabischen Frühlings 2011 drückte diese Generation noch die Schulbänke.

Allerdings wurden auch einige prominente Dissidenten abgeholt, darunter der Politologe Hassan Nafaa von der Universität Kairo und der Oppositionspolitiker Khaled Dawoud. Beide stehen nun unter Anklage, eine terroristische Organisation zu unterstützen und Falschinformationen verbreitet zu haben. Die Menschenrechtsanwältin Mahinour al-Masri wurde in Alexandria festgenommen, nachdem sie eine Gruppe von Verhafteten bei der Staatsanwaltschaft repräsentiert hatte. Als sie das Gebäude verließ, wurde sie selbst in Gewahrsam genommen.

Offensichtlich herrscht bei den Sicherheitskräften Sorge, dass sich die heutige und die damalige Protestbewegung verbünden. Im Fernsehen wurden auch sechs Ausländer vorgeführt, die „Geständnisse“ abgaben, dass sie die Proteste letzten Freitag unterstützt hätten, darunter zwei Türken, zwei Jordanier, ein Palästinenser und ein Holländer.

Der Holländer soll vom Dach seines Hotel im Zentrum Kairos eine Drohne aufsteigen lassen haben, um die Umgebung zu filmen und mit den Demonstranten in ständigen Kontakt gestanden haben. Bei den ebenfalls präsentierten Drohnenbildern sind allerdings nur die am freitäglichen Feiertag tagsüber relativ leeren Straßen der Innenstadt von oben zu sehen. Die Proteste hatten in den Abendstunden stattgefunden.

Die meisten der Verhafteten wurden entweder gleich während der Demonstrationen letzten Freitag abgegriffen oder in den folgenden Tagen zu Hause abgeholt. In den vergangenen Tagen hat die Polizei auch vermehrt Straßenkontrollen durchgeführt, in denen besonders jüngere Menschen aufgefordert wurden, ihre Handys zu entsperren, die dann nach kompromittierenden Inhalten, vor allem in den sozialen Medien untersucht werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Auch Jahre nach Beginn des „Arabischen Frühlings“ reißen die Massenproteste nicht ab. Ein ganzes Jahrzehnt ist tief durch die Arabellion geprägt. Im Schwerpunkt-Dossier „Zehn Jahre Arabischer Frühling“ berichten taz-Korrespondent*innen und Gastautor*innen aus den Umbruchsländern vom Maghreb über Nordafrika bis nach Syrien, den ganzen Nahen Osten und die arabische Halbinsel.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.