Renommierter Adorno-Preis an Benhabib: Für Kosmo­politismus

Seyla Benhabib ist neue Preisträgerin des Adorno-Preises. Zuletzt gab es Forderungen, ihrer Vorgängerin Judith Butler den Preis zu entziehen.

Philosophin Seyla Benhabib.

Philosophin Seyla Benhabib Foto: Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance

Noch vor einer Weile hätte man das Attribut „würdig“ im Zusammenhang mit einer Preisträgerin als staatstragend wahrgenommen. Doch nach den jüngsten Auseinandersetzungen um Masha Gessen als ­Arendt-Preisträgerin und Judith Butler als Adorno-Preisträgerin und deren Äußerungen zum Nahostkonflikt war ein Aufatmen zu vernehmen, als die emeritierte US-Philosophin für Politische Theorie Seyla Benhabib am Donnerstag als neue Adorno-Preisträgerin verkündet wurde.

Der dreijährig ausgelobte, mit 50.000 Euro dotierte Ador­no-Preis ist kein politischer Preis. Geehrt werden im Gedenken an den Soziologen und Philosophen der Kritischen Theorie Theodor W. Adorno Leistungen in Philosophie oder den Künsten.

Jedoch musste die Preisträgerin von 2012, Judith Butler, sich erst kürzlich wieder die Frage stellen lassen, wie ihre politischen Entgleisungen bezüglich Hamas und Hisbollah, denen sie Widerstand statt Terror attestierte, sich vereinbaren lassen mit Ador­no, dem Denker des Nicht­identischen und der Emanzipation. Als Butler ihre Einschätzung noch angesichts des genozidalen Massakers vom 7. Oktober wiederholte, waren Forderungen laut geworden, ihr den Preis abzuerkennen.

Auch Seyla Benhabib kritisierte Butler und andere Kol­le­g:in­nen jüngst scharf für deren Terrorrelativierung und fragte: „Die Hamas hat sich der Zerstörung des Staates Israel verschrieben; das unterstütze ich nicht. Und Sie?“

Kein „Tod des Subjekts“?

Die philosophischen Prämissen von Butler und Benhabib unterscheiden sich stark, hält Benhabib doch gegen die postmoderne Subjektdekonstruktion an der Idee einer Ich-Autonomie fest, was weitreichende Folgen für die jeweiligen feministischen Ansätze hat.

In ihrer Kritik des Poststrukturalismus war Benhabib als Kritische Theoretikerin der zweiten Generation Jürgen Habermas näher, dessen Diskursethik sie kritisch-feministisch weiterdachte. Von Habermas und Hannah ­Arendt ging wohl der stärkste Einfluss auf ihr Denken aus.

Benhabib möchte „das Partikulare im Namen des Universellen mobilisieren“, wie sie mal formulierte, nicht das Partikulare gegen das Universelle ausspielen. Das bedeutet: die Idee universaler Menschenrechte ist der normative Horizont. Den Antimodernismus befragt sie auf seine antisemitischen und rassistischen Implikationen hin, stellt ihm die Idee des Kosmopolitischen entgegen.

Vielleicht ja auch anknüpfend an die Zeilen Adornos aus der „Minima Moralia“, die noch viel über heutige Partikular- als Identitätskämpfe ausagen: „An der Verfolgung der absolut partikularen Interessen des je Einzelnen läßt sich das Wesen der Kollektive in der falschen Gesellschaft am genauesten studieren“.

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