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Religiöse Symbole in der JustizFür Barett und gegen Kopftuch

Das Bundesverfassungsgericht lehnt die Klage einer muslimischen Rechtsreferendarin ab. Der Staat habe einen Einschätzungsspielraum.

Mit dem knallroten Barett auf dem Kopf verkündeten die Richter das Kopftuch-Verbot Foto: dpa/Uli Deck

Karlsruhe taz | Kopftuchverbote für Richterinnen und Staatsanwältinnen sind zulässig. Dies hat nun der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden. Dies gilt auch für Rechtsreferendarinnen in der Ausbildung. Konkret ging es um eine 1982 geborene, deutsch-marokkanische Rechtsreferendarin. Sie durfte in der Strafrechtsstation nicht die Aufgabe der Staatsanwältin übernehmen, weil sie Kopftuch trägt. Das verstoße gegen die beamtenrechtliche Pflicht zur Neutralität.

Zwar konnte die Referendarin nach hessischer Erlasslage ihre juristische Ausbildung abschließen. Sie wollte aber eine vollständige Ausbildung absolvieren und klagte. Beim Verwaltungsgericht Frankfurt hatte sie zunächst Erfolg, scheiterte dann aber beim Verwaltungsgerichtshof Kassel. Beim Bundesverfassungsgericht ging es nun ganz grundsätzlich um die Frage, ob Richterinnen und Staatsanwältinnen aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragen dürfen.

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hatte 2015 generelle Kopftuchverbote für Lehrerinnen als Verletzung der Religionsfreiheit beanstandet. Diesmal aber war der Zweite Senat zuständig.

Dieser erklärte das hessische Kopftuchverbot für Richterinnen und Staatsanwältinnen für verfassungskonform. Bei der Abwägung der Verfassungswerte gebe es kein klares Übergewicht. Der Staat habe daher einen Einschätzungsspielraum.

Für die Referendarin sprach die Religionsfreiheit. Sie betrachte es für sich als verbindliche religiöse Pflicht, ein Kopftuch zu tragen. Ein Verbot religiöser Symbole treffe sie als Muslimin besonders, so die Richter, da es „im Christentum kein entsprechendes, derart weit verbreitetes Äquivalent gibt“. Für das hessische Verbot spreche dagegen der „Grundsatz der weltanschaulich-religiö­sen Neutralität“. Danach sei das Kopftuch einer Staatsbediensteten zwar nicht immer dem Staat zuzurechnen, etwa bei Lehrerinnen und Erzieherinnen.

Verbot religiöser Symbole trifft Musliminnen besonders

Anderes gelte aber, wenn RichterInnen mit der schwarzen Robe eine „Amtstracht“ tragen müssen. Hier seien dem Staat „abweichende Verhaltensweisen“ eher zuzurechnen. Für das Verbot sprach auch die „Funktionsfähigkeit der Rechtspflege“. Religiöse Symbole in der Justiz seien geeignet, „das Bild der Justiz in ihrer Gesamtheit zu beeinträchtigen“. Ein Verbot könne daher die Akzeptanz der Justiz erhöhen.

Immerhin betonen die Verfassungsrichter, dass ein Kopftuch allein „nicht geeignet ist, Zweifel an der Objektivität“ einer Richterin zu begründen. So hatte voriges Jahr der bayerische Verfassungsgerichtshof argumentiert.

Die Referendarin hatte ihre Ansicht, dass sich das hessische Beamtenrecht gezielt gegen Muslime richtet, auch auf einen Passus gestützt, wonach bei der Frage der Neutralität „der christlich und humanistisch geprägten abendländischen Tradition des Landes Hessen angemessen Rechnung zu tragen“ ist. Die Verfassungsrichter räumten ein, dass der hessische Gesetzgeber wohl eine Privilegierung christlicher Symbole für möglich hielt. Der Satz sei aber verfassungskonform so auszulegen, dass eine Privilegierung christlicher Symbole verboten ist.

Die Entscheidung des Zweiten Senats fiel mit sieben zu eins Richterstimmen. Der Richter Ulrich Maidowski verfasste ein Minderheitsvotum. Nach seiner Auffassung seien Kopftücher von Rechtsreferendarinnen wegen der Ausbildungssituation dem Staat weniger zuzurechnen als Kopftücher von Richterinnen und Staatsanwältinnen.

Die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza (CDU) kündigte an, dass Niedersachsen demnächst ein „Gesetz zum Verbot religiöser Symbole auf der Richterbank“ beschließen werde.

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9 Kommentare

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  • taz.de/Kopftuch-Ur...gerichts/!5667752/

    2 Artikel für das gleiche Thema vom gleichen Autor am gleichen Tag.

    Arme Taz...

    • @Justin Teim:

      Das ist sauberer Journalismus: saubere Trennung von objektiver Meldung und subjektiver Meinung/Kommentar.

    • @Justin Teim:

      Einmal Bericht, einmal Kommentar. Ob so etwas Schlimmes überhaupt schonmal irgendwo passiert sein mag? ;-)

  • Fragwürdige Entscheidung. Kreuze in Amtsstuben sind okay, aber Stoff auf dem Kopf nicht. Gilt das eigentlich auch für Personen, die aus gesundheitlichen Gründen keine Haare haben und sich mit einem Kopftuch vor Auskühlung schützen? Gilt das für Perrücken? Oder gar Toupets?

    • @SuedWind:

      Wieso fragwürdig? Religiöse Symbole gehören in religiöse Gerichte, also z.B. Kirchengerichte.

      In staatliche Gerichte gehören höchstens staatliche Symbole, denn schließlich werden Urteile im Namen des (Staats)Volkes gesprochen.

      Alles, was auf einen neutralen unbedarften Außenstehenden den Anschein erwecken könnte, es sei ein reliöses Gericht, gehört nicht in ein staatliches Gericht. Also, es dürfte z.B. auch keine Nonne in Nonnentracht als Laienrichterin (Schöffin) dort sitzen.

      Ein sehr gutes Urteil. Und die Religionsfreiheit ist von diesem Verbot ÜBERHAUPT NICHT betroffen, denn jeder darf weiterhin uneingeschränkt jeden Sinn und Unsinn glauben, auch jeder Richter. Es ist lediglich die ReligionsAUSÜBUNGSfreiheit betroffen. Die Religionsausübungsfreiheit ist aber nicht unbegrenzt. Einer Religion, die es als ihre Pflicht sieht, Menschenopfer zu bringen, ist z.B. zurecht in ihrer Religionsausübungsfreiheit beschränkt. Und auf dem Passfoto darf auch Niemand eine Burka nur mit Sehschlitz tragen, weil sonst das Funktionieren des Staates eingeschränkt ist, wenn eine Identifizierung über das Passbild unmöglich ist. Religionen, die Eltern verbieten, ihren Kindern eine Bluttransfusion zu erlauben, gehören zum Wohl des Kindes ebenfalls eingeschränkt.

      Religions(ausübungs)freiheit bedeutet nicht, dass ich JEDEN Unsinn machen darf, nur weil ich eine Religion gefunden oder erfunden habe, die mir dies erlaubt oder sogar vorschreibt.

    • RS
      Ria Sauter
      @SuedWind:

      Die Frau eines orthodoxen Juden muss sich nach der Heirat die haare abrasieren und darf nur noch it Perücke aus dem Haus.



      Das ginge also auch nicht. Das Problem wird es aber nicht geben, da diese Frau die Erlaubnis ihres Mannes dazu nicht bekäme.

      Frage dazu:



      Wer wird wieder verhüllt aufgrund der Haare?



      www.juedische-allg.../glossar/scheitel/

      ich bewundere jede Frau, die sich aus diesen Irrsinn befreit, den irgendein männlicher "Prophet" vor tausend Jahren als "Eingebung" erhalten hat.

      Die christlichen sind nicht besser:



      beim Papstbesuch ist der Kopf zu bedecken.



      Eigenartigerweise dürfen die Männer ihre Bedeckung nicht aufbehalten.

      www.hr-inforadio.d...ssenswert-100.html

    • RS
      Ria Sauter
      @SuedWind:

      Wenn Perücken oder Toupets als religiöses Statement verordnet worden sind, von wem auch immer, dann sind diese auch verboten.



      Für den oder die Frierenden wird sich eine Lösung finden.

  • Und wie sieht mit Kreuz im Gerichtsaal aus? Habe ich in Bayern aber auch im Münsterland solche nicht neutralen religiöse Symbole gesehen...

    • @Hörnchen:

      Bayern ist keine Demokratie, sondern ein christlicher Gottesstaat, wo die Bibel über dem Grundgesetz steht, deshalb dürfen dort keine staatlichen Symbole, sondern müssen Kreuze in den Gerichtssälen hängen.

      Bayerische Verfassung, Artikel 131 "Bildungsziele" Absatz 2: "Oberste Bildungsziele sind Erfurcht vor Gott, ..." (Gilt auch für Atheisten, da ohen Einschränkung!)

      Irgendwann werden sich hoffentlich mal die Bayern ihre Demokratie erkämpfen und von der Staatsreligion befreien.