Rekommunalisierung der Schulreinigung: Neukölln lehnt Modellprojekt ab
Die Elterninitiative Schule in Not wirft dem Neuköllner Bezirksamt vor, einen Beschluss zur Rekommunalisierung der Schulreinigung zu ignorieren.
„Seitdem ist der Bezirk aus meiner Sicht allerdings ziemlich untätig geblieben“, sagt Mitinitiator Philipp Dehne der taz. Die Elternvertretungen von sieben Neuköllner Schulen forderten deshalb am Mittwoch in einem Offenen Brief an Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) die Umsetzung eines Modellprojekts, bei der zunächst an vier Schulen im Bezirk „Erfahrungswerte“ hinsichtlich Kosten und Arbeitsorganisation gesammelt werden sollen, um mittelfristig die Reinigungskräfte wieder beim Bezirk anstellen zu können. Berlin hatte die Reinigung der kommunalen Infrastruktur, also auch der Schulen, in den 80er-Jahren outgesourct, um Kosten zu sparen.
Der Kostendruck bei den GebäudereinigerInnen ist seit Jahren ein Thema, auch für die Gewerkschaften. Ein Bündnis aus der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der IG Bau unterstützt deshalb auch seit Herbst die Elterninititative, die inzwischen in mehreren Bezirken aktiv ist. Für gewöhnlich erhält die Firma mit dem besten, sprich: dem billigsten Angebot den Zuschlag vom Bezirksamt. Diesen Preisdruck geben die Firmen an die Reinigungskräfte weiter – indem sie möglichst viel Fläche in möglichst wenig Zeit putzen lassen.
Würde die öffentliche Hand selbst putzen lassen, könnten die Lohnkosten – je nach Einstufung in die Gehaltstabelle für den öffentlichen Dienst – steigen. Konkrete Kostenmodelle, wie teuer eine Rekommunalisierung der Schulreinigung wäre, gibt es laut Bezirksamt noch nicht. Grob rechne man mit „mindestens einer Verdopplung der aktuellen Kosten“, so ein Sprecher. Vor allem aber wäre der Bezirk als Arbeitgeber zu mehr Transparenz hinsichtlich der Arbeitsbedingungen verpflichtet als eine private Firma, etwa gegenüber Anfragen der Bezirksverordneten.
Bezirk „verwundert“ über Kritik
Bezirksbürgermeister Hikel äußerte sich am Mittwoch „sehr verwundert“ über die Kritik der Initiative: Dem Bezirksamt mitten in den Pandemie Untätigkeit vorzuwerfen, ist doch etwas dick aufgetragen“, sagte er der taz. Hikel betonte, er sei nicht grundsätzlich gegen eine Rekommunalisierung. Allerdings brauche ein solcher Schritt Zeit und müsse bezirksübergreifend koordiniert werden – mit den anderen Bezirken sei man auch bereits im Gespräch.
Einem Modellprojekt, das nach dem Willen der Initiative im Herbst 2021 starten würde, erteilt Hikel allerdings eine klare Absage: „Befristete Stellen für Reinigungskräfte wird es nicht geben. Gute Arbeit und befristete Stellen, das geht für mich nicht zusammen, schon gar nicht im Öffentlichen Dienst.“
Das Bezirksamt verweist auf zuletzt mehr Geld im Haushalt für die Schulreinigung, zudem habe man die zu putzende Fläche pro Stunde um 17 Prozent niedriger angesetzt.
Der BürgerInnen-Initiative indes reicht das nicht, und sie glauben auch nicht, dass der Bezirk tatsächlich an einer Rekommunalisierung interessiert ist: „Ein Modellprojekt könnte doch helfen, daraus genau die Strukturen aufzubauen, die man für unbefristete Stellen braucht“, sagt Dehne.
Hanna Hamel, stellvertretende Vorsitzende der Gesamtelternvertretung an der Peter-Petersen-Schule, erzählt von einer Reinigungskraft, die für die komplette Schule allein zuständig sei, trotz höherer Auflagen während der Pandemie durch den Coronamusterhygieneplan der Senatsbildungsverwaltung: „Die Tische wischen die Kinder und die Lehrer da trotzdem alleine ab.“
Immerhin: Franziska Giffey (SPD), SPD-Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl im Herbst und Hikels Vorgängerin im Amt, hatte bei ihrer Nominierung auf einem Parteitag Ende November gesagt, sich für feste, bei den Bezirksämtern angestellte Reinigungsteams für die Schulen einsetzen.
Schule in Not-Sprecher Dehne sagt, er freue sich durchaus noch immer über die prominente Fürsprache, doch scheine die nicht unbedingt auch schon in der Partei angekommen zu sein: „Konkret sehen wir da, auch bei der SPD, nicht unbedingt politische Unterstützung.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“