Regisseurin über Nahverkehr im Speckgürtel: „Wer kein Auto hat, ist am Arsch“
Regisseurin Charlotte Pfeifer zeigt in ihrer Performance „Von A nach B“, was Leute beim Pendeln erleben – und überlegt, wie es besser laufen könnte.
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taz: Warum ist es Kunst, von Hamburg-Altona nach Burg in Dithmarschen zu reisen, Frau Pfeifer?
Charlotte Pfeifer: Manchmal ist es ein Kunststück, rechtzeitig oder überhaupt anzukommen. Wobei die andere Richtung, von Burg nach Altona, fast noch schwieriger ist. Unsere Performance ist in der ersten Hälfte eine Art Reenactment dessen, was Leute beim Pendeln erleben. Insofern kann es sein, dass auf der Fahrt etwas passiert oder dass die Reisenden nicht rechtzeitig ankommen.
Sie bieten diese Tour „von A nach B“ an vier Terminen als Kunstevent an und versprechen eine „Mischung aus Abenteuertrip, Butterfahrt und Bildungsreise“. Worin besteht das Abenteuer?
Zu trinken gibt es etwas, aber zu kaufen leider nichts. Das Abenteuer besteht darin zu spüren, wie weit der Weg ist, wie schwer es ist, das Ziel zu erreichen. Gerade für die, die es täglich machen müssen. Die Teilnehmenden sitzen gemeinsam in der Bahn, im Auto …
… oder im Flugzeug. Im Ernst jetzt?
Ja, es gibt einen Platz in einem Kleinflugzeug. Es ist klar, dass das keine klimagerechte und zukunftsgewandte Fortbewegungsart ist. Trotzdem ist Fliegen ein alter Traum der Menschheit, und es ist schade, dass wir das mit unserem Gewissen immer schlechter vereinbaren können. Ich selbst fliege nicht, aber für dieses Projekt möchte ich es einer Person ermöglichen.
Was passiert den Menschen, die in Burg starten? Erleben die auch Abenteuer?
In Burg am Bahnhof steht ein Anhänger mit einer Modelllandschaft, auf der wir durchspielen, wie Leute auf dem Land von A nach B kommen. Wo sind Probleme, wo Potenziale? Wenn die Gruppe aus der Stadt eintrifft, werden wir die Ergebnisse präsentieren.
„Von A nach B“: 25. /26. März und 1./ 2. April; Start in Hamburg ist 16.30 Uhr am Bahnhof Altona, Start in Burg um 18 Uhr am Bahnhof. Tickets und Infos: http://charlottepfeifer.net
Und dann sprechen alle über Verkehrsmodelle der Zukunft – das klingt mehr nach Workshop als nach Samstagabend-Event.
Oh, es ist und bleibt Theater, eine interaktive Show. Wir haben keine Moral in der Hinterhand, sondern wir wollen gemeinsam nach vorn gucken. Es wird Spaß machen, auch weil ein tolles Team von Performer*innen beteiligt ist, darunter ein Musiker. Also keine Sorge, es wird kein trockener Workshop!
Was für einen Effekt wünschen Sie sich?
Dass es einen konkreten Effekt gibt, ist etwas viel verlangt vom Theater. Theater kann zeigen, was uns bewegt, im wahrsten Sinne des Wortes. Aber wir wollen am Ende ein Pamphlet verfassen und ans Verkehrsministerium schicken, um die Lage zu beschreiben. Mobilitätsarmut ist auf dem Land ein Fakt. Allein von einem Dorf zum anderen zu kommen, ist manchmal schwer. Wer kein Auto hat, ist am Arsch, also fahren alle Auto, ich auch. Die Verbindungen sind in den zehn Jahren, die ich hier lebe, schlechter geworden – früher gab es durchgehende Züge, heute muss man umsteigen, oft fallen Züge aus. Eine Idee wäre ein Bestellbus, aber für Änderungen braucht es einen langen Atem. Gerade hat ein Bürgerbus, den Ehrenamtliche organisiert haben, aufgegeben, weil die Nachfrage so gering war. Eine Revolution, eine Wende anzuzetteln, wäre toll, aber ich weiß selbst gar nicht genau, wohin. Darum bin ich so gespannt, was wir gemeinsam entwickeln.
Wie kommen die Hamburger*innen zurück in die Stadt?
Die Show endet mit der Rückfahrt, die Tickets sind inbegriffen – wer in Burg dazustößt, zahlt übrigens nichts. Für die Hamburger*innen geht es gemeinsam per Zug zurück. Wir hoffen, dass er fährt.
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