Regierungsbildung in der Steiermark: FPÖ übernimmt die Macht
Der steirische FPÖ-Chef Mario Kunasek wird der zweite blaue Landeshauptmann Österreichs. Das Programm der FPÖ-ÖVP-Regierung setzt vor allem auf Verschärfungen für Zuwanderer.
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Bisher wurde die Steiermark meist unter ÖVP-Führung regiert – zuletzt saß sie gemeinsam mit der SPÖ im Grazer Landhaus. Nach seiner verheerenden Niederlage – ein Absturz von fast zehn Prozentpunkten – wollte der bisherige Landeshauptmann Christopher Drexler vorerst ÖVP-Parteichef bleiben. Am Dienstag trat er aber überraschend zurück. Der einflussreiche Wirtschaftsbund hatte den innerparteilichen Druck erhöht.
Zuvor hatte Drexler die Schuld für seine Niederlage bei der Bundespartei und sogar beim Bundespräsidenten gesucht. Mit seiner Weigerung, die auch im Bund siegreiche FPÖ mit dem Regierungsbildungsauftrag zu betrauen, habe Präsident Alexander Van der Bellen den Blauen zusätzlichen Aufwind verschafft. Eigene Fehler sah Drexler hingegen nicht.
Seine Nachfolgerin an der steirischen ÖVP-Spitze ist Manuela Khom, bisher Präsidentin des steirischen Landtags. Sie erfuhr erst am Vorabend von ihrer neuen Rolle als Stellvertreterin des Landeshauptmanns. Auch der Regierungspartner FPÖ war vom Wechsel an der ÖVP-Spitze überrascht – schließlich hatte Drexler das neue Regierungsübereinkommen noch maßgeblich mitverhandelt. Die neue Landesregierung wird mit je vier Landesräten von FPÖ und ÖVP besetzt.
Verbot religiöser Kleidung
Das 133 Seiten starke Regierungsprogramm trägt den Titel „Starke Steiermark. Sichere Zukunft“. Vor allem in den Bereichen Migration und Integration ist die FPÖ-Handschrift deutlich erkennbar: Asylwerber in der Steiermark sollen künftig statt Bargeld eine Bezahlkarte erhalten. Zudem wird eine Dokumentationsstelle für politischen Islam eingerichtet – eine gleichlautende Stelle, bundesweit tätig, gibt es bereits in Wien. Für Aufsehen sorgt das angekündigte Verbot religiöser Kleidung im Landesdienst, das vor allem auf das Kopftuch abzielt.
Weitere zentrale Punkte sind eine Reform der Sozialhilfe mit einer Deckelung der Höchstsätze für kinderreiche Familien sowie der Verzicht auf Gender-Schreibweisen in der Landesverwaltung. Die Koalition will zudem Bürokratie abbauen, den Wirtschaftsstandort stärken und die Gemeinden als „Keimzellen des Lebens nach den Familien“ fördern. Die konstituierende Sitzung des Landtags findet am heutigen Mittwoch statt, die Vereidigung und erste Sitzung der neuen Landesregierung am Tag darauf.
Damit werden nun fünf von neun österreichischen Bundesländern – neben der Steiermark auch Oberösterreich, Niederösterreich, Salzburg und seit kurzem Vorarlberg – von der FPÖ (mit)regiert. Der blaue Landeshauptmann verhilft auch der Bundes-FPÖ zu Rückenwind.
Kein Ende in Sicht
Und er sorgt für noch mehr Druck auf ÖVP, SPÖ und die liberalen Neos, die seit nunmehr zwei Monaten eine Dreierkoalition im Bund verhandeln. Ein Ende ist nicht in Sicht. Die Verhandlungen würden über Weihnachten weitergeführt, hieß es von den drei Parteichefs.
Dem Vernehmen nach gibt es weiterhin große inhaltliche Unstimmigkeiten, vor allem im Bereich Budget und Steuern. Sollten die Verhandlungen platzen, könnte die ÖVP doch noch mit der FPÖ zusammengehen.
Ansonsten kommt es wohl zu einer Minderheitsregierung oder zu Neuwahlen. Beides wäre Neuland in Österreich, das jedenfalls rasch eine handlungsfähige neue Regierung braucht. Das Budgetdefizit ist deutlich größer als erwartet, weswegen gar ein EU-Defizitverfahren droht.
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