Regierungsbildung in den Niederlanden: Koalition will „Asylkrise“ ausrufen
Die Rechts-Regierung nimmt nach monatelangen Verhandlungen Formen an. Der Koalitionsvertrag steht, das Personal ist aber noch weiter offen.
Damit kommen die monatelangen, turbulent verlaufenen Verhandlungen, die zwischenzeitlich schon vor dem Aus standen, an ihr Ende. Vor allem NSC-Chef Pieter Omtzigt hatte immer wieder grundsätzliche Zweifel an einer Zusammenarbeit mit der identitären PVV und deren Kompatibilität mit Verfassung und Rechtsstaat geäußert.
Erst einer der Pläne Omtzigts brachte die Verhandlungen in ruhigeres Fahrwasser: ein sogenanntes „außerparlamentarisches“ Kabinett mit Minister*innen, die von den Parteien benannt, aber denen nicht unbedingt angehören sollen. Vor allem bedeutet dies: Der PVV-Chef Geert Wilders wird kein Premier, was dieser zähneknirschend akzeptierte.
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird dies nun ein alter Bekannter: Ronald Plasterk, ehemals Bildungs- und Innenminister und Sozialdemokrat. Als einer der wenigen linken Politiker*innen verfügt Plasterk allerdings in der populistischen Rechten über ein gewisses Ansehen.
Das liegt nicht zuletzt an seiner Kolumne in deren Leitmedium, der Boulevardzeitung De Telegraaf, in der er seine Partei wiederholt dafür kritisiert, sich von ihren sozialdemokratischen Ursprüngen entfernt zu haben. Zwischenzeitlich war Plasterk auch Leiter der Koalitionsverhandlungen.
Viele Details sind noch unklar
In der Nacht zum Donnerstag stimmten die jeweiligen Fraktionen dem Regierungsabkommen zu, das 26 Seiten zählt und den Titel „Hoffnung, Mut und Stolz“ trägt. In zehn inhaltlichen Punkten werden dort die Grundlagen ihrer Zusammenarbeit skizziert, die Details müssen freilich noch ausgearbeitet werden.
Eine der auffälligsten Maßnahmen ist, die umstrittene Eigenbeteiligung an der Krankenversicherung ab 2027 deutlich zu senken. Einschnitte sind bei Beamt*innenapparat, Entwicklungshilfe und nachhaltiger Energie angekündigt. Der Wohnungsnot will man mit jährlich 100.000 neuen Wohnungen zu Leibe rücken und vier neue AKWs bauen – ein Plan, für den es freilich schon eine Parlamentsmehrheit gibt.
Im Zentrum der Pläne steht das Thema Einwanderung, das die vier beteiligten Parteien von Anfang an verbunden hat. Als eine der ersten Maßnahmen wurde noch in der Nacht bekannt, dass das neue Gesetz, das Kommunen zur Aufnahme von Geflüchteten verpflichtet und diese über das Land verteilt, kassiert werden soll.
„Strengste Zulassungsbedingungen Europas“
Laut des Koalitionsabkommens üben die verschiedenen Arten von Zuwanderung „schweren Druck auf Wohnen, Gesundheitssystem, Unterricht und finanzielle Mittel, und auf den sozialen Zusammenhang in unserem Land“ aus.
Daher will die Koalition eine „Asylkrise“ ausrufen, in der mit entsprechender Gesetzgebung der Zugang von Migrant*innen stark eingeschränkt werden soll. Das übergeordnete Ziel wird so formuliert: „Die Niederlande müssen strukturell zur Kategorie der Mitgliedsländer mit den strengsten Zulassungsbedingungen Europas gehören“, heißt es. Der Telegraaf nannte die Pläne eine „drastische Änderung des politischen Kurses“, die progressive de Volkskrant sprach von der „rechtesten Regierung jemals“.
An diesem Donnerstagmorgen soll das Programm offiziell vorgestellt werden. Der bisherige Leiter der Koalitionsgespräche, Richard van Zwol, soll nun auch die Zusammenstellung des Kabinetts koordinieren, mit der die Niederlande völliges Neuland betreten. In der ersten Juni-Hälfte dürfte die neue Rechts-Regierung in Den Haag vereidigt werden.
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