Regierungsbildung in den Niederlanden: Keine Zeit zu verlieren
Geert Wilders wird nicht Premierminister, das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Die Mitte-Rechts-Regierung wird kommen.
E in bisschen Bewegung ist in Zeiten des Stillstands schon eine große Neuigkeit. Dass in Den Haag nun offenbar irgendwann in den nächsten Monaten eine Regierung antreten wird, die von gemäßigt-konservativ bis identitär und rabiat-populistisch ein breites rechtes Spektrum abdeckt, fällt nach monatelangem Tauziehen in genau diese Kategorie: eine Absichtserklärung wirkt damit schon wie eine halbe Regierungserklärung.
Dabei bleibt der Prozess vorerst mit vielen Fragezeichen verbunden – gerade die „außerparlamentarische“ Formel, nach der das Kabinett nun erstmals zusammengestellt werden soll. Sie zeugt davon, wie viel Vertrauen die Kabinette unter Mark Rutte verspielt haben. Und sie belegt, welche Bauchschmerzen es den bürgerlichen Parteien NSC und VVD bereitet, mit der rechtspopulistischen PVV von Geert Wilders zu koalieren.
Dass Wilders selbst kein Premier wird, weil ihm dafür der Rückhalt seiner Koalitionspartner*innen fehlt, ist die positive Nachricht. Seine vermeintliche Läuterung ist angesichts der kontinuierlichen Hetze gegen „vollgefressene“ Geflüchtete oder Rhetorik à la „Asyl-Tsunami“ ein von bestimmten Medien kolportiertes Zerrbild, das einmal mehr zeigt, wie kompatibel dieser Diskurs geworden ist.
Entscheidend werden in den kommenden Wochen nun zwei Aspekte sein: zum einen die Basisprinzipien, auf die sich die vier Parteien verständigt haben und die eine Art Minimalkonsens umreißen. Zum anderen das politische Personal, das die Schlüsselposten, sprich Ministerien, dieses Experiments bekleiden wird. Beides wird Aufschluss geben über den Wind, der künftig in Den Haag wehen wird.
Für progressive Akteure bedeutet das, sich darüber klar zu werden, wie man mit einer solchen Regierung umgehen und wie die eigenen Inhalte formuliert und vermittelt werden – gegen eine rechte Mehrheit, die zahlenmäßig deutlich ist, inhaltlich aber durchaus Bruchlinien hat. Zeit zu verlieren gibt es nicht: die Europawahl Anfang Juni dürfte näher sein als der Antritt der neuen Koalition.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?