Regierungsbildung in Belfast: Zwei Frauen für Nordirland
Drei Jahre lang konnten sich die protestantische DUP und die katholische Sinn Féin nicht einigen. Seit Samstag gibt es nun wieder eine Regierung.
Zum ersten Mal stehen zwei Frauen an der Spitze in Nordirland: Erste Ministerin, wie die Regierungschefin heißt, wurde Arlene Foster von der Democratic Unionist Party (DUP), Nordirlands stärkster Partei. Zur gleichberechtigten Stellvertreterin wählte das Parlament Michelle O’Neill von Sinn Féin („Wir selbst“). Laut Belfaster Abkommen von 1998, das der britischen Krisenprovinz relativen Frieden beschert hat, müssen beide Bevölkerungsgruppen an der Regierung beteiligt sein.
Der vom britischen Nordirlandminister Julian Smith und dem irischem Außenminister Simon Coveney vorgelegte Plan sieht die Ernennung eines Sonderbeauftragten für den „Schutz und die Aufwertung der irischen Sprache“ vor. Außerdem gibt es mehr Geld für diesen Bereich. Die Kürzung der ohnehin spartanischen Mittel für die irische Sprache durch den zuständigen DUP-Minister war einer der Hauptgründe dafür, dass Sinn Féin vor drei Jahren aus der Regierung ausgetreten ist.
Um die DUP zu ködern, bekommt auch sie einen Sonderbeauftragten, der die „Sprache, die Künste und die Literatur“ fördern soll, die auf der britischen Tradition in Nordirland basieren. Von dem anderen Grund für Sinn Féins damaliger Aufkündigung der Regierung, einem dubiosen Programm der DUP-Chefin Arlene Foster für die Förderung erneuerbarer Energien, war gestern keine Rede mehr.
Heizen für besseres Klima
Als Foster noch Unternehmensministerin war, hatte sie festgelegt, dass Unternehmen und Bauern für jedes Pfund, das sie für erneuerbare Energien ausgeben, einen Zuschuss in Höhe von 1,60 Pfund. Je mehr man also heizt, desto mehr Geld fließt, so dass seitdem in jeder nordirischen Scheune Temperaturen wie in einer Sauna herrschen.
Reformen in den Bereichen Bildung und Justiz stehen für die neue Regierung ganz oben auf der Tagesordnung. Am dringendsten sind jedoch Verbesserungen im Gesundheitsbereich, die Wartezeiten in den Krankenhäusern sind weitaus länger als in jedem anderen Winkel des Vereinigten Königreichs oder Irlands, wo die Lage auch nicht rosig ist.
Darüber hinaus sieht das Dokument „wichtige Verbesserungen bei der Transparenz und Rechenschaftspflicht der Behörden und Ministerien“ vor. Und Geld gibt es auch: Großbritannien und Irland werden in den kommenden drei Jahren zahlreiche Infrastrukturprojekte finanzieren.
Zustimmung trotz Brexit
Es gebe aber auch andere große Herausforderungen, allen voran den Brexit, sagte Mary Lou McDonald, die Sinn-Féin-Präsidentin. Der britische Premierminister Boris Johnson hat mit der EU ausgehandelt, dass Nordirland zwar gemeinsam mit dem Rest des Vereinigten Königreichs aus der Zollunion austreten werde, aber bei Warenimporten sollen weiterhin eine Reihe von EU-Zollregeln gelten. Damit wird zum Entsetzen der DUP de facto eine Zollgrenze in der Irischen See zwischen Nordirland und Großbritannien entstehen.
Trotz ihrer Unzufriedenheit mit der Londoner Regierung nahm Foster das Dokument mit dem Titel „Neues Jahrzehnt, neue Herangehensweise“ an. Es sei zwar nicht perfekt, sagte sie, stelle aber zumindest eine Grundlage dar, auf der die Regionalregierung wieder eingesetzt werden könne. Smith und Coveney hatten ihr den Deal noch ein wenig versüßt: Der britische Union Jack darf künftig drei Tage mehr über öffentlichen Gebäuden in Nordirland flattern.
„Heute ist Geschichte geschrieben worden“, freute sich Coveney. Er und Smith betonten, ihr Dokument stelle einen „fairen, ausgewogenen und integrativen“ Deal dar, der die öffentlichen Dienste transformieren und das Vertrauen der Bevölkerung in die Regionalregierung wiederherstellen werde. Hoheitsaufgaben wie Verteidigung, Außenpolitik und Steuergesetze bleiben weiterhin der britischen Zentralregierung überlassen, doch für fast alle anderen Bereiche ist das Belfaster Parlament zuständig.
Die Androhung von Neuwahlen für Nordirland, sollten sich die Parteien bis Montag nicht einigen, hat offenbar gewirkt. Sowohl Sinn Féin, als auch die DUP hatten bei den britischen Parlamentswahlen im Dezember Stimmen verloren und sind deshalb nicht erpicht darauf, erneut in den Wahlkampf zu ziehen. „Die Menschen haben offensichtlich die Nase voll von den ewigen Diskussionen über eine Regierungsbildung und wollen endlich Taten sehen“, sagte Coveney.
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