Regierung erwägt kostenlosen ÖPNV: Freier Verkehr, befreite Luft?
Die Bundesregierung überlegt, ob sie mit kostenlosem Nahverkehr die Luftqualität verbessern könnte. Wer das bezahlen soll, ist offen.
Mit dem Brief wollen die MinisterInnen die EU-Kommission milde stimmen. Diese erwägt eine Klage am Europäischen Gerichtshof unter anderem gegen Deutschland. Denn in Dutzenden Städten übersteigen die vor allem durch Dieselfahrzeuge verursachten Stickoxidemissionen die Grenzwerte. Am Donnerstag kommender Woche verhandelt zudem das Bundesverwaltungsgericht über mögliche Fahrverbote in Städten wegen zu schlechter Luft.
Acht teilweise „neue“ Maßnahmen werden in dem Schreiben erwähnt. Neben Nulltarifen sind das „bindende Abgasgrenzwerte“ für Busse, Taxis, Carsharing-Autos und Lkw. Zudem Fahrbeschränkungen für bestimmte Straßen und Stadtviertel, zusätzliche Anreize für Elektromobilität und „technische Umrüstung“ von Fahrzeugen, soweit „wirksam und ökonomisch sinnvoll“.
Der Deutsche Städtetag zeigte sich überrascht über die Ankündigung der Bundesregierung. „Die Idee, Tickets im Nahverkehr günstiger zu machen, gibt es in der Tat in einigen Städten. Wer das will, muss das aber auch finanzieren können. Wenn der Bund jetzt den Vorschlag macht, über solche Wege nachzudenken, erwarten wir eine klare Aussage“ zur Finanzierung. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter erklärte: „Der Vorstoß klingt nach verkehrspolitischer Gaukelei. Eine Woche nach Bekanntgabe des Koalitionsvertrages mit dieser vagen Idee zu kommen, ist absolut unglaubwürdig.“
Es würden 12 Milliarden Euro fehlen
Durch den Nulltarif würden den Anbietern rund 12 Milliarden Euro jährlich bundesweit fehlen, sagt Rahine Algan, Vizesprecherin des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen. Wenn also durch den Verkauf der Fahrscheine kein Geld hereinkommt, muss irgendwer den Verlust tragen – die jeweilige Stadt, das Land oder der Bund. Zudem, sagt Algan, sei bei Nulltarif „mit viel mehr Fahrgästen“ zu rechnen.
Die Kommunen müssen zusätzliche Fahrzeuge einsetzen oder kaufen. Sie brauchen auch mehr Personal. Teilweise werden die Linien und Schienen nicht reichen. Dieser Ausbau muss stattfinden, bevor man den Nulltarif einführt, sonst schafft das System den zu erwartenden Ansturm nicht. Das kostet ebenfalls Geld, von dem nicht klar ist, woher es kommen soll.
Die geschäftsführende Regierung und die entstehende Große Koalition haben zwar Milliarden Euro für die Abgasvermeidung in Städten ausgelobt, von zusätzlichen Ausgaben für einen Nulltarif war aber bisher nicht die Rede.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?