Reform für Seenotrettung: Wie das Sterben im Mittelmeer aufhören könnte
14 NGOs haben ein Konzept für ein EU-Programm zur Seenotrettung im Mittelmeer vorgelegt. Die EU könne jederzeit sichere Fluchtwege schaffen.
Das bereits existierende EU-Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen (Emergency Response Coordination Centre, ERCC) soll die Leitung übernehmen und dafür mit den bestehenden nationalen Rettungsleitstellen zusammenarbeiten. Unter anderem sollen „Überwachungskapazitäten, die derzeit bei Frontex liegen“, vom ERCC übernommen werden, „um sicherzustellen, dass bestehende Informationen zur Rettung von Menschenleben auf See genutzt“ werden.
Die Kosten für das Rettungsprogramm „mit ausreichender Kapazität für den vorhersehbaren Bedarf“ werden in dem Papier auf 240 Millionen Euro taxiert – also rund 0,13 Prozent des EU-Jahresbudgets 2023 oder 28 Prozent des Frontex-Budgets.
Ausgearbeitet hat das Konzept die Juristin Violetta Moreno-Lax von der Queen Mary Uni London, veröffentlicht hat es ein Bündnis aus 14 Organisationen, darunter unter anderem Sea-Watch, United4Rescue und SOS Humanity.
Kommissarin soll Seenotrettung reformieren
Hintergrund ist, dass das EU-Parlament am Mittwoch die neue EU-Kommission bestätigen soll, der unter anderem zum ersten Mal eine „Kommissarin für den Mittelmeerraum“ angehören wird. Das Amt bekommt die nationalkonservative Kroatin Dubravka Šuica, die einen „Neuen Pakt für das Mittelmeer“ ausarbeiten soll.
In diesem Jahr sind bisher 1.985 Flüchtlinge und Migrant:innen im Mittelmeer ertrunken. Die zahlreichen Seenotrettungs-NGOs werden unter anderem von Italien und Griechenland drangsaliert und sehen sich seit Jahren dem Risiko juristischer Verfolgung ausgesetzt. Italien setzt bei Notfällen vor allem darauf, dass die Menschen von der libyschen Küstenwache zurück nach Libyen gebracht werden. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex unterstützt dabei.
„Die Europäische Kommission hat keine Antwort auf die Menschenrechtsverletzungen und das tägliche Sterben im Mittelmeer“, heißt es in einer Erklärung des NGO-Bündnisses. Der „Mare Solidale“-Vorschlag sei als „Gegenentwurf zum Wettbewerb der Menschenrechtsabschaffung“ gedacht und fordere damit „ausdrücklich eine Debatte über sichere Fluchtwege in die EU ein“.
Die „politische Rettungsblockade“ müsse ein Ende haben. „Die Europäische Kommission kann jederzeit beschließen, das Sterben auf See zu beenden. Ein europäisches Rettungsprogramm ist keine Frage der Ressourcen oder der Logistik – es ist eine Frage des politischen Willens“, sagte die Sea-Watch-Sprecherin Giulia Messmer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl