Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes: Schon wieder Ärger in der Ampel

SPD und Grüne wollen eine einfachere Einbürgerung. Die FDP schießt quer, der Kanzler wirbt für den Doppelpass.

Olaf Scholz an einem Rednerpult

Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag in Berlin Foto: John Macdougall/reuters

BERLIN taz | Olaf Scholz weicht einmal kurz vom Skript ab. Die Einwanderungsfeiern, bei denen er als Hamburger Bürgermeister MigrantInnen als deutsche BürgerInnen begrüßte, sind ein fester Textbaustein seiner Reden. Diese Feiern gehörten „zum Berührendsten, was ich als Politiker erlebt habe“, so der Kanzler. Und, jetzt die Abweichung vom Skript: „Ich musste immer cool gucken, damit die anderen es nicht merken.“

Diese knappe Innenansicht in die hanseatische Gemütslage gewährt Scholz in Berlin-Kreuzberg am Montag. Es geht um „Deutschland. Einwanderungsland. Dialog für Teilhabe und Respekt“, so der sperrige Titel. Scholz hält eine kurze Rede über Einwanderung und Integration. Eigentlich ein Routinetermin. Doch es kracht gerade gehörig in der Ampelkoalition. SPD-Innenministerin Nancy Faeser will ein neues Staatsangehörigkeitsrecht: Kernpunkte sind die doppelte Staatsangehörigkeit und erleichterte Möglichkeiten, den deutschen Pass zu bekommen. Die Union protestiert, der FDP fällt auch viel Kritisches ein.

Scholz hält sich mit direkten Eingriffen in die Debatte zurück. Keine Angriffe auf die Union, die mit schwerem Geschütz feuert. Das Staatsangehörigkeitsgesetz ist, wie das Bürgergeld, im Bundesrat zustimmungspflichtig. Aber an einem Punkt wird er deutlich – beim Doppelpass: Die Mehrheit der MigrantInnen, die einen deutschen Pass bekommen, würden heute ihre alte Staatsangehörigkeit behalten. Deshalb sei die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts ein Gebot der Fairness. Es sei „für die 40 Prozent, die ihren alten Pass abgeben müssen, schwer verständlich, warum den 60 Prozent behalten dürfen“, so Scholz.

Faeser will nur umsetzen, worauf sich die Ampel im Koalitionsvertrag geeinigt hat. Den Auftakt zum Opponieren in der Koalition machte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. „Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für eine Vereinfachung des Staatsbürgerschaftsrechts“, sagte er der Rheinischen Post. Eine Entwertung der deutschen Staatsbürgerschaft werde es mit der FDP nicht geben.

Nicht erwünscht, wer nur die Hand im Sozialsystem aufhält

Andere FDP-Politiker sprangen ihm bei. „Bei der Einwanderung gilt, dass alle helfenden Hände im Arbeitsmarkt willkommen sind, aber niemand, der nur die Hand im Sozialsystem aufhalten möchte. Das gilt auch für die Staatsbürgerschaft“, twitterte etwa Justizminister Maro Buschmann. Konstantin Kuhle, Vizevorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, sagte der taz: „Wir brauchen Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt und dazu gehört ein modernes Einwanderungsgesetz und ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht.“

Wenn Menschen ihren Lebensunterhalt selbst sichern können, „sollen sie auch schneller Deutsche werden können“. Darauf habe man sich im Koalitionsvertrag geeinigt und der gelte weiterhin. „SPD und Grüne machen aber den Fehler, das Staatsangehörigkeitsrecht vor dem Einwanderungsgesetz reformieren zu wollen.“

Im Koalitionsvertrag der Ampel heißt es: „Wir schaffen ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht. Dafür werden wir die Mehrfachstaatsangehörigkeit ermöglichen und den Weg zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vereinfachen.“ Konkret ist festgelegt, dass die Ampel eine Einbürgerung in der Regel nach fünf Jahren, bei besonderen Integrationsleistungen nach drei Jahren möglich machen will.

Genauso hat es Faeser jetzt vorgeschlagen. Auch dass in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern mit ihrer Geburt Deutsche werden, wenn ein Elternteil seit fünf Jahren einen rechtmäßigen Aufenthalt im Inland hat, steht im Koalitionsvertrag. Und ebenso das Vorhaben, für Angehörige der „Gastarbeitergeneration“ die Einbürgerung zu erleichtern.

Kampfansage an die FDP

Darauf verweist auch die grüne Fraktionschefin Katharina Dröge: „Gut, dass wir in unserem Ampelkoalitionsvertrag ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht versprochen haben“, so Dröge zur taz. „Genau das werden wir auch liefern.“ Das kann man als Kampfansage an die FDP deuten. Saskia Esken versucht hingegen zu beruhigen. Manchen FDPlern würden noch die „richtigen Informationen“ fehlen, so die SPD-Chefin.

Die Union dagegen kann angesichts der Äußerungen aus der FDP ihr Glück wohl kaum fassen. „Es gibt keine Notwendigkeit, an den bestehenden Regeln etwas zu ändern“, sagte CSU-Generalsekretär Martin Huber. Es sei bemerkenswert, dass sich FDP-Generalsekretär Djir-Sarai ähnlich äußere. Damit drohe „schon wieder der nächste Ampelzoff“. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hatte zuvor davor gewarnt, die deutsche Staatsangehörigkeit zu „verramschen“.

Und CDU-Chef Friedrich Merz hatte sich gegen die doppelte Staatsbürgerschaft ausgesprochen und vor Einwanderung in die Sozialsysteme gewarnt. Differenzierter sieht das die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler, die früher Staatssekretärin für Integration in NRW war. „Über eine Verkürzung der Zeit kann man sprechen“, sagte Güler der taz. Aber unter bestimmten Bedingungen auf unter fünf Jahre zu kürzen, halte sie für nicht angemessen.

Güler ist prinzipiell auch für Mehrstaatlichkeit, allerdings auch für einen Generationenschnitt. „Das heißt, man sucht sich eine Generation aus, ab der sie nicht mehr weitergegeben wird. Spätestens sollte das ab der dritten Generation sein.“ Das alles sei, betonte Güler, eine „ziemlich sensible Diskussion“ für rund 25 Prozent der Bevölkerung, die eine Migrationsgeschichte habe: „Deshalb sollten wir sie sachlich führen ohne zu polemisieren.“

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