Reden mit Rechten: Gedanken im Nebel
"Ich bin nicht rechts, aber..." sagte der Mann in der Kneipe. Ich habe mit ihm geredet, um im Gespräch zu bleiben. Danach fühlte ich mich verraucht.
R auch. Ich sitze im Rauch. Er raucht und wir reden. Es ist, als würde mein Gegenüber seinen Raum mit dem Rauch erweitern. Seine Präsenz benebelt. Der Mann mit dem ich spreche, sagt: „Ich bin nicht rechts, aber …“
Aber, dieses Wörtchen, das sich so oft hinter Sätze schleicht: „Ich will ja nichts sagen, aber …“
„Aber diese neuen Mitbürger“, sagt er. „Neue Mitbürger, so nenne ich sie.“
Ein seltsamer Begriff. Warum nennt er sie „neu“ und warum sollen sie „Mit“ sein? Als wären sie nur mit dabei – dabei leben sie hier.
Wir sitzen in einer Kneipe. Der Rauch hängt dicht über dem Tresen. Der Mann vor mir bezeichnet sich als „Gastarbeiterkind“. Aber zwischen ihm und denen, die er „neue Mitbürger“ nennt, gäbe es einen riesigen Unterschied: „Mein Vater wollte immer arbeiten. Er ist damals als Gast gekommen, um zu arbeiten.“
„Er ist jetzt noch hier?“, frage ich.
„Natürlich“, sagt er. „Aber er arbeitet eben.“
„Die jetzt kommen, wollen nicht arbeiten?“
Ich versuche, seine Sätze wiederzugeben, ihm damit auf die Spur zu kommen, nicht mit ihm zu streiten. Die Demokratie sei in Gefahr, weil wir verlernt hätten, miteinander zu reden, heißt es. Wir sollten andere Meinungen aushalten, im Gespräch bleiben, weil sich die Gesellschaft sonst zu stark aufspalte.
„Nein, die neuen Mitbürger bekommen hier vor allem Kinder“, sagt er. „Eins, zwei, drei, vier“, zählt er und schaut mich an. „Und dann arbeiten sie nicht. Denn sie bekommen ja für die Geld und wer zahlt das?“ Er nickt: „Ich, du.“
Sein Blick gleitet über die anderen Gesichter am Tresen und er nickt. Für jedes Gesicht ein Nicken. Der Mann dreht sich die nächste Zigarette. Ich bekomme Kopfschmerzen. Ich kann ihm nichts entgegenrauchen. Ich habe nur mein Zuhören und Sprechen. „Wir brauchen junge Menschen“, sage ich. „Wir haben einen starken demografischen Wandel.“ Ich bemerke, dass ich unbewusst auf seine Argumentationsebene steige. Als müssten Menschen, die kommen, zu etwas nützlich sein.
„Ich glaube, wir brauchen sie nicht“, sagt er. „Und dann lassen sich die Frauen hier mit ihnen ein. Hey, du und ich, wir beide könnten Kinder machen.“
Er tut, als wäre es ein Spaß, eine theoretische Idee. „Eins, zwei. Unter uns Europäern.“
Es fällt mir nun schwer, im Gespräch zu bleiben. Ich möchte weg aus dem Rauch und weg von seinen Sätzen. Er spricht weiter von Arbeit. Arbeit sei wichtig. Er arbeite viel. Und wer nicht arbeite, habe kein Recht, hier zu sein.
Ich frage ihn, was er befürchtet. Oft hilft es, nach den Gefühlen zu fragen, die unter der Unzufriedenheit liegen. Dem Gefühl unter dem Gefühl. In die verzweigten Wege im Unterbau zu steigen, aus denen die Meinungen an die Oberfläche steigen.
Sein Gesicht wirkt bitter. „Merkst du, wie alles abbaut“, sagt er. „Man kriegt gar keinen Arzttermin mehr. Ich habe nichts gegen die. Aber …“
„Aber viele wollen hier arbeiten und dürfen es nicht“, sage ich.
Er spricht wieder über Kinder. Ich spüre ein Gefühl von Ohnmacht im Rauch. Ich merke, dass ich es nicht schaffe, mit ihm das Thema darunter zu betrachten, mit ihm andere Sichtweisen einzunehmen.
Im Gespräch bleiben. Perspektivenwechsel. Das alles ist Arbeit. Als wir uns verabschieden, sagt er: „Ich hoffe, ich habe dich nicht verschreckt mit meiner Meinung.“
Zu Hause riechen meine Kleider nach seinem Rauch. Ich fühle mich verraucht. Ver-redet. Und ich frage mich, ist es richtig in jedem Gespräch zu bleiben? Mir die Luft nehmen zu lassen.
Auch am nächsten Tag hängt der Rauch noch in meinen Kleidern und mir hängt die Zeit mit ihm in Gedanken nach. Und ich denke: Ja, im Gespräch bleiben ist wichtig. Aber nicht um jeden Preis. Das nächste Mal frage ich, ob wir draußen vor der Kneipe reden. Aus dem Nebel treten und klare Luft atmen. Gleichberechtigte Luft für alle.
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