Rede von Trump zum Unabhängigkeitstag: Antirassisten als „wütender Mob“

US-Präsident Trump spaltet die USA, statt sie zu einen. Zum Unabhängigkeitstag – vier Monate vor der Wahl – wählt er eine besonders polarisierende Botschaft.

Die vier Köpfe von Präsidenten im Mount Rushmore. Trump posiert vor der Kulisse und hält seinen Kopf direkt neben die im Felsen, um zu suggerieren, dass er zu ihnen gehört.

Im Fels vielleicht besser aufgehoben als auf der Bühne: US-Präsident Donald Trump Foto: Alex Brandon/dpa

WASHINGTON/MOUNT RUSHMORE dpa/ap | Seine Rede zum Unabhängigkeitstag hat US-Präsident Donald Trump am Freitagabend vor allem für eines genutzt: düstere Stimmungsmache gegen Teilnehmende der landesweiten Antirassismus-Proteste. Es sei eine „gnadenlose Kampagne zur Auslöschung unserer Geschichte“ im Gange, sagte Trump am Mount Rushmore im US-Bundesstaat South Dakota. „Wütende Mobs“ versuchten, Statuen der Gründerväter der USA zu Fall zu bringen. Das „starke und stolze“ amerikanische Volk werde aber nicht erlauben, ihm die Geschichte und Kultur zu nehmen.

Trotz allgemeiner Sorgen vor neuen Coronavirus-Ansteckungen nahm Trump an der Veranstaltung vor beeindruckender Kulisse teil: Über der Bühne thronte das monumentale Nationaldenkmal von Mount Rushmore – der Gebirgsfels mit den in Stein gemeißelten Köpfen von vier Ex-Präsidenten. Mehrere Tausend Menschen waren nach Angaben der Gouverneurin aus allen Teilen des Landes nach South Dakota gekommen, wo der Abend mit Feuerwerk endete.

Der Unabhängigkeitstag am 4. Juli steht in diesem Jahr unter dem Eindruck der sich zuspitzenden Corona-Pandemie und landesweiten Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd. Obwohl die USA in den vergangenen Tagen mehrmals in Folge ihre eigenen dramatischen Rekorde bei der Zahl der Neuinfektionen binnen 24 Stunden brachen, ließ Trump die Krise weitgehend außer Acht. Es waren die Proteste, die eine Debatte über die Erinnerungskultur des Landes entfacht haben, die ihm den Stoff für die Rede lieferten.

Trump warf dem linken Flügel des politischen Spektrums vor, in den Städten des Landes eine „Welle von Gewaltverbrechen“ auslösen zu wollen. Unter dem „Banner der sozialen Gerechtigkeit“ werde versucht, sowohl die Gerechtigkeit als auch die Gesellschaft zu zerstören. Der Angriff auf die „großartige Freiheit muss gestoppt werden und wird sehr schnell gestoppt werden“, sagte Trump.

Keine Entschuldigung für Sklaverei

Trumps Anschuldigungen gegen Teilnehmer an den Protesten sind nicht neu – am Mount Rushmore ließ er sie aber in geballter Form los. In mehreren Städten waren bei Protesten Statuen gestürzt worden, die historische Figuren darstellen, die in Verbindung mit Rassismus gebracht werden. Die US-Demokraten wollen aus dem Kongress umstrittene Statuen verbannen. Auch wurden Forderungen zur Umbenennung einiger Militärstützpunkte laut, die an Anführer der Konföderierten Staaten im amerikanischen Bürgerkrieg erinnern.

Trump wehrt sich gegen all dies – die überlebensgroßen Porträtköpfe der Präsidenten George Washington, Thomas Jefferson, Theodore Roosevelt und Abraham Lincoln gaben seiner Botschaft den scheinbar passenden Rahmen: „Diese Bewegung attackiert offen das Erbe jeder Person von Mount Rushmore“, beklagte Trump. Amerikaner*innen sollten stolz über ihre Geschichte sprechen und sich nicht dafür entschuldigen. „Wir werden uns nicht terrorisieren lassen, wir werden uns nicht demütigen lassen und wir werden nicht eingeschüchtert werden von diesen schlechten, bösen Menschen.“

Die Stimmung bei der Veranstaltung zum Auftakt der Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli glich einem Wahlkampfevent des Präsidenten. Zwischenrufe wie „Wir lieben dich, Präsident Trump“ waren zu hören. Und seine Rede schien genau darauf ausgelegt zu sein. Aus den USA solle ein Ort der „Unterdrückung, Herrschaft und Ausgrenzung“ gemacht werden. „Sie wollen uns zum Schweigen bringen, aber wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen“, sagte Trump. Er dagegen trete für das Erbe des Landes, die Vollstreckung von Gesetzen und das Recht auf Waffenbesitz ein.

Das Ehepaar Trump auf einer Bühne unterhalb des Mount Rushmore. Am rechten und linken Bildrand stehen Militärorchestermusiker

Während das Ehepaar Trump für einen Massenauflauf sorgen, muss der älteste Sohn in Corona-Isolation Foto: Alex Brandon/dpa

Der Republikaner will bei der Wahl in vier Monaten für eine zweite Amtszeit antreten – und er steht unter Druck. Umfragen sehen den designierten Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, Joe Biden, in Führung.

Bei den Umfragen ist Vorsicht geboten, wie die Wahl 2016 zeigte. Doch Trump sieht sich nicht nur Kritik wegen seines Umgangs mit der Corona-Krise ausgesetzt, in der sein Augenmerk vor allem auf der Wirtschaft liegt. Nach dem Tod von Floyd wurde Trump vorgeworfen, sich nicht klar gegen Rassismus zu positionieren und den Zorn über Diskriminierung und Ungerechtigkeit im Land nicht verstehen zu wollen. Unter den US-Bürger*innen ist das Verständnis für friedliche Proteste Umfragen zufolge hoch.

130.000 Tote unerwähnt

Proteste werden auch Teil des diesjährigen Unabhängigkeitstages sein: Für Samstag sind in der Hauptstadt Washington mehrere Demonstrationszüge angekündigt. Am Abend will Trump im Weißen Haus eine weitere Ansprache zum 4. Juli halten. Im Anschluss sollen die Feierlichkeiten auf der National Mall – einer Promenade zwischen dem Parlamentsgebäude und dem Lincoln Memorial – beginnen, Höhepunkt ist ein Feuerwerk am Abend. Bürgermeisterin Muriel Bowser hatte beklagt, dass die Feierlichkeiten mitten in der Corona-Pandemie im Widerspruch zu den Richtlinien der Gesundheitsexperten stünden.

Trump würde die Corona-Pandemie am liebsten für beendet erklären – was auch bei seiner Rede am Mount Rushmore deutlich wurde. Zu Beginn sprach er „das Virus“ an, aber nicht die mehr als 50.000 Neuinfektionen, die in den vergangenen Tagen jeweils binnen 24 Stunden verzeichnet werden. Auch den Schmerz über die fast 130.000 Toten, die die USA seit Beginn der Pandemie im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung zu beklagen haben, bedachte er nicht.

Stattdessen sagte Trump vor dicht gedrängten Zuschauern, die größtenteils keine Schutzmaske trugen, die USA seien das „großartigste Land in der Geschichte der Welt“ und dass es „bald“ großartiger als je zuvor sein werde. Während Trumps Ansprache bestätigte sein Wahlkampfteam, dass die Freundin von Trumps ältestem Sohn, Donald Trump Jr., während ihres Aufenthalts in South Dakota positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Sie und Trump Jr. sagten alle öffentlichen Auftritte ab und isolierten sich.

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Am 3. November 2020 haben die USA einen neuen Präsidenten gewählt: Der Demokrat Joe Biden, langjähriger Senator und von 2009 bis 2017 Vize unter Barack Obama, hat sich gegen Amtsinhaber Donald Trump durchgesetzt.

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