Rechtsruck in Bayern: Der Schorsch muss weg!
Wenn die Rechten im Aufschwung sind, wird’s für die Linken immer ungemütlicher. Dann sind bald nicht mehr nur die Rechten ihre Gegner.
W issen’S, was ich Ihnen sag – ich sag Ihnen, halten Sie sich fern von dem Schorsch. Das ist ein ganz Linker und Nestbeschmutzer und Ökoterror und alles. Wissen’S, was der sagt? Der sagt, dass der Söder ein hinterfotziger Opportunist ist, und was der vom Aiwanger sagt, des kann ich hier gar nicht wiederholen. Und statt AfD sagt er immer nur „die blauen Nazis“. So einer ist der, der Schorsch.
Ich mein, rein menschlich tät ich gar nichts sagen. Der Schorsch hat immer zupacken können, wenn’s wo jemand gebraucht hat, und ein Bier hat man ohne Weiteres mit ihm trinken können. Bloß halt politisch. Früher hat des net weiter g’stört. Da hat man halt gesagt, ja mei, so isser halt, der Schorsch. So ein bissel ein spinnertes G’scheidhaferl halt. Aber jetzt weht ein anderer Wind.
Schaun’S, früher, ja mei, da hat es in einem Dorf auch einen Dorfdeppen geben, und manchmal war das halt bloß einer, der lieber Bildl gemalt hat, als aufs Feld zum gehen. Und es hat eine Dorfhur geben, das war manchmal auch bloß eine, die wo nicht hat heiraten wollen. Und dann, wissen’S noch, hat es auch öfter amal einen Dorfsozi geben, einen, der wo nicht in der CSU war, und irgend so a linke Zeitung abonniert hat.
Dann sind auch solchene „Hippies“ ins Dorf kommen. Die mit den langen Haaren und den Pullovern, die wo immer gesungen haben, mit Hasch und allem. Man hat da und dort auch einen Dorftürken oder einen Italiener gehabt. Also, der Luigi, der hat eine Zeit lang sogar a Pizzeria bei uns gehabt, und der Herr Özdemir, der war Ingenieur oder was. Und dann hat’s sogar die Dorfpunks geben. Wie den Alfons. Der mit seinem Stachelhaar und der Lederjacke. Aber im Blasorchester hat er trotzdem mitgemacht, und beim Hörndlschlittenrennen. Dann sind da auch die Ökos gewesen. Halt so Körndlfresser und Weltverbesserer, alles mit vegan und bio. Mei, ham mir uns denkt, wenn’s denen so g’fallt.
ist freier Autor und hat bereits über 20 Bücher zum Thema Film veröffentlicht. Zuletzt erschien von ihm: „Coronakontrolle, oder: Nach der Krise ist vor der Katastrophe“ bei bahoe books. Er lebt in Bayern und Italien.
Aber von denen allen ist kaum noch jemand bei uns. Dafür sind so viele aus der Stadt zu uns gekommen und haben ihre eigenen Häuser gebaut und wollen ihre Ruhe und die haben sie auch. Eigentlich gibt es gar keine Störenfriede mehr in unserem Dorf. Außer halt den Schorsch. Der Schorsch ist irgendwie alles. Der Dorfdepp, der Dorfhippie, der Dorfsozi, der Dorfpunk und der Dorf-Öko. Als Dorftürk würd er auch noch durchgehen, schaun’S ihm doch an. Oder er ist halt ein Jud, oder was. Jedenfalls ist er ein Öko-Terrorist und ein Dschänderer, und deswegen gehört er nicht zu den anständigen und den vernünftigen Deutschen, die wo der Aiwanger kennt. Das hat dann auch die AfDlerin in der Gemeinde gesagt, und die Aiwangers haben Jawohl gesagt, und die CSUler haben nur stumm genickt. Nicht, dass es nachher wieder heißt. Wegen Brandmauer und so.
Wie es noch bloß die CSU und halt den Rest gegeben hat, da war es freilich bei uns noch gemütlicher. Da ist es so gewesen, wie es ist, und damit hat sich’s. Aber jetzt haben wir drei rechte Parteien, und die müssen immer die anderen dazu treiben, noch rechter zu werden, und dazu braucht man einen Zorn auf den Rest, also auf alles, was nicht ganz so ist wie wir. Und jetzt kommt es natürlich auch raus, dass so einer wie der Schorsch viel gefährlicher ist, als wie wir gedacht haben. Nachher klebt der alte Depp sich noch an einen Bulldog und der Michi fahrt ihn übern Haufen, weil der lässt sich seinen Bulldog und seinen Acker doch nicht von so einem, das wär ja noch schöner.
Weil, es is ja so: Früher ham wir g’sagt, also einer kann ein Sozi, oder ein Hippie, oder ein Punk, oder ein Öko sein und trotzdem a ganz simpattischer Mensch. Und wenn eins lieber a Zukkini als wie an Schweinsbraten essen mag, is a recht. Und vielleicht wär des mit dem Bio ja gar kei so schlechte Idee. Aber dann haben’s gesagt, dass die Grünen der Hauptfeind sind. Und dass, wenn einer dschändert, unserne Heimat verloren geht. Und dass es keine Privatsache ist, wenn man eine Bratwurst isst, sondern das ist politisch. Jetzt ist nämlich alles politisch. Dass man nicht von Klima redet, sondern vom Wetter, und das war schon immer so.
Und jetzt hat man keine Dorfhur mehr, sondern alles ist voll von Kwier und Lesbisch und Schwulen. Mit einem wie dem Schorsch kannst du jetzt nicht einmal mehr über das Wetter reden. Oder über an Katarhh, weil gleich heißt’s wieder Covid und Impfen und alles. Über nix kannst mehr reden, weil es wird immer politisch. Und deswegen muss der Schorsch weg. Schon in seinem eigenen Interesse.
Jeder im Dorf weiß, wo er wohnt
Früher hast du Sozi, Öko, Hippie, Punk oder Depp sein können, und du hast doch dazugehört. Irgendwie. Und jetzt ist es genau umgekehrt. Jetzt gibt es immer mehr, die wo nicht dazugehören dürfen. Und dann kommen noch diese Asylanten, und da sind sie sich auf einmal alle einig, dass die nicht da hergehören. Und wenn dann halt einer wie der Schorsch daherkommt und sagt, dass das doch Menschen in Not sind, denen man helfen muss, obwohl wir doch schon gesagt haben, dass uns das überfordern tut, und dass es keinen Platz mehr gibt und wir eh schon so lange beim Zahnarzt warten müssen, dann hört sich halt doch die Liberalitas auf, und der Schorsch muss schon sehr aufpassen, dass ihm nix passiert, weil ja jeder im Dorf weiß, wo er wohnt. Und wie es halt jetzt ist, mit der Regierung und dem Gemeinderat und allem, da wird dem keiner mehr helfen wollen, dem Schorsch.
Mei, menschlich tut es mir ja leid um den Schorsch. Wir ham ja schon manchmal a rechte Gaudi gehabt. Aber es geht halt nicht mehr. Weil, wenn man jetzt mit einem wie dem Schorsch redet, dann denken gleich alle, dass man selber so einer ist. Und dann wird man gleich ganz anders angeschaut. Und es geht ja auch um die Familie und um das Dorf und dass eine Ruhe ist. Und das muss man schon verstehen, dass wir unsere Demokratie verteidigen müssen. Mit so einem wie dem Schorsch geht das halt nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Getöteter General in Moskau
Der Menschheit ein Wohlgefallen?
Sturz des Assad-Regimes
Freut euch über Syrien!
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Bombenattentat in Moskau
Anschlag mit Sprengkraft
Weihnachten und Einsamkeit
Die neue Volkskrankheit
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf