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Rechtsextremismus und Midlife-CrisisDie Infantilität des Bösen

Rechte Männer tun gerne so, als ginge es ihnen um Identität und Nationalstolz. Doch mehr als Hass und homoerotische Spannungen stecken nicht dahinter.

Arschlöcher, Chauvis und Schläger: Proud Boys in Portland, Orgeon, am 26.September Foto: Michael Nigra/Pacific Press Agency/imago

W er hat euch wehgetan, Männer? Das darf doch echt nicht wahr sein, dass ihr da draußen immer noch rumlauft und faschistische Milizen gründet. Habt ihr sonst keine Hobbys? Wie wärs mal mit Backen?

Nehmen wir die „Proud Boys“ als Beispiel. Diese Schlägertruppe, die in den Nachrichten ist, weil sie in Portland bewaffnet aufläuft und sich der US-Präsident nicht von ihnen distanzieren wollte. Diese „Stolzen Jungs“ sind zu einem nicht zu vernachlässigenden Teil Familienväter in der Midlife-Crisis, denen Bartpflege und männlich-weiße Weltherrschaft wichtig sind.

Gegründet hat sie 2016 ebenfalls ein Familienvater in der Midlife Crisis; als eine Art Deppenwitz der Geschichte, und das sind sie auch geblieben, außer, dass sie eben eine unkontrollierte Miliz sind, denen der Präsident diese Woche zugerufen hat, sie sollen sich bereithalten – auch wenn er später angeblich nichts mehr von ihnen wissen wollte.

Aber lassen Sie sich gar nicht erst in ihren „Ach, die USA …“-Lehnstuhl fallen. Hier drüben im Heiligen Römischen Reich haben wir die rechtsextremistischen „Identitären“, die sich im Sommer in einem Sägewerk in der Lausitz getroffen haben, um nach antikem olympischen Vorbild Nahkampf zu trainieren und sich im Lagerfeuerschein gegenseitig ihre gestählten Herrenrasse-Waden zu bewundern.

Homoerotische Spannungen im deutschen Vereinswesen

Die „Identitären“, ebenso wie die „Proud Boys“, Prepper und andere Iterationen der maskulinistischen Neuen Rechten, versuchen ihr Tun mit Historie, mit Mythos aufzuladen, mit Rückgriffen auf projizierte alte Ideale und angebliche Former Glory – dabei geht es bloß um Sport, Minderheitenhass und homoerotische Spannung. Also nichts weiter als deutsches Vereinswesen.

Sich selber und uns, die Beobachter*innen und Analyst*innen, wollen sie überzeugen, dass da noch mehr ist: eine Tradition, ein inneres Narrativ. Die „Proud Boys“ pflegen deshalb Rituale (oder behaupten es) wie die Einschränkung des Masturbationsverhaltens, um daraus angebliche innere Stärke und Ruhe zu generieren. Das ist übrigens christlich-abendländischer Unsinn – bei der Kontrolle von Sexualität geht es immer nur um Kontrolle, nichts weiter. Und die „Identitären“ geben sich gerne Spitznamen aus Zach Snyders Sparta-Softporno-Blockbuster „300“.

Ich frage mich dann oft: Wie kann man euch heilen? Worum geht es euch wirklich? Vielleicht ist es ja doch diese Zukunfts-, diese Globalisierungsangst oder die Furcht vorm Machtverlust. Adressierbare, bearbeitbare Themen also. Maybe you should talk to someone?

Aber erstens würde ich alle diese Typ-A-Klemmschwestern nur therapieren, wenn man mich so richtig obszön dafür bezahlt (Honorar im Bereich Luxus-Ledermantel müsste das schon sein). Und zweitens ist dies ja genau Teil des Spiels. Bedeutung suggerieren, wo es bloß um infantile Instinkte geht: erniedrigen, einschüchtern, verängstigen, herrschen.

Baby, we ain't born this way

Man tut aber so, als ginge es um männliche Identität, Nationalstolz, Bruderschaft und Anti-Globalisierung. Mag sein, dass alle diese Dudes ihre individuellen biografischen Gründe haben, Dicks geworden zu sein. Der eine ist vielleicht wirklich einfach ganz doll gegen entgrenzten Kapitalismus. Der nächste hatte einen cholerischen Dad, der dritte hat Erektionsprobleme und noch einer ein leicht behandelbares, aber bislang undiagnostiziertes psychisches Problem.

Mag ja alles sein. Aber nichts davon führt unweigerlich dazu, dass Leute Arschlöcher, Chauvis und Schläger werden. Sorry aber, baby, we ain’t born this way. Arschlöcher, Chauvis und Schläger sind Arschlöcher, Chauvis und Schläger, weil sie sich entschieden haben, Arschlöcher, Chauvis und Schläger zu sein. Da gibt es nichts hineinzudeuten. Und diesen Gefallen sollten wir ihnen auch nicht tun.

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Peter Weissenburger
Freier Autor
Schreibt über Kultur, Gesellschaft, queeres Leben, Wissenschaft.
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7 Kommentare

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  • "die Einschränkung des Masturbationsverhaltens, um daraus angebliche innere Stärke und Ruhe zu generieren. Das ist übrigens christlich-abendländischer Unsinn – bei der Kontrolle von Sexualität geht es immer nur um Kontrolle"

    Naja, der eine frisst immer unkontrolliert einen Palmöl-Schockoriegel um seine Verzweiflung zu unterdrücken, der andere geht auf Pornhub und holt sich einen runter.

    Diese beiden Dopaminauslöser kontrollieren zu können ist erstmal nicht falsch.

    Komisch nur, dass "diese" Menschen sich tatsächlich dadurch identifizieren wollen.

    Sie gegen die Wichser dieser Welt.

    Von Projektion haben sie wahrscheinlich auch nix gehört.

  • Das Problem ist komplexer, Herr Weissenburger.

    Zunächst: Bei den 'Proud boys' sind 10 % bis 20% PoC. Der Führer der Proudboys, Enrique Tarrio, ist ein Mensch schwarzer Hautfarbe aus Kuba.

    "Enrique Tarrio, their overall leader, is a Black Cuban dude. The Proud Boys explicitly say they’re not racist,” Mr. Reilly told The Washington Times. “They are an openly right-leaning group and they’ll openly fight you — they don’t deny any of this — but saying they’re White supremacist: If you’re talking about a group of people more than 10% people of color and headed by an Afro-Latino guy, that doesn’t make sense.”



    www.washingtontime...-arent-white-supr/

    ‘The Anti-Defamation League (ADL) has said that "[w]hile the group can be described as violent, nationalistic, Islamophobic, transphobic and misogynistic, its members represent a range of ethnic backgrounds, and its leaders vehemently protest any allegations of racism."[23] The group believes men and Western culture are under siege, their views having elements of the white genocide conspiracy theory.[24][25][26] Officially, the group rejects white supremacy, although it has ties with white supremacist groups.'



    en.wikipedia.org/wiki/Proud_Boys

    Einer ihrer Slogans lautet: "I’m a proud Western chauvinist, I refuse to apologize for creating the modern world."

    Dieser Slogan gibt uns einen wichtigen Hinweis auf die potentielle Wechselwirkung rechter und linker Identitätspolitik. In dem Maße, wie linke Identitätspolitik die ganze westliche Zivilisation, die ganze westliche Kultur als verachtenswert, in dem Maße, in dem alle Weißen pauschal als ‘Rassisten’ bezeichnet werden und die Männer pauschal als ‘Sexisten’ - ruft dies rechte Identitäre auf den Plan – und die Rassenkategorien teilen beide, wenn auch mit umgekehrter Wertung. Auf die erste Demo unter dem Banner ‘Black lives Matter’ antwortete die NPD am Potsdamer Platz mit : ‘White lives matter.’

    • Peter Weissenburger , des Artikels, Freier Autor
      @Weber:

      Stimmt, die Proud-Boys sind keine rein weiße Gruppierung. Neurechte Gruppen arbeiten nur noch selten mit individualrassistischen Zugangsbeschränkungen. Mann sein, und Männlich-Sein ist in diesem Fall ein wesentlich strengeres Kriterium.



      Worauf ich mich beziehe ist das Bekenntnis der Proud-Boys zur "Vorherrschaft des Westens", die letztlich eine weiße Vorherrschaft ist. Es geht ihnen darum, Formen von Gleichstellung, die in den letzten Jahrzehnten von sozialen Bewegungen erwirkt worden sind, rückgängig - oder zumindest lächerlich - zu machen.



      Es handelt sich um einen Backlash. Von einer Wechselwirkung zu sprechen, würde den progressiven Kräften eine Mitschuld an ihrer eigenen Bekämpfung geben.

  • Bitte nicht Homosexualität (homoerotische Spannung) als Beleidigung für toxisch maskuline Menschenhasser benutzen. Die realitätsferne Klischeedenke, dass Menschen, die (unter anderem) queerfeindlich sind, ja selbst nur schwul seien aber Probleme hätten sich zu akzeptieren, hält sich an vielen Orten hartnäckig und wird mitunter gerne mal als auslösendes "Kindheitstrauma" für Menschenhasser zurecht fantasiert. Also besser nicht benutzen wenn man dieser Fantasie nicht mehr Futter bieten möchte.







    Wär auch nicht im Sinne von diesem Artikel, der damit schließt, dass Menschen sich eben selbst dazu entscheiden Arschlöcher zu sein.

  • Volle Zustimmung.

  • Proud Boys, Identitäre, Graue Wölfe, Schwarzer Block, Wehrsportgruppe Hoffman usw.



    Es gibt in jedem Alter und in jeder Gruppe Menschen, die beim Denken nicht so viel Glück haben. Damit müssen wir wohl leben....

  • Kann alles sein.

    Aber die Typen sind aus dem Holz geschnitzt, aus dem auch SS und SA geschnitzt waren.

    Will sagen: Die sind brandgefährlich.