Rechtsextremismus in Deutschland: Strafe für „Feindeslisten“
BKA-Chef Münch und Innenminister Seehofer halten die Erstellung von Listen politischer Gegner für strafwürdig. Ein Gesetzentwurf liegt jetzt vor.
Als „Feindeslisten“ oder „Todeslisten“ werden Namens- und Adresssammlungen bezeichnet, die vor allem von Rechtsextremisten angelegt werden und politische Gegner erfassen. Die NSU-Terroristen hatten eine solche Liste, ebenso der Ex-Bundeswehrsoldat Franco A., der bald wegen Terrorvorbereitungen vor Gericht stehen wird. Auch die maßgeblich von der taz aufgedeckte Nordkreuz-Gruppe, die sich in Mecklenburg-Vorpommern auf einen „Tag X“ vorbereitete, sammelte Adressen von vermeintlichen Feinden.
Für Einschüchterung sorgen solche Listen vor allem, wenn sie veröffentlicht und weiterverbreitet werden, wie etwa eine rechtsextreme Liste unter dem Titel #WirKriegenEuchAlle, die rund 200 Namen umfasste. Für den größten Wirbel sorgte eine Liste mit knapp 25.000 Namen und Adressen, die teilweise als „Antifa-Liste“ zirkuliert. Tatsächlich ist es nur die 2015 gehackte Kundenliste eines Punkversands. Die Liste wurde aber mit der Aufforderung verbreitet, man könne jetzt die „subversiven, demokratiefeindlichen Elemente zur Räson bringen“.
Im Sommer 2019 wurde erstmals breit über solche Listen diskutiert. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob die Polizei alle Personen benachrichtigen soll, die dort aufgeführt wurden. Die Landespolizeien agierten uneinheitlich. Das Bundeskriminalamt verneinte eine konkrete Gefahr. „Der derzeit in der medialen und öffentlichen Diskussion verbreitete Begriff der ‚Feindes-‘ oder gar ‚Todesliste‘ ist daher konsequent zurückzuweisen“, erklärte das BKA damals.
Vorschlag wieder aufgegriffen
Im Oktober 2019 ging das BKA aber in die Offensive. Es forderte die Schaffung einer neuen Strafnorm gegen das „Outen“. Dies sollte auch „das Erstellen und Verbreiten von Datensammlungen“ erfassen. Die BKA-Formulierung macht jedoch deutlich, dass es hier dann auch um Datensammlungen der Antifa gehen dürfte. Schon mehrfach wurden Delegiertenlisten von AfD-Parteitagen im Internet veröffentlicht.
Die Diskussion über ein neues Strafdelikt war aber schnell wieder zu Ende, als Innenminister Seehofer und Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) Ende Oktober ihr Maßnahmepaket gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität vorlegten. Weder in den Eckpunkten noch in Lambrechts Gesetzentwurf wurden Feindeslisten oder Ähnliches erwähnt.
Am 19. Februar soll der Gesetzentwurf im Bundeskabinett beschlossen werden. Versucht BKA-Chef Holger Münch im Vorfeld, noch einmal Werbung für seinen Vorschlag zu machen? „Wer Listen vermeintlicher politischer Gegner veröffentlicht – verbunden mit Drohungen wie ‚Wir kriegen Euch alle‘ – der tut dies mit dem Ziel, Menschen einzuschüchtern und Angst zu verbreiten“, erklärte er jüngst und plädierte dafür, dass das Verfassen solcher Listen „unter Strafe gestellt werden sollte“.
Mathias Middelberg, der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU, hält das geplante Gesetz für eine gute Gelegenheit, Münchs Vorschlag aufzugreifen. Münch selbst wie auch das Bundesinnenministerium gehen jedoch davon aus, dass die bisher geplanten Verschärfungen ausreichend sind.
Vage Drohungen weiterhin nicht strafbar
So soll laut bisherigem Entwurf das Delikt „Bedrohung“ im Strafgesetzbuch (§ 241) künftig nicht nur die Androhung eines „Verbrechens“ (etwa von Mord und Vergewaltigung) erfassen, sondern auch von weniger schwer bestraften „Vergehen“ wie Körperverletzung oder Sachbeschädigung. Vage Drohungen sollen aber weiterhin nicht strafbar sein. Das dürfte deshalb auch für Feindeslisten unter der Überschrift „Wir kriegen Euch alle“ gelten oder für die Aufforderung, bestimmte Personen „zur Räson“ zu bringen.
Der FDP-Abgeordnete Stefan Thomae hat inzwischen darauf hingewiesen, dass die Erstellung von Feindeslisten bereits nach Datenschutzrecht geahndet werden kann. Hier würden „personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind“, ohne Berechtigung verarbeitet, „um anderen zu schaden“. Laut Bundesdatenschutzgesetz (§ 42 BDSG) drohen hierfür bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.
Allerdings, so Thomae, würden Delikte nach dem BDSG von Polizei und Staatsanwaltschaft „faktisch nicht verfolgt“. Er schlägt daher vor, die bestehende Strafnorm ins Strafgesetzbuch zu transferieren, um sie sichtbarer zu machen. So will er Schnellschüsse des Gesetzgebers verhindern, die möglicherweise viel zu weit gehen.
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