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Rechtsextreme im PolizeidienstSechs weitere Verdachtsfälle

Erneut werden sächsische Polizisten verdächtigt, Bezug zum Rechtsextremismus und der Reichsbürgerszene zu haben. Seit 2020 sind über 80 solcher Fälle bekannt.

Die Polizei in Sachsen hat ein Problem: Weitere Polizisten werden verdächtigt, sich rechtsextrem geäußert zu haben Foto: Robert Michael/dpa

Dresden epd | Im zweiten Halbjahr 2023 sind nach Angaben des sächsischen Innenministeriums bei der Polizei im Freistaat sechs Verdachtsfälle mit Bezug zum Rechtsextremismus und zur „Reichsbürger“-Szene bekannt geworden. Damit steige die Zahl der seit 2020 bekannt gewordenen einschlägigen Vorfälle auf 82.

Die Linken-Politikerin Kerstin Köditz hatte eine parlamentarische Anfrage gestellt, aus der Antwort gehen nun die neuen Zahlen hervor. Sie erwarte ein konsequentes Vorgehen in diesen und allen weiteren Fällen, sagte Köditz: „Staatsfeinde haben im Staatsdienst nichts zu suchen.“

Die jüngsten Verdachtsfälle betrafen nach Angaben des Ministeriums Bedienstete in den Polizeidirektionen Chemnitz, Leipzig und Zwickau sowie in der Polizeihochschule in Rothenburg. Dabei ging es unter anderem um Verharmlosung des Nationalsozialismus, Nutzung verbotener Grußformen und rassistische Äußerungen. Ein Polizist steht zudem im Verdacht, selbst der „Reichsbürger“-Szene anzugehören.

In allen Fällen seien Disziplinarverfahren eingeleitet worden, fünf Betroffenen sei die Führung der Dienstgeschäfte untersagt worden, hieß es. In drei Fällen wurde ein Entlassungsverfahren eingeleitet. Zwei Staatsanwaltschaften ermittelten wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

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6 Kommentare

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  • Huch, zufällig wird die Polizeidirektion Chemnitz im Artikel genannt. Polizeibeamte hatten kürzlich "schnell" die Hanau-Gedenkstätte in Chemnitz abgeräumt, als wollten sie damit ein Zeichen gegen das Gedenken setzen.

  • 6 völlig überraschende Einzelfälle. Bitte gehen Sie weiter hier gibt es nichts zu sehen.

    Der Staat schaut nicht mehr zu, er ist Organisator und Erfüllungsgehilfe, ob mit Geld, Waffen, Auto oder oder oder.

  • Das ist natürlich nur, was ans Licht kommt. Die Dunkelziffer dürfte hoch sein, da die Polizei ja die ermittelnde Behörde wäre.



    Erschütternd auch wenn man sich zum Beispiel den sich gerade jährenden Fall Hanaus anschaut. Wenn man sieht, welche Polizisten da am Werke waren und was z.B. der hessische Ministerpräsident oder Innenminister da an fehlender Handlung gezeigt haben.



    Ich fürchte, die Infiltration von Rechtsextremen im Staatsdienst und der Polizei im Besonderen ist weit umfangreicher als bekannt ist.

  • dieses zimperliche verhalten des staates gegenüber rechtsradikalen polizisten ist unerträglich.



    und immer ist es im osten frau köditz, die fleißig anfragen stellt, aufklärt + warnt und martina renner, ebenfalls von der linken.



    beide frauen gehörten m.e. in der taz mehr gewürdigt.



    liebe taz, laß dir dazu doch mal was einfallen - dankenswerter weise leistet ja grade die taz auf diesem gebiet ebenfalls überdurchschnittlich viel, danke auch dafür zum wiederholten mal!

    • @Brot&Rosen:

      Ich habe eine Erfahrung mit der Polizei im Ruhrgebiet gehabt, nach der ich Angst hatte, eine Anzeige gegen die beteiligten Polizisten aufzugeben. Sie hatten meine Personalien aufgenommen. Sie hatten einen Menschen laufen lassen, der den Hitler-Gruß auf der Straße gezeigt hat, nachdem er Ausländer angepöbelt und bedroht hatte. Als ich fragte, warum sie ihn laufen lassen würden, warfen sie mir unter anderem vor, ich verlange von Ihnen, einen Menschen ohne Grund festzuhalten. Witzigerweise musste ich einsteigen und meine Personalien angeben. Ich fühlte mich bedroht, ging aber schließlich noch einmal zur Polizei und habe den Vorfall geschildert. Ich geriet an einen engagierten Polizisten, mit "FCK NZS" Postkarte an der Tür. Gutes Gefühl. Allerdings erzählte er mir recht offen, dass so etwas in der Polizei Essen/Duisburg immer wieder vorkomme und er es satt habe, dagegen zu kämpfen, es aber eben notwendig sei.

      Ich hoffe für ihn, dass er durchhält und sich nicht einschüchtern lässt. Und ich hoffe, dass irgendwann einmal Führungskräfte in der Polizei die Sch*** Kader-Treue aufgeben und den braunen Dreck aus ihren Behördern entfernen.

      Es wird Zeit.

  • Polit-mediale Kontrastprogramme

    Zitat: „Seit 2020 sind über 80 solcher Fälle bekannt“

    Im Unterschied zu der eher hypothetischen Gefährdung des deutschen demokratischen Gemeinwesens durch krude Hinterzimmerphantasien eines Ausländers sind Vorgänge wie die 80 aktenkundige Fälle manifester rechtsextremer Affinitäten bewaffneter und beamteter Angehörige deutscher Sicherheitsbehörden sehr greifbar reale Gefahren für Leib und Leben von Mitbürgern mit ausländischen Wurzeln.

    Um so bizarrer das Kontrastprogramm beider Sachverhaltskategorien in der



    polit-medialen Wahrnehmung: Von Aufrufen zu Massenprotesten gegen rechtsradikale



    Umtriebe in den deutschen Sicherheitsbehörden ist nichts überliefert. Ganz im Gegenteil. Sehr auffällig war das in den Corporate Media unverdrossen gepflegte ohrenbetäubende Schweigen zu den von der „Taz“ verdienstvollerweise aufgedeckten Umsturzplänen in Polizei und Bundeswehr („Rechtes Netzwerk in der Bundeswehr: Hannibals Schattenarmee“, Taz 16.11.2018)

    Anderswo scheint es noch drastischer. Einer IFOP-Studie zufolge hatten die



    Sicherheitskräfte Frankreichs inkl. Polizei, Armee und Geheimdienste schon 2017 eine im Vergleich zum Landesdurchschnitt doppelt so hohe Wahlaffinität zum „Rassemblement Nationale“ (44 % gegenüber 23%) und zum RN-Verbündeten „Debout la France“ (4% zu 2%. Vgl. "Radioscopie de l’électorat du Front National", IFOP 18/04/2017). Mithin darf fast die Hälfte der Beamten der französischen Sicherheitsapparate zum stabilen Wählerstamm der französischen AfD-Pendants gezählt werden. Daran dürfte sich seither nichts geändert haben. Eher im Gegenteil.

    Warum sollte das in der übrigen EU und v. a, ausgerechnet in Deutschland nun anders sein mit seiner Tradition der Freicorps mit Hakenkreuzen an den Stahlhelmen, der Schwarzen Reichswehr, eines SD-geführten BKA in den Nachkriegsjahren, nationalkonservativer Bundeswehrgeneräle wie Speidel und Heusinger, des „Unna- Papiers“ von Gen, Middendorf gegen das Prinzip der „Inneren Führung“ usw.?