Rechtsanspruch auf Pflege: Der Fehler liegt im System
Ein Anspruch auf Pflege, Fachkräfte aus dem Ausland? Solche Vorschläge bringen nichts, wenn sich die Arbeitsbedingungen in der Pflege nicht ändern.
![Eine Krankenpflegerin schaut auf einen Bildschirm Eine Krankenpflegerin schaut auf einen Bildschirm](https://taz.de/picture/6278791/14/32464816-1.jpeg)
D ie Arbeitsbedingungen in der Pflege müssen besser werden, anders ist es nicht zu machen. Das gilt für Pfleger_innen wie Kantinenmitarbeiter_innen und Reinigungskräfte in Pflegeeinrichtungen. Dabei mangelt es in der deutschen Politik nicht an Vorschlägen: Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte in der Neuen Osnabrücker Zeitung an, Arbeitskräfte aus Brasilien zu holen. Fragwürdig, wie sehr das helfen wird.
Man erinnere sich an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der im Februar in einem Hörsaal der ghanaischen Hauptstadt Accra danach fragte, wer in Deutschland arbeiten wolle. Er reagierte perplex, als nur wenige der IT-Studierenden die Hand hoben. Auswandern, um in Deutschland zu arbeiten, das ist eben nicht per se attraktiv. Dazu kommt, dass Mitarbeiter_innen in deutschen Pflegeeinrichtungen einen sehr schwierigen Job haben, sie werden nicht gut bezahlt und oft schlecht behandelt.
Nun ein neuer Vorschlag, diesmal von dem Präsidenten des Arbeitgeberverbands Pflege, der ein Recht auf einen Pflegeplatz fordert. Schöne Idee, nur: Wer pflegt diese Leute? Laut einer aktuellen Umfrage denken 38,3 Prozent der Pflegenden häufiger daran, den Beruf zu verlassen. Ein Teufelskreis. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung ergab, dass es zwischen 300.000 und 660.000 zusätzliche Pflegekräfte in Vollzeit gäbe, würden sich die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern.
Der Vorschlag eines Rechtsanspruchs auf Pflege bekämpft das Symptom, nicht die Krankheit. Das zeigt der Vergleich mit dem Recht auf einen Kitaplatz: Auch das hat nicht funktioniert. Ein Grundfehler ist, dass aus der Pflege Profit gemacht werden kann. Das Pflegeversicherungsgesetz von 1995 erlaubt es, dass private Betreiber_innen und Investor_innen mit Altenpflege- und anderen Einrichtungen Geld machen können. Das österreichische Burgenland macht vor, wie es besser geht: Dort werden ab 2024 alle Überschüsse in die Verbesserung der Pflege investiert.
Das Problem ist ernst: Nicht nur die Bevölkerung altert, sondern auch die wenigen Pflegekräfte werden älter. Dementsprechend schnell und gründlich sollte die Politik das Problem nun angehen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören