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Rechter Terror in NiedersachsenAnschlag auf Aktivistin

Zwei Rechtsextremisten sollen versucht haben, die Wohnung einer Nazigegnerin in Einbeck zu sprengen. Dabei verletzte sich einer der Täter schwer.

Stießen auf über Tausend Gegendemonstranten: 28 Nazis in Einbeck im September 2019 Foto: Hubert Jelinek/imago

Göttingen taz | Zwei Rechtsextremisten haben im niedersächsischen Einbeck einen Sprengstoffanschlag auf die Wohnung einer linken Aktivistin verübt. Weil ein Sprengsatz offenbar vorzeitig explodierte, verletzte sich ein Täter schwer an der Hand. An der Wohnung entstand erheblicher Sachschaden.

„Die Sprengwirkung war so stark, dass Trümmer des Briefkastens mehrere Meter weit in den Wohnbereich geschleudert wurden“, sagte der Göttinger Rechtsanwalt Rasmus Kahlen, der die Betroffene vertritt. Das Ausmaß der angerichteten Zerstörung zeige, wie gefährlich der Sprengsatz gewesen sei: „Nicht auszudenken, was hätte passieren können, wenn sich ein Mensch hinter der Tür befunden hätte.“

Die Tat ereignete sich gegen 3.50 Uhr am frühen Mittwochmorgen. Weil vom Tatort nach Angaben der Göttinger Staatsanwaltschaft eine Blutspur zu einem nahegelegenen Wohnhaus führte, wurde einer der Verdächtigen schnell identifiziert. Der 26-Jährige hatte eine Hand verbunden, als die Polizei eintraf. Er ist in der Einbecker Neonazi-Szene aktiv. Der zweite mutmaßliche Täter wohnt in derselben Wohnung.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagte am Donnerstag, beide Männer seien vorläufig festgenommen worden. Bei der anschließenden Durchsuchung der Wohnung seien auch Waffen beschlagnahmt worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, wie deren Sprecher Frank-Michael Laue auf Anfrage mitteilte. Rechtsanwalt Kahlen prüft überdies auch weitere rechtliche Schritte gegen die Täter wie eine Nebenklage oder Schadensersatzforderungen wegen der Zerstörungen in der Wohnung.

Rechte Drohungen sind an der Tagesordnung

Nach Angaben von Kahlen engagiert sich die betroffene Frau sowohl bei der Initiative „Seebrücke“ als auch gegen die Einbecker Neonazi-Szene. Sie sei bereits in der Vergangenheit von Rechtsextremisten bedroht worden. Frühere Drohungen gegen die Betroffene bestätigt auch Silke Doepner von der Beratungsstelle Rechtsextremismus-Prävention in der nahen Kreisstadt Northeim: „Die Frau war deswegen vor zwei Monaten bei mir.“

Doepner weiß zudem von mindestens zehn anderen Fällen in jüngster Zeit, bei denen linke Aktivisten aus Einbeck von Nazis bedroht wurden. Meistens sei das auf der Straße geschehen, mit Sprüchen wie „Wir kennen dich“ oder „Wir wissen, wo du wohnst“. Das Bündnis „Einbeck ist bunt“ habe eine Drohung via Facebook erhalten. Für Doepner war dabei „keine Frage, dass den Drohungen irgendwann auch Taten folgen würden“. Die Neonazis müssten schließlich in ihrer Szene beweisen, dass es nicht beim Sprücheklopfen bleibe, sagt sie.

Das „Offene Antifaschistische Treffen Einbeck“ (OATE) erklärte am Donnerstag: „Wir haben schon lange vor der eskalierenden rechten Gewalt gewarnt, niemand hat uns ernst genommen in dieser Stadt. Die Cops nicht, die Stadtverwaltung nicht und viele Bürger*innen leider auch nicht. Sie stellen es als ein Aufschaukeln von rechts und links dar.“ Die Gewalt habe nun ein neues Level erreicht.

Einbeck gilt seit längerem als eine Hochburg von Neonazis, die rechtsextreme „Kameradschaft Einbeck“ und die Partei „Die Rechte“ sind in der Kleinstadt im Süden Niedersachsens aktiv. Im vergangenen November hatten Einbecker Rechtsextremisten bei einer Führung durch die KZ-Gedenkstätte Moringen das Personal provoziert. Anschließend posierten sie mit nach oben gerichteten Daumen vor der Gedenkstätte. Die für das Foto geöffneten Jacken gaben den Blick frei, auf T-Shirts mit dem Schriftzug „Zensiert!“ sowie mit der Aufschrift „Fuck you Israel“ und einem durchgestrichenen Davidstern.

Anfang April durchsuchte die Polizei mehrere Wohnungen von Angehörigen der Nazi-Szene in Einbeck. Nach Angaben des niedersächsischen Landeskriminalamtes wurden dabei auch Waffen beschlagnahmt.

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21 Kommentare

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  • "In der Wohnung wurden Waffen gefunden". Bei fast jeder Meldung dieser Art (also über Rechte oder Reichsbürger, deren Lokalitäten durchsucht werden) wird das gern mit erwähnt, um einen dramatisch drauf zu setzen. Wenn dann aber Details über Anklage etc kommen, fehlt immer "illegaler Waffenbesitz". Somit waren die Waffen also legal erworben und im legal Besitz. Mal abgesehen davon, daß DAS ein echtes Problem ist (scheinbar "einfacher" Zugriff auf Waffen), kann man sich dann den reißerischen Zusatz "es wurden Waffen gefunden" doch auch sparen, immerhin steht da ja auch nicht "es wurde ein Fernseher gefunden, ein Computer, eine Mikrowelle". Ist ja nur um zu dramatisieren, einem der Bomben baut muß man nicht auch noch rhetorisch Waffen unterjubeln, der ist schon gefährlich genug.

  • Warum geben Sie diesen Schwerstkriminellen auch noch den Namen Neonazis. Die freuen sich doch noch darüber so genannt zu werden!!!

  • Alles Einzeltäter! Alle beide! Ähhhmmm...?

  • Vorläufig festgenommen…



    Also wegen Sprengstoffanschlag gleich in U-Haft, soweit kommt's noch.



    Also bei klammheimlicher Freude, gibt es jedenfalls U-Haft und 3 1/2 Jahre Knast. Es kommt halt darauf an, gegen wen sich die Gewalt richtet

  • Es entsteht der Eindruck, dass Wohnungen von Nazis, die in der Stadt Angst und Schrecken verbreiten, erst dann durchsucht werden können, wenn es zum Beispiel einen Anschlag gibt und von dort eine Blutspur hinführt.

  • Meine Solidarität den Betroffenen und Aktivist_innen von antifa und seebrücke.



    "Die Neonazis müssten schließlich in ihrer Szene beweisen, dass es nicht beim Sprücheklopfen bleibe"



    So ist es.

  • Bombenanschlag auf Ken Jebsen? Würde mich ja mal interessieren, wo da was von steht! Oder hat der selber gezündelt:)

  • Na das mit bloss mal durchsuchen und noch mal davonkommen scheint bei den Herrschaften ja nicht zu fruchten. Wenn die erst im April Besuch hatten und jetzt immer noch aufmucken. Sogar mit Sprengstoffen inzwischen.

    Da weiss ich aber, das Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichte und die ganze Generalprävention was weiss. Wenn sie möchte.



    Da läuft man bei Lehrern, auf Arbeitsstellen, Vorgesetzten, bei Arbeitskollegen, Eltern Verwandten und Bekannten Nachbarn auf. Checkt auch mal Finanzen. Die Story beim Jobcenter. Schliesslich muss man ja ermitteln und Zeugen vernehmen. Sich ein Bild machen. Nicht auszudenken das konservative Einbeck, der brave Bürger und Gewerbetreibende - kurzum die stützigsten Stützen der Eindecker Gemeinde, die Honoratioren also schlechthin - erlaubten es, das ein Rechtsterrorist ihnen in ihrer Stadt womöglich in der Verkleidung eines...zum Beispiel Handwerkers entgegentritt. Oder wie schützt sich die Stadt davor, dass sich einer als Bäckerlehrling ausgibt. Ist aber in Wirklichkeit ein Rechtsterrorist. Und weshalb sind die Angaben beim Hartz4 Antrag eigentlich nicht geprüft.



    Also da muss die gutchristlich-konservative Mitte von Einbeck jetzt aber mal nachlegen. Das wir glauben können sie habe die Stadt in wohlig-warmen Griff.



    Kann doch wohl nicht sein, das man in ihrer Stadt aus seiner Wohnung gesprengt wird.



    Nur weil man irgendwie zottelbunt und linksgrünversifft ist. Oder wie lautet der Konsens liebe Gemeindemitgliedern Einbeck?

    • @Martinxyz:

      Da wird geschwiegen, denn Schweigen heißt Zustimmung.

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    schlimm für die zielperson des anschlags, mein mitgefühl!



    ist dies wirklich so irrelevant, dass außer der taz keiner darüber berichtet?



    was wäre, wenn es möglicherweise auch ein anschlag mit einem anderen hintergrund hätte sein können? bild hätte uns unsere meinung gebildet, aber sowas von.

    • @90118 (Profil gelöscht):

      Keiner berichtet?

      HNA, Göttinger Tageblatt, NDR, SAT1, Braunschweiger Zeitung, Süddeutsche Zeitung, HAZ, Bild, Einbecker Morgenpost u.A. haben berichtet.

      www.hna.de/lokales...tml#idAnchComments

      • @Tom T.:

        Du hast die New York Times vergessen, die den Text übersetzt 1 zu 1 übernommen hat! :-)

    • @90118 (Profil gelöscht):

      Die Süddeutsche hat davon berichtet und gestern hab ich sogar im NDR ('DAS') einen kurzen Fernsehbericht darüber gesehen.

      Ich hätte mir bei soviel Eindeutigkeit über die Täterschaft aber auch etwas mehr mediale Aufmerksamkeit gewünscht. Wann hat man es schon mit Tätern zu tun, die freundlicherweise eine Eigenblutspur ins eigene Haus legen?

  • Was ist mit den Bombenanschlag auf Ken Jebsen?

    • @Oops:

      So, ein weiteres Mai: whataboutism. Du bist entlarvt. Mach dein Konto zu.

    • 0G
      09968 (Profil gelöscht)
      @Oops:

      "Was ist mit ..." nennt sich auch Whataboutism und ist eine manipulative Technik, die vom Thema ablenken soll.



      Was soll dieser Vergleich mit einem "Polenböller"-Blindgänger, der mal auf der Bühne von KJ gelandet war?

      • @09968 (Profil gelöscht):

        Also wieder einmal Verdrehung der Tatsachen seitens politisch mutmaßlich rechts stehender. Das Problem ist ein inhaltliches, nämlich dass ein Böllerwurf zum "Bombenanschlag" erklärt wird.

        Die rhetorische Technik an sich würde ich dagegen nicht kritisieren. Da könnte man ja jeder rhetorischen Technik einen hässlichen Namen geben, damit sie verpönt ist und am Ende reden die Leute gar nicht mehr miteinander. Kann auch keiner wollen.

    • @Oops:

      Ehh welcher?

    • @Oops:

      Böller und selbst gebaute Bombe ist schon ein Unterschied, oder? mal abgesehen davon dass es keine verlässlichen Quellen zu dem "Anschlag" auf Jebsen gibt

    • @Oops:

      Bombenanschlag ? Ken Jebsen ?



      Ist mir nichts bekannt - und vielen anderen Lesern sicher auch nicht.



      Vielleicht können Sie mal Details beisteuern ...

    • @Oops:

      Whataboutism!