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Illustration: Manuel Fazzini

Rechte im Osten und Westen Brotdose und Brandrede: Rechtsradikale auf dem Schulhof

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Podcast über rechtsextreme Radikalisierung mit Nina Gbur (Netzwerk für Demokratie und Courage) und Stefan Breuer („Starke Lehrer – Starke Schüler“).

Das Gespräch beginnt mit einer alarmierenden Bestandsaufnahme: In den letzten Jahren ist ein deutlicher Anstieg rechtsextremer Vorfälle im schulischen Umfeld in Deutschland zu verzeichnen. Konkrete Fallzahlen aus verschiedenen Bundesländern verdeutlichen das Ausmaß des Problems – so stiegen die gemeldeten Vorfälle in Hessen von 12 im Jahr 2022 auf 120 im Jahr 2024. Nina Gbur vom Netzwerk für Demokratie und Courage in Sachsen, das Schulen mit Workshops und Beratung gegen Rechtsextremismus unterstützt, und Stefan Breuer von der TU Dresden, der Lehrkräfte im Projekt „Starke Lehrer – Starke Schüler“ im Umgang mit antidemokratischen Einstellungen stärkt, tauschen sich über die Lage im Osten und Westen mit dem Moderator Dennis Chiponda aus.

Beide Ex­per­t*in­nen betonen, dass die Zahlen von 2024 vermutlich nur die Spitze des Eisbergs abbilden, da viele Vorfälle aus unterschiedlichen Gründen nicht zur Anzeige gebracht werden. Besonders eindrücklich schildern die Gäste, wie sich gesellschaftliche Entwicklungen unmittelbar im Schulalltag widerspiegeln.

Die zunehmende Verrohung der politischen Sprache, die Normalisierung rechtsextremer Positionen in öffentlichen Diskursen und die gezielte Ansprache Jugendlicher durch rechtsextreme Akteure in sozialen Medien schaffen ein Klima, in dem demokratiefeindliche Einstellungen leichter Fuß fassen können. Dabei wird deutlich, dass es sich bei Radikalisierungsprozessen keineswegs um ein reines Jugendphänomen handelt, sondern um ein gesamtgesellschaftliches Problem, das sich in den Schulen besonders deutlich zeigt. „Wir reden über eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung, und Jugendliche und junge Erwachsene sind diejenigen, die das radikaler nach außen tragen, im Zweifelsfall gewalttätiger sind“, sagt Gbur.

Beide Ex­per­t*in­nen sprechen sich entschieden gegen pauschalisierende Ost-West-Vergleiche aus und fordern mehr Ressourcen für politische Bildung und eine bessere Vernetzung zwischen Schulen und außerschulischen Akteuren

Ein zentrales Augenmerk der Diskussion liegt auf den ausgeprägten regionalen Disparitäten innerhalb Deutschlands – insbesondere zwischen Ost- und Westdeutschland sowie zwischen städtischen Ballungsräumen und ländlich geprägten Gegenden. Gbur und Breuer beleuchten differenziert, inwiefern strukturelle Herausforderungen – darunter wirtschaftliche Perspektivlosigkeit, der Mangel an außerschulischen Bildungs- und Freizeitangeboten sowie eine teils dramatische Unterversorgung mit qualifizierten Lehrkräften – in bestimmten Regionen ein gesellschaftliches Klima begünstigen können, in dem rechtsextreme Einstellungen leichter Fuß fassen.

Ländlicher Raum gegenüber Städten

Gleichzeitig sprechen sie sich entschieden gegen pauschalisierende Ost-West-Vergleiche aus. So betont Breuer, wie wichtig es ist, sich die Lage aus einer regionalspezifischen Perspektive anzuschauen: „Eine Schule in Ostsachsen hat ganz andere Herausforderungen als eine Schule in Dresden oder eine Schule in Leipzig. Auch in Hessen haben wir Regionen, wo das Problem auch im ländlichen Raum anders gelagert ist, wo AfD-Akteurinnen vielleicht einen viel größeren Einfluss haben als in der Großstadt Frankfurt, wo andere Dynamiken und Problemfelder herrschen. Wenn man sich strukturschwache Regionen anschaut, vergessen wir manchmal, dass es die nicht mehr nur im Osten gibt, sondern auch im Westen.“

Ein zentraler Themenkomplex ist die Rolle von Lehrkräften und Schulleitungen im Umgang mit rechtsextremen Vorfällen. Aus ihrer jahrelangen Beratungspraxis schildern die Expertinnen die vielfältigen Herausforderungen, vor denen Pädagoginnen stehen: von der Angst vor Konfrontation bis hin zu mangelnder Unterstützung – unser Schulsystem steht vor einer Mammutaufgabe. So Gbur: „Wir haben Schulen, denen 30 Prozent der Lehrkräfte fehlen. Dann stellen wir noch die Anforderung, sie sollen sich um Drogenprävention, um Depressionen unter Schü­le­r*in­nen und dann noch um Rechtsextremismus kümmern. Wir haben so viele Probleme, mit denen wir Lehrkräfte konfrontieren und zum Teil oft auch alleine lassen.“

Wir müssen eine vertiefte Auseinandersetzung und kontinuierliche Bearbeitung dieses Themas ermöglichen

Stefan Breuer, „Starke Lehrer – Starke Schüler“

Die Gäste erläutern zudem, warum Lehrkräfte nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht haben, demokratische Werte aktiv zu vertreten und menschenfeindlichen Äußerungen klar entgegenzutreten.

Erfolgreiche Ansätze der Prävention müssen immer mehrere Ebenen gleichzeitig adressieren, sagen die Expertinnen: die individuelle Arbeit mit Schülerinnen, die Unterstützung von Lehrkräften, die Entwicklung schulischer Konzepte und die Einbindung des sozialen Umfelds. Breuer betont, dass langfristige Maßnahmen ergriffen werden müssen, statt vereinzelte Workshops und Weiterbildungen anzubieten: „Wir müssen eine vertiefte Auseinandersetzung und kontinuierliche Bearbeitung dieses Themas ermöglichen – also den Umgang mit Herausforderungen, mit Angriffen auf Schule, mit Äußerungen, Verhalten, mit antidemokratischen Positionen und Einstellungen.“

Beide fordern mehr Ressourcen für politische Bildung, eine bessere Vernetzung zwischen Schulen und außerschulischen Akteuren sowie einen stärkeren politischen Willen zur Bekämpfung rechtsextremer Strukturen. Demokratiebildung darf keine Krisenreaktion sein, sondern muss als kontinuierlicher Prozess verstanden werden.

„Mauerecho – Ost trifft West“ ist ein Podcast der taz Panter Stiftung. Er erscheint jede Woche Sonntag auf taz.de/mauerecho sowie überall, wo es Podcasts gibt. Besonderen Dank gilt Ann Toma-Toader von der Redaktion sowie unserem Tonmeister Daniel Fromm.

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