Rechte Podcasts auf Spotify: Höcke in der Playlist
Auf Spotify geben sich extreme Rechte mit Podcasts ganz bürgerlich. Die Plattform ist informiert – und lässt sich mit der Überprüfung Zeit.
„Die Lage in der Coronakrise ist unübersichtlich und ihr Ausgang ist offen. Wir fragen uns: Wo stehen wir heute? Wie wird die Krise unser Leben verändern“, heißt es in der ersten Folge vom 24. März. Berechtigte Fragen. Um zu verstehen, dass das, was sich hier bürgerlich-aufklärerisch präsentiert, eigentlich ein extrem rechter Podcast ist, muss man zunächst genauer hinschauen.
Host des Podcasts ist Arndt Novak, laut Recherchen von Belltower News, Mitglied der Burschenschaft Danubia, deren studierenden Mitgliedern der bayerische Verfassungsschutz Beziehungen zur rechtsextremen Szene attestiert. In der Vergangenheit soll Novak für die sogenannte Identitäre Bewegung aktiv gewesen sein. Jetzt ist er für „Ein Prozent“ tätig, die Organisation, die bei Spotify offiziell als Urheber erscheint und deren Gründung im sächsischen Oybin 2016 von extrem rechten Publizisten wie Jürgen Elsässer und Götz Kubitschek unterstützt wurde.
„Ein Prozent“ bezeichnet sich selbst als „Widerstandsplattform für deutsche Interessen“, gegen die „Flüchtlingsinvasion“, gegen „die politische Kaste“. Der Verein ist eine Art NGO von rechts, bemüht um die Finanzierung und Vernetzung einschlägiger Aktivitäten, aber eben auch darum, rechtsextremes Gedankengut über das eigene Milieu hinaus zu verbreiten.
Bürgerliche Fassade
Novaks Gästeliste lässt dann auch erahnen, welche Art der Corona-Analyse man hier bekommt: AfD-Flügel-Mann Björn Höcke („erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“) und der ehemalige Innenminister der extrem rechten österreichischen FPÖ, Herbert Kickl („diejenigen, die in ein Asylverfahren eintreten, auch entsprechend konzentriert an einem Ort zu halten“). Beide sinnieren ganz im Sinne des Titels der ersten Folge: „Das Ende der Globalisierung?“
Diese machen sie für die Pandemie verantwortlich, zugleich sehen sie in Corona eine Chance, Globalisierung wieder rückgängig zu machen. Ein weiterer Globalisierungskritiker von rechts und Gesprächspartner ist Oliver Hilburger von der rechten Gewerkschaft „Zentrum Automobil“, ein Mann, der einmal in einer Rechtsrockband spielte, mit deren Musik der NSU sein Bekennervideo unterlegte und der wegen mutmaßlicher Kontakte zu dessen Unterstützerkreis im baden-württembergischen NSU-Ausschuss befragt wurde.
Im Podcast geben sich Host und Gäste Mühe, allzu schrille Töne zu vermeiden. Das passt zum Habitus der „Neuen Rechten“, deren Gedankengut zwar alt ist, deren Medienstrateg*innen seit geraumer Zeit aber auf das Prinzip des trojanischen Pferdes setzen: Es geht darum, möglichst unverdächtig in den Raum des akzeptablen Diskurses vorzudringen. Nach außen hin bürgerlich statt martialisch, anknüpfend an Themen, die Menschen beschäftigen, und manchmal auch an tatsächliche Konflikte der modernen Gesellschaft, für die sie ihre nationalen und regressiven Antworten liefern.
„Aussitzen des Problems“
„Sie bleiben sehr vage. Man muss schon genau hinhören. Und man muss sich vor allem damit auseinandersetzen, welche Ziele die Organisation ‚Ein Prozent‘ verfolgt“, sagt auch David Kiefer, Sprecher des Berliner Bündnisses gegen Rechts. „Auch wenn es klar wird, woher der Wind weht, wenn so Leute wie Höcke sprechen.“ Das Bündnis hat Spotify seit Ende März mehrmals kontaktiert. Auf den Podcast und seine extrem rechten Verstrickungen sei aufmerksam gemacht geworden. Eine Antwort steht bisher aus. Deshalb bezeichnet Kiefer den Umgang von Spotify als „systematisches Aussitzen des Problems“.
Das Bündnis hat eine Petition gestartet mit der Forderung an Spotify, den Podcast zu entfernen, mit bisher 7.900 Unterschriften. Anfang des Jahres hatte Spotify mit Verweis auf seine Richtlinien neonazistische Playlists und Nutzerprofile gelöscht. Noch ist offen, ob das Unternehmen im Falle des weniger explizit auftretenden „Ein Prozent“ ebenfalls handelt – und es somit Facebook und Instagram, die im vergangenen Jahr Accounts von „Ein Prozent“ gesperrt haben, gleichtut.
Im Gespräch mit der taz wollte Spotify keine offizielle Stellungnahme abgeben. Die internen Überprüfungen, ließ Sprecher Marcel Grobe aber wissen, seien derzeit im Gange.
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