Reaktionen auf Trump: Reichlich Kreide gefressen
Die EU wollte sich nicht von Donald Trump vorführen lassen. Doch die Kritik an seiner Antrittsrede fällt schmal aus. Auch Berlin gibt sich kleinlaut.
Doch am Tag nach der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten war davon nichts zu spüren. Die Glückwünsche, die die neue EU-Spitze nach Washington schickte, klangen nicht selbstbewusst, sondern unterwürfig. Die versprochenen Antworten suchte man in Brüssel vergebens.
„Die EU freut sich darauf, eng mit Ihnen zusammenzuarbeiten“, tweetete EU-Ratspräsident Antonio Costa. Zusammen könnten Europäer und Amerikaner mehr Wohlstand und mehr Sicherheit erreichen. „Dies ist die anhaltende Stärke der transatlantischen Partnerschaft.“
Kein Wort zu den wilden Drohungen oder imperialen Plänen, die Trump ausgestoßen hatte. Nicht einmal der Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen und der Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation war der EU eine Erwähnung wert.
Nur einmal wird von der Leyen deutlicher
Selbst die Strafzölle, die Trump gegen europäische Exporte verhängen will, waren tabu. Die EU-Finanzminister, die sich am Dienstag in Brüssel trafen, schwiegen. Man wolle abwarten und sich „konstruktiv mit der neuen Regierung einlassen“, so der deutsche Minister Jörg Kukies.
Bei so viel Beißhemmung richtete sich die Blicke auf Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die deutsche CDU-Politikerin sei „die starke Stimme Europas“, hatte die Karlspreis-Jury in der vergangenen Woche verkündet – würde sie klare Worte finden?
Doch auch diese Hoffnung wurde enttäuscht. Die Rede, die von der Leyen beim Weltwirtschaftsforum in Davos hielt, klang, als habe sie Kreide gefressen. Trump erwähnte sie nicht, heikle Fragen blieben ausgespart. Nur einmal wurde sie deutlicher.
Für Trump gilt: America first, world second
„Für beide Seiten steht viel auf dem Spiel“, warnte von der Leyen mit Blick auf einen möglichen Handelskrieg mit den USA. „Es gibt keine anderen Volkswirtschaften in der Welt, die so eng miteinander verflochten sind wie wir“.
Höchste Priorität müsse daher genießen, frühzeitig in Kontakt zu treten, gemeinsame Interessen zu erörtern und verhandlungsbereit zu sein. Als ein mögliches Thema hat von der Leyen bereits einen neuen Deal zum Ausbau amerikanischer Exporte von Flüssiggas (LNG) genannt.
Doch bisher hat Trump die Kommissionschefin noch nicht einmal nach Washington eingeladen. Nur ihr Kabinettschef Björn Seibert hat erste Kontakte in der US-Hauptstadt geknüpft. Er versucht, eine „transatlantische Agenda“ aufzustellen – bisher aber ohne erkennbaren Erfolg.
Überraschend ist das nicht. Denn Trump ist – anders als von der Leyen und die EU-Führung – eben kein Atlantiker. Für Trump gilt „America first, world second“. Die EU erwähnte er in seiner Antrittsrede nicht ein einziges Mal. Auch deshalb tut sich Brüssel nun so unendlich schwer.
Merz sieht Trump als Chance
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beließ es am Dienstag weitestgehend bei Gratulationen an Trump und bekräftigte auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos die engen Beziehungen zu den USA. Zugleich stellte er klar: „Präsident Trump und seine Regierung werden die Welt in den kommenden Jahren in Atem halten.“ Scholz warb für eine Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeit.
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hingegen sieht die zweite Amtszeit Trumps hingegen als Chance, wie er der Bild-Zeitung mitteilte. Zur Amtseinführung soll er nach eigenen Angaben einen eigenhändig verfassten Brief an Trump geschickt haben. Zuvor hatte Merz im Deutschlandfunk den deutschen Botschafter in den USA, Andreas Michaelis, und die Bundesregierung wegen ihrer kritischen Einschätzung von Trump kritisiert.
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