Reaktion auf Randale an Silvester: Erfolg für Giffeys Krawall-Gipfel
Berlins Regierungschefin spricht mit Experten, Polizei und Politikern über Folgen der Silvesternacht. Für die Ergebnisse gibt es überraschend viel Lob.
In der Silvesternacht war es in Berlin zu Angriffen auf Polizisten und Feuerwehrleute gekommen, von denen nach bisherigen offiziellen Zahlen 125 verletzt wurden. Drei Viertel der deswegen Festgenommemen sollen unter 25 Jahren alt sein. In der Folge hatte eine breite Debatte begonnen, in der die einen als Folge ein Böllerverbot forderten, andere hingegen grundsätzliche Fehler in der Integration ausmachten.
Unter anderem sprach CDU-Bundeschef Friedrich Merz am Dienstagabend in der Talksendung „Markus Lanz“ von „Jugendlichen aus dem arabischen Raum, die nicht bereit sind, sich hier in Deutschland an die Regeln zu halten“. Für Aufsehen hatte auch die CDU-Fraktion im Berliner Landtag gesorgt, die nach den Vornamen der Festgenommenen fragte.
Regierungschefin Giffey war von 2010 bis 2018 selbst Bildungsstadträtin und Bürgermeisterin des Berliner Bezirks Neukölln, einem der Schauplätze der Ausschreitungen an Silvester. Sie kündigte nun an, auf vierfache Weise auf die Vorfälle zu reagieren: mit intensiverer Sozialarbeit mit Elternhäusern, mehr außerschulischer Jugendsozialarbeit, mehr Orten für Jugendliche und konsequenter Strafverfolgung.
Auch Skeptiker überzeugt
Laut Giffey wird bei der Planung neuer Wohngebiete zwar an Kitas und Schulen, aber nicht immer an Treffpunkte für Jugendliche gedacht. Als Beispiele für außerschulische Jugendarbeit galten erprobte Maßnahmen wie Mitternachtsfußball.
Grundsätzliche mochte Giffey die bisherige Jugend- und Sozialarbeit nicht schlecht reden. Dennoch stellt die Silvesternacht für sie „eine Zäsur für Berlin“ dar. Den künftigen Ansatz beschrieb sie als „ausgestreckte Hand auf der einen Seite und Stoppsignal auf der anderen“. Mehrfach war in den Stellungsnahmen nach dem Treffen von einem Bedarf an mehr Kommunikation die Rede.
Nachdem zuvor sowohl die in Berlin oppositionelle CDU als auch die mitregierenden Grünen von „Aktionismus“ gesprochen hatten, zogen nun auch nicht regierungsnahe Teilnehmer ein positives Fazit.
Dass Giffey den Gipfel, zu dem sie selbst eingeladen hatte, als Erfolg beurteilen würde, war erwartbar. Doch auch Teilnehmer wie die Chefin des renommierten Vereins für Straßensozialarbeit Gangway äußerte sich so. Sie sei vorher skeptisch gewesen sagte Elvira Berndt nach dem Treffen vor gut einem Dutzend Fernsehkameras, „jetzt bin ich durchaus optimistisch.“
Auch Kazim Erdoğan, Vorsitzender des Berliner Beirats für Familienfragen, will vorher „kleine Bedenken“ gehabt haben, die nun ausgeräumt seien. Teilgenommen hatten auch junge Erwachsene mit Migrationshintergrund, die sich ausdrücklich bedankten – er finde es schön, „dass mal mit uns geredet wurde und nicht nur über uns“, sagte ein 27-jähriger Gangway-Mitarbeiter vor den Journalisten.
Die für den 12. Februar vorgesehene Wiederholung der Berliner Landtagswahl von 2021 steht der Fortsetzung des Gipfels laut Giffey nicht im Wege. Denn wie auch immer die Wahl ausgehe: Der jetzige Senat, die Berliner Landesregierung, bleibe bis zur Bildung eines neuen „voll handlungsfähig“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste