Reaktion auf Anschläge in Paris: Cameron will Verschlüsseln verbieten
Chats dürfen nicht verschlüsselt sein, damit sie überwacht werden können. Das ist die Lehre, die David Cameron aus den Anschlägen in Paris zieht.
BERLIN taz | Anfang Februar lädt der britische Guardian zu einer Veranstaltung mit dem Titel: „Ist Cameron radikaler als Thatcher?“ 20 Pfund Eintritt. Die Diskussion könnte ihren Preis wert sein, denn sie hat nun neuen Stoff geliefert bekommen – vom amtierenden konservativen britischen Premierminister David Cameron selbst.
Gegenüber dem Fernsehsender ITV News sagte Cameron, es dürfe „keine Form der modernen Kommunikation erlaubt sein, die nicht überwacht werden könne“. Dafür müssten Gesetze „modernisiert“ werden. Das scheint die Lehre zu sein, die Cameron aus den Anschlägen von Paris zieht.
Cameron will also eine Art Verschlüsselungsverbot. Doch noch ist Cameron in einer Koalition mit den Liberaldemokraten um Nick Clegg gefangen. Clegg hat schon einmal – nach großem öffentlichen Druck – ein weitreichendes Gesetz zur Überwachung der Bürger blockiert, das Telekommunikationsanbieter dazu gezwungen hätte, Kommunikationsdaten für ein Jahr zu speichern. Dazu hätten auch Details aus Nachrichten gehört, die über Social-Media-Dienste wie Facebook, Webmailanbieter, bei Internettelefonaten und selbst Onlinespielen versandt werden.
An dieses Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung – von Kritikern Schnüfflergesetz („Snoopers’ Charter“) genannt – will Cameron nach der Wahl im Mai anknüpfen. Zumindest wenn seine Tories dann die alleinige Mehrheit im Unterhaus stellten. Denn laut Cameron ist die entscheidende Frage: „Gestatten wir Terroristen geschützte Räume, in denen sie miteinander kommunizieren können? Ich sage: Nein, das werden wir nicht.“
Verschlüsselung oder Verbot
Und damit gestattet er sie auch all denen nicht, die eher keine Terroristen sind. Und er greift damit E-Mail-Verschlüsselung und Messagingdienste wie beispielsweise WhatsApp oder Threema an. Threema bietet bereits eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung an, also eine Verschlüsselung, die die Nachricht beim Sender ver- und erst beim Empfänger entschlüsselt.
Das zu Facebook gehörende WhatsApp arbeitet gerade daran, so etwas für alle Nutzer einzuführen. Camerons Ansage folgend, dass keine Kommunikation erlaubt sein dürfte, die nicht überwacht werden kann, müssten solche Anbieter entweder dem britischen Geheimdienst ihre Verschlüsselung offenlegen und somit mitlesen lassen – oder in Großbritannien verboten werden.
Ganz auf Kommunikationsdaten müssen Cameron und der Geheimdienst GCHQ schon bislang nicht auskommen: Nachdem der Europäische Gerichtshof im April 2014 die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gekippt hatte, reagierte Cameron noch schneller als nun nach den Attentaten von Paris: Er erließ mithilfe der Notstandsgesetzgebung fix ein eigenes Datenspeicherungsgesetz, den Data Retention and Investigatory Powers Act. Doch das Gesetz läuft 2016 aus. Also: Zeit zu handeln – findet zumindest Cameron.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland