piwik no script img

Raus aufs LandDer Traum vom ruhigen Leben

Mein Arbeitskollege Wolfgang hatte genug vom Stadtleben und ist mit Kind und Kegel aufs Land gezogen. Seine Rechnung ist nicht ganz aufgegangen.

Es könnte so schön sein, wenn Trecker, Häcksler und Mähdrescher nicht wären: das Landleben Foto: dpa | Federico Gambarini

M ein Arbeitskollege Wolfgang ist mit großem Tamtam aufs Land gezogen.

„Dahin, wo sich Fuchs und Kuh Gute Nacht sagen“, freute er sich.

„Damit dir die Füchse Gute Nacht sagen, willst du jeden Tag 50 Kilometer hin und her fahren?“, wunderte ich mich.

„Wir fahren doch nicht wegen der Füchse aufs Land, sondern wegen der Kinder. Hier sind sie doch ständig krank, weil sie durch das Stadtleben völlig verweichlicht sind. Im Dorf wühlen die Kinder jeden Tag im Dreck und gewöhnen sich so spielend an alle möglichen Bakterien.“

„Wolfgang, wenn du Dreck haben willst, dann komm doch zu uns in den Karnickelweg. In unserer Straße wird der Müll seit Wochen nicht mehr abgeholt. Es stinkt zum Himmel. Ein Paradies für Gesundheitsfanatiker wie dich.“

„Leute, ihr glaubt gar nicht, was für eine himmlische Ruhe wir bei uns im Dorf haben werden. Allein deswegen lohnt sich schon der Umzug aufs Land“, strahlte Wolfgang.

Nach dem groß gefeierten Umzug in das urgesunde Leben, schafft es Wolfgang keinen einzigen Tag mehr pünktlich zur Arbeit zu kommen. Mal hat sich wie immer der ‚blöde Zug‘ verspätet. Mal war die ‚doofe Autobahn‘ wieder gesperrt. Mal sind die Kinder doch noch eins nach dem anderen krank geworden.

„Wie ist das möglich, obwohl sie im Dorf doch ständig im gesunden Dreck rumwühlen?“, frage ich neugierig.

Drei Monate Treckerlärm

„Leider gibt es dort auch keinen Arzt mehr, der sich um die Kinder kümmern könnte. An dem Tag, als wir aufs Land zogen, ist der letzte Arzt abgehauen“, antwortet Wolfgang traurig.

„Kein Wunder. Für die Ärzte muss es dort sicherlich total langweilig sein, wo doch alle Menschen vor lauter Gesundheit nur so strotzen.“

„Außerdem“, meint Wolfgang ziemlich traurig, „sind unsere Kinder wegen dem alten Kohleofen leider doch öfter krank als hier in Bremen. Wir müssen sie ständig zum Arzt in die Stadt fahren. Und unsere Tochter müssen wir auch zwei Mal die Woche nach Bremen fahren. Den Jungen wegen des Fußballtrainings sogar drei Mal in der Woche. Von den ganzen Geburtstagsfahrten für ihre Freunde ganz abgesehen. Wisst ihr, was das für Spritkosten sind?“

„Die himmlische Ruhe in so einem hübschen Dorf hat nun mal seinen Preis“, tröste ich ihn.

„Himmlische Ruhe? Das hatten wir nie! Unser Nachbar hat seinen Trecker in den letzten drei Monaten keine Sekunde ausgeschaltet. Auch die restlichen 27 Trecker im Dorf dröhnen 24 Stunden am Tag, was das Zeug hält! Von den Häckslern, den Mähdreschern und Vertikutierern mal ganz abgesehen.“

„Weshalb denn? Haben die nie Feierabend?“, fragen wir alle neugierig.

„Was weiß ich? Wer kann denn schon wissen, was in so einem Bauern vorgeht? Entweder sie hassen sich alle gegenseitig und machen sich damit das Leben zur Hölle“, seufzt er und fügt dann resigniert hinzu, „oder sie hassen die Städter und versuchen sie mit miesen Tricks wieder aus ihren Dörfern zu verjagen.“

„Aber bei meinem Kumpel beißen sich die Landeier natürlich die Zähne aus, nicht wahr, Wolfgang?“

„Nicht ganz“, stammelt er kleinlaut. „Ab nächster Woche werden wir wieder in Bremen wohnen, gleich hier neben Halle 4.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • "„Himmlische Ruhe? Das hatten wir nie! Unser Nachbar hat seinen Trecker in den letzten drei Monaten keine Sekunde ausgeschaltet. Auch die restlichen 27 Trecker im Dorf dröhnen 24 Stunden am Tag, was das Zeug hält! Von den Häckslern, den Mähdreschern und Vertikutierern mal ganz abgesehen.“

    ----------------------------

    Nennt sich Erntezeit. Da wird dann auch mal Sonntags bis spät Abends abgeerntet und weggeschafft. Aber daran gewöhnt man sich, genauso wie an Stadtlärm. Ich spreche aus Erfahrung.