Rassismus in der Dartsliga: „Wir sind hier in Deutschland“
Eine rassistische Anekdote aus einer Berliner Dartsliga. Verletzend an der Geschichte ist vor allem das Schweigen der Anderen.
I m Sommer habe ich in einer Kolumne darüber geschrieben, warum Darts in Berliner Kneipen keinen Spaß mehr macht. Damals erzählte ich, wie uns ein Spieler eines rein deutschen Teams nach einem Spiel warnte, dass es „Probleme mit anderen Mannschaften geben könnte“, wenn wir unter uns auf Türkisch sprechen. Ich hatte das damals als versteckten diskriminierenden Kommentar, vermeintlich im Namen der anderen, interpretiert. Doch der Mann würde recht behalten.
„Es reicht! Wir sind hier in Deutschland, hier wird Deutsch gesprochen!“ Eine Spielerin der gegnerischen Mannschaft, die kurz vor der Niederlage stand, ballte die Faust und rief den Satz, als sich unsere Spieler*innen untereinander auf Türkisch unterhielten. Das Spiel wurde unterbrochen.
Weder der Wirt noch die anderen Mitspieler erkennen das Problem: „Ach, komm, spiel weiter!“ Wir reichten eine Beschwerde bei der Liga-Organisation ein. Der Organisator versuchte zunächst, den Vorfall herunterzuspielen. Er sagte, die Frau sei immer so, wenn sie zu viel getrunken habe. Man werde keine Maßnahmen ergreifen.
Unser Team wollte das nicht hinnehmen. Einer von uns schrieb später eine Google-Rezension über das Erlebnis und die Kneipe, die die Heimspiele dieses Teams ausrichtet. Daraufhin meldete sich der Organisator der Liga zu Wort: „Bin immer wieder gerne in der Dart Perle. Sehr nettes und aufgeschlossenes Personal. Gutes Ambiente zum Dartspielen. Sehr fairer Gastgeber bei unserem Freundschaftsspiel. Selten so gelacht wie an diesem Abend. Man sollte sowieso nicht die Emotionen überbewerten und mehr Spaß am Spiel haben.“
„Unsere Dartgemeinschaft“
Dabei blieb es nicht, einige Monate später ergänzte er seinen Kommentar: „Es wäre besser, die Sportart zu wechseln. In meiner Liga ist für Sie kein Platz mehr. […] Vollkommen überzogen und gut zu Ihren Gunsten ausgeschmückt. […] Wir möchten keine Spieler, die schlechte Verlierer sind und zwanghaft Unfrieden und Spaltung in unsere Dartgemeinschaft bringen wollen.“
Es ist wie bei Polizeigewalt. An wen soll man sich wenden, wenn so etwas passiert? An die Polizei. Und die verklagt einen dann höchstwahrscheinlich. Einige Spieler der anderen Mannschaft schrieben die Ereignisse dieser Nacht um und stellten uns als die Schuldigen dar: als Unruhestifter und schlechte Verlierer. Das ist nicht verletzend.
Was verletzend ist, sind die eigenen Leute, die schweigen. Die Freunde aus den anderen Teams, die zunächst empört darüber sind, dass so etwas passiert ist, dabei aber leicht genervt, weil sie nun Stellung beziehen müssen. Die versuchen, es herunterzuspielen – genau wie die anderen –, weil sie Darts aus Spaß spielen und wahrscheinlich mehr mit diesen Leuten gemeinsam haben als mit dir. Also schütteln sie wütend den Kopf in performativer Empörung, lästern über diese eine Frau. Doch sie wollen keine Petition unterschreiben, die die Liga zu Maßnahmen auffordert, weil sie insgeheim wahrscheinlich denken, dass wir tatsächlich übertreiben.
Nicht nur in der Dartsliga, sondern auch in anderen Sportarten und im ganzen Land sind viele Menschen gegen Rassismus – allerdings vor allem in dem Sinne, dass sie selbst nicht als rassistisch gelten wollen. Solange das nicht der Fall ist und sie selbst nicht in Verruf geraten, sehen sie keinen Grund, sich einzumischen.
Im großartigen Film „The Brutalist“ aus dem Jahr 2024, der eine bestimmte migrantische Erfahrung einfängt, hört die Hauptfigur László Tóth diese Worte von Harry Van Buren in einem Moment grausamer Ehrlichkeit: „Wir tolerieren dich.“ Das sind Gefühle, die jede*r Migrant*in früher oder später erlebt, wenn er oder sie sich entscheidet, mit diesen Menschen in ihren eigenen Bereichen zu konkurrieren – etwa beim Darts.
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