Rapperin aus Berlin: Zeitalter des Wa22ermanns
Die Rapperin Wa22ermann ist neu im Geschäft und liefert den Soundtrack fürs gegenwärtige Kreuzberg. Freitag tritt sie beim Festival Pop-Kultur auf.
Berlin bleibt nicht gleich Berlin. Wo in den Nullerjahren nach einer durchzechten Nacht noch von „Schwarz zu Blau“ gesungen wurde, heißt es heute „Blaurot“. Wenn damals Künstler wie Peter Fox für sich reklamierten, Lokalkolorit mit Berliner Schnauze zu erzeugen, schafft das jetzt die junge Rapperin Wa22ermann und es klingt glaubwürdig.
Mit nur wenig veröffentlichten Songs liefert die Newcomerin einen Soundtrack für den eigenen Kiez: Wa22ermanns Kreuzberg ist mindestens so dreckig, wie das von Peter Fox, aber noch fertiger. „Straßengestank, begleitet von Rauch / Junkies sind links, heißt ich lauf geradeaus“. Gemeinsam mit dem Rapper Apsilon erzählt sie von einer Nacht irgendwo zwischen den Bezirken Moabit und Kreuzberg: „Schlaflos, ich lauf los / Gleit durch die Nacht/ Sie ist blaurot, 3-6, gleich hell, blaurot“.
Wa22ermann: 1. September, Festival „Pop-Kultur“, Kulturbrauerei Berlin
Kreuzberg ist das Zuhause von Wa22ermann. Hier ist sie aufgewachsen, nachdem sie 2008 als Neunjährige aus Pakistan nach Berlin gekommen ist. In der Nähe vom Checkpoint Charlie und dem taz-Redaktionsgebäude ist sie zur Schule gegangen. „Ich hatte einen schweren Kulturschock, von einer Schule mit Schuluniformen und strengen Regeln in Pakistan, zu einer Schule, in der sich jeden Tag irgendjemand geprügelt hat und die Lehrer überfordert waren“, erzählt sie der taz. Doch sie passt sich an und zieht ihr Ding durch.
Heute wirkt sie abgeklärt und cool und so beschreibt die 24-Jährige auch ihr Aufwachsen in der Hauptstadt. Diese Haltung findet sich in ihrer Musik wieder. Mit der rhetorischen, fast sloganhaften Frage „Was denn?“ zwingt sie zu Beginn fast aller ihrer Songs die Zuhörer*innen zu einer Reaktion.
Hype kann jederzeit vorbei gehen
Doch neben der herausfordernden Coolness kommt im Gespräch mit ihr auch tiefe Dankbarkeit zum Vorschein für das, was sie nun als Raptalent erleben darf. Wa22ermann weiß sehr wohl, dass der Hype um sie jederzeit vorbei sein kann. „Was heute geil läuft, kann morgen schon wieder scheiße ankommen“, sagt sie.
Doch im Moment läuft es bei Wa22ermann, man kann es gar nicht anders sagen. Nun erzählt sie, wie ihr Fans im Supermarkt Hallo sagen. Im Sommer 2022 steht sie zum ersten Mal auf der Bühne, in dieser Festivalsaison spielt sie über 20 Shows.
Dass Wa22ermann, deren Name eine Mischung aus ihrer Lieblingszahl, ihrem Sternzeichen und der Übersetzung ihres bürgerlichen Vornamens aus dem Türkischen ist, mittlerweile als Rapperin Karriere macht, ist eigentlich der Langweile geschuldet.
Ihre Musik ist relevant geworden
Nach der Schule probiert sie sich in verschiedenen Studiengängen und Jobs aus: vom Einzelhandel bis zu Security beim Helene-Fischer-Konzert. Doch in der Coronapandemie fällt ihr auf, dass sie gar keine Hobbys hat und fängt an, mit ihren Freund*innen zu Beats zu rappen. Die anderen verlieren schnell wieder die Lust, doch Wa22ermann bleibt dabei. Sie nimmt Songs auf, dreht eigene Videos und lädt sie bei Instagram hoch.
„Man geht nicht davon aus, dass die Leute etwas gut finden, das man in seinem Zimmer ins Handymikrofon gerappt hat. Doch sie haben es gefeiert“, erzählt sie. Dann geht alles schnell: Produzenten fragen an und schon bald sitzt Wa22ermann im Studio, macht professionelle Aufnahmen und absolviert ihre ersten Auftritte. Videos von Menschen in Moshpits und einer Crowd, die ihre Reime von Anfang bis Ende mitrappen, beweisen, dass ihre Musik relevant geworden ist.
Im Februar 2023 erscheint dann ihre Debüt-EP „07:30“ mit fünf Songs. Die Musik klingt wie ein durchgefeiertes Wochenende: In „Dracula“ zieht sie gemeinsam mit Freunden durch die Straßen, in „Bienennest“ gibt es eine Clubnacht mit Tanzen und mieser Anmache. Bis sich im letzten Song „Glück“ die Stimmung wendet. Ängste und eine Cannabis-Psychose bestimmten den Kater am nächsten Tag.
Das Leben einfach leben
Auf einen bestimmten Sound lässt sich die Berliner Künstlerin trotzdem nicht festlegen. „Ich lass mich von überall her inspirieren und probier einfach aus“, erklärt sie ihren Schaffensprozess.
Bei Wa22ermann hört man melancholische Reime zu Lo-Fi-Beats, fröhliche Songs wechseln sich ab mit synthetischen Sounds, die nach einer harten Clubnacht klingen. Wa22ermann liefert einen wilden Mix aus allem, was Trap und HipHop zu bieten hat. Und gerade dieses Unausrechenbare und dieses Grenzüberschreitende klingt so erfrischend.
Die Sommerzeit und damit die zweite Festival-Saison von Wa22ermann neigt sich langsam dem Ende zu, aktuell tritt die Newcomerin in deutschen Großstädten auf, am Freitag etwa in Berlin beim Festival „Pop-Kultur“. Auch nach Ende des Sommers hat sie große Pläne: „Ich will neue Songs aufnehmen, ein Album rausbringen, geile Kollabos machen und eine eigene Tour. Aber gerade hab ich einfach Lust, mein Leben zu leben.“ Und das heißt bei Wa22ermann: mit Freunden abhängen, Musik ausprobieren und Inspiration suchen – auf den Straßen von Berlin-Kreuzberg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“