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Rap-Musik in der Peripherie„Ich habe mich lange gefangen gefühlt“

Sie will weder für Female Rap, noch für Zeckenrap stehen. Die Rapperin Haszcara über die Szene, ihre Kritik daran und warum das Genre „männlich“ ist.

„Schreiben ist für mich wie Rausch“: Haszcara Foto: Promo
Katharina Schipkowski
Interview von Katharina Schipkowski

taz: Haszcara, Sie rappen „Ich präsentier keinen Female Rap“. Warum wehren Sie sich dagegen?

Ich wehre mich nicht dagegen. Aber wie ich in dem Text sage: Ich repräsentiere nicht Female Rap, sondern einfach nur mich. Damit ist gemeint, dass ich nicht repräsentativ für alle anderen rappenden Frauen bin.

Lehnen Sie Female Rap als Genre ab?

Das ist eine schwierige Frage. Einerseits möchte ich keine Unterschiede zwischen Geschlechtern machen. Aber die Mehrheitsgesellschaft denkt und handelt nun mal in diesen Kategorien. Ich fände es unangemessen, die Kategorie Geschlecht unsichtbar zu machen und so zu tun, als existierte sie nicht, denn sie existiert ja.

Warum haben es Frauen im Rap so schwer?

Was für Schwierigkeiten meinen Sie?

Im Interview: Haszcara

22, ist Rapperin, wohnte bisher in Göttingen und zieht jetzt nach Berlin. Sie wurde 2015 bekannt, als sie am „Video Battle Turnier“ teilnahm. Dort treten unbekannte Rapper*innen per Video bei Youtube gegeneinander an.

Vielleicht ist die Frage falsch. Haben es Frauen im Rap schwer?

Ja. Aber nicht nur im Rap, sondern generell im Leben. Klar, Rap ist eine Männerdomäne. Frauen haben es vor allem schwer, wenn sie nicht das heterosexuelle Begehren von Männern erfüllen können oder wollen, also nicht sexy genug sind. Aber zu sexy sein geht auch nicht, denn dann ist man eine „Schlampe“ und auch unten durch. Der Kampf zwischen Heiliger und Hure eben.

Wie muss eine Frau im Rap-Business performen, um sich zu behaupten?

Ich glaube, am liebsten mögen die meisten Männer ’ne süße R-’n’-B-Lady. Aber es gibt ja im Deutschrap auch einige Rollen, die anders sind. Zum Beispiel Schwesta Ewa, Lady Bitch Ray oder SXTN. Die haben sich alle was „Männliches“ angeeignet und dadurch zur selben Zeit Akzeptanz und Ablehnung erfahren.

Was halten Sie davon, wenn Frauen sich „männliches“ Verhalten aneignen und reproduzieren, wie beispielsweise Lady Bitch Ray mit ihrem Female Porn Rap?

Persönlich feiere ich Lady Bitch Ray ziemlich doll. Ich habe auch ihr Buch gelesen, „Bitchism“. Es hat mich damals sehr geprägt, sie hat auch queerfeministische Inhalte, auch wenn sie nicht immer konsequent darin ist. Sie kommt nicht aus ’ner queerfeministischen Szene, und das merkt man hier und da, aber ich finde total geil, was sie macht, weil sie, wie sie selber sagt, kein Blatt vor die Muschi nimmt. Das inspiriert mich. Ihre Art ist sehr aggressiv sexuell, und ich kann verstehen, wenn manche das nicht mögen. Aber das ist ja genau, was Männer ständig machen, vor allem im Rap. Da ist das ganz normal. Wenn es ’ne Frau macht, ist das gleich skandalös. Ich find’s geil und empowernd.

Und SXTN? Die beiden Rapperinnen rappen in ihrem Track „Hass Frau“: „Du nichts, ich Mann / blase bis du kotzt, aber kotz auf meinen Schwanz“. Ist das emanzipatorisch?

Was heißt emanzipatorisch? Ich kann nur sagen, was ich an denen mag. Ich kann mich mit ihnen identifizieren, weil das einfach Assibräute sind, die kein Blatt vor dem Mund nehmen. Sie eignen sich einen männlichen Habitus an, was man natürlich kritisieren kann. Ich würde nicht sagen, dass es emanzipatorisch ist, wenn eine Frau sagt: „Ich fick deine Mutter, du Hurensohn“, nur weil sie es als Frau sagt.

Was ist dann das Emanzipatorische an SXTN?

Sie lassen sich nichts sagen. Wenn sie von irgendwelchen Typen reden, die sie ficken wollen, und sie sagen einfach „Ich bin zu für dich“. Stellen Sie sich vor: Auf einer Party, wenn da ein Song gespielt wird, wo die rappen: „Du willst mich ficken, aber du darfst es nicht“, dann kommt das ja bei den Leuten im Kopf an, auch bei den Männern. Ich glaube schon, dass das was macht. Insofern finde ich das ziemlich nice. Respect.

Warum ist Rap etwas „Männliches“?

Weil Rap bedeutet, was über sich zu erzählen und selbstbewusst zu sein. Naja, man labert halt drei Strophen lang über irgendetwas.

Ein ziemlich männliches Redeverhalten.

Sie wissen, was ich meine.

Fühlen Sie sich dem Genre Zeckenrap, also linkem Politrap, zugehörig?

Nein. Aber das ist auch nicht mein Hauptinhalt. Meine Inhalte sind eher persönlich. Das überschneidet sich manchmal mit politischen Ansichten. Aber das ist ähnlich wie die Kategorie Female Rap: Ich will in erster Linie mich selbst präsentieren. Außerdem bestehen auch gleich ganz andere Ansprüche an einen, wenn einem das Label Zeckenrap, also explizit linker Rap, zugeschrieben wird. Da kann es zum Beispiel passieren, dass man dafür angegriffen wird, dass man nicht so korrekte Musik hört.

Sie hören auch Bonez MC und RAF Carmora, die haben zum Teil frauenverachtende Inhalte. Wie können Sie das mit sich vereinbaren?

Das war ein sehr langer Prozess. Früher konnte ich das überhaupt nicht und fand das ganz schrecklich. Später hab ich ein paar Leute kennengelernt, die solchen Rap gehört haben, aber in ihren Handlungen ganz anders waren, sich zum Beispiel gegen Homophobie eingesetzt haben. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Als ich angefangen habe, mich für Raptechniken zu interessieren, konnte ich dann auch was damit anfangen. Manche Texte geben mir auch ein Lebensgefühl von Freiheit. Außerdem kann ich mich manchmal damit identifizieren.

Inwiefern?

Da ist einerseits dieses Gruppengefühl, aber auch, wenn es einem richtig schlecht ging, man war ganz unten, und dann schafft man was, ist erfolgreich. Ach, ich laber’ um den heißen Brei herum. Ich finde die Jungs einfach sympathisch. Für mich zählen Taten mehr als Worte.

Das klingt nach Kindheit im Getto und Knast-Erfahrung. Sind Sie nicht im behüteten Göttingen aufgewachsen?

Ich komme nicht aus einem Getto, aber ich hatte und habe es nicht leicht, mit der Familie und so … Ich war auch nie im Gefängnis, aber ich hab mich sehr lange gefangen gefühlt, in mir, in meinen Umständen. Wenn dann ein Rapper sagt: „Ja Mann, ich weiß noch damals im Gefängnis / aber heute ist alles okay, es geht mir besser“, kann man sich damit identifizieren.

Wie sind Sie aufgewachsen?

Ich bin in Göttingen geboren, meine Eltern aber nicht. Ich bin zwar hier aufgewachsen, aber wurde viel damit konfrontiert, dass ich anders sei oder „exotisch“ aussehe. Was überhaupt nicht stimmt – ich habe keinen Akzent und bin im Winter weiß wie’n Käsebrot, es sei denn, ich gehe ins Solarium.

Inwiefern beeinflusst die Stadt ihre Raptexte?

Maßgeblich. Ich habe mich oft nicht zugehörig gefühlt, was auch daran lag, dass ich auf ’ner Bonzenschule in einem reichen Viertel war. Die Leute haben alle auf’m Dorf gewohnt und kamen so ’rüber wie so durchschnittliche Familien. Ich habe das Gefühl, dass die Leute von hier oft nicht so ’nen weiten Horizont haben.

Ist Rappen eine Art Therapie für Sie?

Auf jeden Fall. Schreiben ist für mich wie ein Rausch. Ich schreib auch schon seit vielen Jahren Tagebuch. Und ich sage beim Rappen relativ ungefiltert, was ich denke. Es ist der Ort, wo ich ich selber sein kann.

Dabei ist es ja total öffentlich.

Es ist aber wichtig, sich zu zeigen. Das hat mich viel Mut gekostet und kostet es immer wieder. Aber Musik wird vor allem dann interessant für andere, wenn sie sehen, was das für ein Mensch ist. Kunst und Musik funktionieren ja viel über Identifikation. Man fragt sich ständig: „Was hat das mit mir zu tun?“ und projiziert immer. Musik berührt einen, wenn man sie auf sich beziehen kann.

Was regt Sie an der Rapszene auf?

Zum Beispiel, dass Sexismus mehr toleriert wird als Rassismus. Die meisten Leute sind ja eher antirassistisch drauf. Aber bei Sexismus, da wird dann häufig gesagt: „Naja, das ist halt Rap.“

In einigen Texten formulieren Sie auch eine Kritik an der linken Szene.

Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass oft sehr identitäre Absichten eine Rolle spielen. Vor allem wird das deutlich am Nahost-Konflikt. Es ist schon wichtig, sich damit zu beschäftigen und eine Position zu haben, aber ich glaube, dass oft Chancen verpasst werden, die es gäbe, wenn man mehr zusammenarbeiten würde.

Ist es schwer, in der Rapszene wahrgenommen zu werden, wenn man aus Göttingen kommt?

Ja, auf jeden Fall. Die Rapszene ist hier eher klein. Ich bin da nie so wirklich angekommen, das liegt, glaube ich, auch daran, dass ich ’ne Frau bin und da eher Typen abhängen. Aber ich seh’ das mehr als strukturelle Schwierigkeit, ich würde das jetzt keinem vorwerfen wollen. Wenn ich mit Typen Musik machen wollte, hatte ich oft Angst, dass die denken, ich will nur mit denen flirten oder so. Die Frage „Ist das ’ne potenzielle Flirtpartnerin?“ spielt immer irgendwie mit rein. In explizit linken Kontexten ist das nicht ganz so.

Großstadtsehnsucht?

Ja, auf jeden Fall. Es war schön, hier aufzuwachsen, aber ich ziehe jetzt nach Berlin. Hauptsächlich wegen der Musik, weil ich glaube, das ich da mehr Sachen machen und mich besser weiterentwickeln kann. Aber auch, weil ich hier oft auffalle und sehr viele Leute und jede Ecke kenne. Ich hab’ einfach Hunger auf mehr.

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