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Ramelow über Koalitionspolitik der SPD„Matschie kommt in der Realität an“

Bodo Ramelow, Fraktionschef der Linkspartei in Thüringen, lobt die Dehnungsübungen der SPD, die sich mit der Rolle als Juniorpartner anfreundet.

In Sachen Rot-Rot-Grün zeigt sich die SPD zunehmend gesprächsbereit Bild: dpa
Stefan Reinecke
Interview von Stefan Reinecke

taz: Herr Ramelow, der Thüringer SPD-Chef Christoph Matschie will 2014 eventuell einen Ministerpräsidenten der Linkspartei mitwählen. 2009 war Rot-Rot-Grün daran gescheitert – die Linkspartei war stärker als die SPD. Was bedeutet das?

Bodo Ramelow: Dass Christoph Matschie in der Realität angekommen ist. 2009 hat die SPD viel an der Ministerpräsidentenfrage festgemacht. Damit hat sich die Sozialdemokratie in Thüringen isoliert und der desolaten, angeschlagenen CDU die Macht gesichert. Die SPD haftet nun mit für die Skandale dieser Landesregierung.

In der SPD in Thüringen und auch in Sachsen fürchten viele, als Juniorpartner der Linkspartei unterzugehen. Verstehen Sie diese Angst?

Ich verstehe, dass die SPD derzeit in der gemeinsamen Regierung mit der Blockpartei CDU unter die Räder kommt. Laut der letzten Umfrage liegt die SPD in Thüringen derzeit bei 14 Prozent.

Thüringen wählt im Herbst 2014. Warum kommt der Richtungswechsel der SPD jetzt?

Weil die Bundes-SPD dabei ist, Tabus abzuräumen. Gerade weil die SPD in Bund mit Angela Merkel regieren will, möchte sie sich neue Möglichkeiten schaffen. Tut sie das nicht, wird sie nur noch Juniorpartner der Union sein. Das soll vermieden werden. Dass Thorsten Schäfer-Gümpel in Hessen eine Große Koalition umschiffen will und über eine Minderheitsregierung nachdenkt, passt in dieses Bild.

Bild: dpa
Im Interview: Bodo Ramelow

56, ist Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag und Oppositionsführer. Bis 2009 war er Vizechef der Linksfraktion im Bundestag.

Passt Rot-Rot-Grün in Thüringen politisch zusammen?

Wir müssen hier nicht über Kriege der Nato oder Drohneneinsätze entscheiden. Sondern über Abwasserbeiträge, Schulnetzplanungen und die Verwaltungsreform. Da liegt viel im Argen.

2009 hat die Linkspartei nicht darauf beharrt, selbst den Ministerpräsident zu stellen. Gilt das auch 2014 noch?

Ich beharre auf Normalität, mehr nicht. Das heißt, dass die stärkste Partei das Vorschlagsrecht in Sachen Ministerpräsident hat. 2009 habe ich gesagt: Es ist ein gemeinsames Vorschlagsrecht von Linkspartei, SPD und Grünen denkbar. Matschies Reaktion war, dass er Christine Lieberknecht (CDU) zur Ministerpräsidentin gewählt hat.

Also werden Sie dieses Angebot nicht wiederholen?

Ich sehe derzeit keinen Grund, das zu wiederholen. Es ist nicht der Zeitpunkt dafür.

Wie groß sind denn die politischen Schnittmengen zwischen SPD und Linkspartei in der Landespolitik?

Wenn Sie das Wahlprogramm der SPD von 2009 zugrunde legen, gibt es 90 Prozent Übereinstimmung mit unseren Ideen. In der Regierung tut die SPD allerdings weitgehend das Gegenteil. Falls die SPD ihre eigenen Ziele ernst nimmt, kommen wir zusammen.

Geht es um ein rot-rot-grünes Projekt – oder um ein pragmatisches Bündnis?

Landespolitik ist immer pragmatisch. Es geht nicht um große, weltumspannende Fragen, sondern darum, ob es künftig weiter 23 Katastrophenschutzzentren gibt oder nur noch 6. Oder wo die Abgrenzung zwischen Gewässerpflege erster und zweiter Ordnung verläuft. Bundespolitisch ist das unwichtig.

Für die betroffenen Bürger geht es aber darum, ob das Land oder die Kommune für den Schutz ihres Hauses durch Deiche zuständig ist. Das kann entscheidend sein. Ein Drittel aller Kommunen in Thüringen sind nicht mehr in der Lage, einen geordneten Haushalt vorzulegen. Elf Kommunen sind in der Zwangsvollstreckung. Das heißt: Die Gemeinderäte werden faktisch über das Spardiktat entmachtet. Das ist eine fundamentale Entdemokratisierung.

Also nur Reparaturen?

Nein. Thüringen hat derzeit von allen Bundesländern den größten Energieimport. Wir haben nun Eon Thüringen rekommunalisiert. Dieser kommunale Stromanbieter kann das Herzstück einer zu hundert Prozent regenerativen, regional erzeugten Energiewende sein. Daran könnten wir mit Sozialdemokraten und den Grünen zusammenarbeiten.

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14 Kommentare

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  • B
    Blechstein

    Matschie ibn Hatschie Ben Hadji

    outet sich als Karl May fan und möchte bei den nächsten Festspielen in Bad Seegeberg als

    Rothaut mitspielen.

  • G
    Gast

    Die SPD mit der umbenannten SED. Eine Partei, die Wege zum Kommunismus sucht, Diktatoren zu ihren "Errungenschaften" gratuliert und sich auf den Massenmörder Lenin beruft, hat an den Schaltstellen der Macht nichts verloren. Man hatte nach 1933 sehr schlechte Erfahrungen gemacht, Sozialisten an der Regierung bändigen zu wollen.

  • FV
    Fritz von Possen

    "Thüringer Klöße - die hab ich gern". Das sagt doch schon alles über das korrupte Land aus. Ob die EVAG oder andere dubiose Gesellschaften, wenn man an die Schiebereien kurz nach der Wende denkt, wie sich die "guten" Genossen ihre Pfründe bei der CDU sicherten um sich dann anschließend eine Opferlegende zu zulegen, dann nimmt es nicht wunder, wenn man eine gewisse spießige Blümchenkaffeementalität den Einwohnern unterstellt. Hauptsache, es bleibt so wie es ist - und nur das Gute aus dem Westen kommt dazu. So hat sich auch eine Vera Lengsfeld (Grüne B90, dann CDU) aus Sondershausen ausgesprochen komfortabel eingerichtet. Ein Matschie wollte nie etwas anderes als in Ruhe mitregieren und ebenso wie Vera Lengsfeld die hohen Bezüge inclusive Pension abgreifen.

     

    Dieses Land schunkelt sich mit MDR-Hilfe zu Tode. Die Jungen sind abgehauen, weil es dort keine Perspektive mehr gibt und die Wenigen, die auch woanders nichts fanden, feiern ihren Nachwuchs als "Geburtenratewende", weil natürlich jedes neugeborene Kind in dieser vergreisten Gesellschaft besonders auffällt. Da die Hirnforschung ja auch bei alten Leuten den Hang zu Konservatismus und Zukunftsangst diangostiziert hat, wird es also weiterhin dabei bleiben, dass die stärkste Partei keinen Ministerpräsident stellen wird. Der wird dann von einer senilen großen Koalition inthronisiert. Die "Rennsteigspatzen" pfeifen's von den Dächern.

  • B
    Bastler4711

    Ja, die Linken!

    Nach dem grandiosen Wahlsieg (von -3,x%) ist jetzt nichts mehr unmöglich; vielleicht sogar, dass es 2017 noch weniger sind.

    Bei dem kümmerlichen Wahlergebnis bleibt halt nichts als doof zu lamentieren.

     

    Wann kommt denn die Linke endlich in der Realität an?

  • B
    Blechstein

    Der Bürger sollte aufstehen und sich klar gegen einen Ministerpräsidenten mit Matschiebirne aussprechen.

  • J
    JGO

    Ein durchsichtiges Manöver der SPD um sich bei den nächsten Wahlen Stimmen von Wählern zu sichern, die es einfach nicht verstehen wollen das die SPD keine soziale Partei mehr ist. Wer mit der CDU koaliert geht unter, recht so.

  • G
    GASTNAME

    Die Erben der kommunistischen Diktatur freuen sich ganz offen darüber, dass es auch ohne Druck aus Moskau zu einer Zusammenarbeit mit der SPD kommt. Das ist legitim, wenn auch eine Katastrophe für das Bundesland.

    • @GASTNAME:

      Die CDU hat sich den "PC" Schmerz gar nicht gemacht und sich unter „Bimbeskohl“ bereits vor über 20 Jahren ihren "Blockteil" aus der SED herausgeschnitten und so in den 90ern einen Riesenvorteil durch bestehende Ortsverbände, Parteivermögen und Wahlkampfhelfer und nicht zuletzt eine riesige Personalreserve für die vielen Ämter in Gemeinde/Kreis und Landespolitik gehabt.

      Sie können sicher sein, dass in der seinerzeit gewendeten Ost-CDU mehr opportunistische Klemmkommunisten waren als heute in der Ost-Linken.

       

      Die SPD hat sich in der gleichen Zeit durchs Knie gebohrt und auch jüngeren und weitgehend unbelasteten ex-SEDlern jegliche demokratische Lernfähigkeit abgesprochen und in die ewig kommunistische Ecke gestellt.

       

      Das Löbchen dafür ist allerdings ausgeblieben.

      Zum Dank dafür müssen sich die Sozies von den Konservativen noch heute reflexhafte aber dafür sinnfreie Sprüche wie den Ihrigen anhören.

  • Es wäre für ein ansonsten für schwarz gehaltenes Thüringen das absolute Novum, aber keinesfalls realitätsfern. Thüringen sorgte schon 1930 für Aufsehen, als die NSDAP im Mustergau erstmals an der Landesregierung beteiligt war und 1932 den ersten nationalsozialistischen Regierungschef Deutschlands Fritz Saukel ernannte. Der Vergleich mit Rot-Rot-Grün ist natürlich wertefrei, aber immerhin bemerkenswert.

    • G
      Gast
      @lions:

      Ich befürchte, dass der Vergleich dieser unterschiedlichen Sozialismusvarianten eine unangenehme Ähnlichkeit hervorbringt. Es gibt wohl kein Land, in dem Sozialisten etwas Positives (von abschreckenden Beispielen abgesehen) hervorgebracht hätten.

    • @lions:

      Der Vergleich eines verurteilten Schwerstverbrechers und seiner Mörderbande mit Rot-Rot-Grün ist nicht "wertefrei" sondern grober Unsinn.

       

      Eine wackeliger Vergleich ließe sich allenfalls aus der Regierungsbildung aus SPD und KPD herleiten, wäre aber im Anbetracht des Umfeldes ("Katastrophenjahr" 1923) und dem Ende durch Reichsexikution mehr als an den Haaren herbeigezogen.

      • @Waage69:

        Von mir wertefrei dargestellt ist der Vergleich hinsichtlich einer Vorreiterrolle Thüringens, und die ist ja in den Fällen da. Was Sie da rein interpretieren, ist einfach affektiv. Oder suggestiv ?

        • @lions:

          Na ja, wenn Sie unbedingt wollen ist Thüringen also sozusagen in einer historisch festgelegten Vorreiterrolle.

           

          Richtig Sinn würde der NSDAP/Saukel Vergleich aber allerhöchstens machen wenn die NPD aus einer durch Straßenkämpfen und Saalschlachten geprägten politischen Atmosphäre heraus in Thüringen kurz davor wäre den Ministerpräsidenten zu stellen.

  • B
    Blechstein

    Ich konnte über die Sturheit und Ignoranz eines Herrn Matschie immer nur den Kopf schütteln. Der Typ ist einfach unfähig Realitäten anzuerkennen- als Führer der kleinsten Partei in Thüringen sagte er: "Nur wenn ich Ministerpräsident werde!" - voll durchgeknallt.