Ralf Stegner über die GroKo-Sondierungen: „Die CSU hat mit Tricks gekämpft“
Der SPD-Parteivize gibt sich skeptisch, will aber in Koalitionsverhandlungen mit der Union eintreten. Einige Punkte will er noch nicht aufgegeben.
taz: Herr Stegner, wie zufrieden sind Sie nach 24 Stunden ohne Schlaf mit den Ergebnissen der Sondierungsgespräche?
Ralf Stegner: Wir mussten in sehr kurzer Zeit sehr schwierige Gespräche führen. Die Ergebnisse sind gut.
Begeisterung hört sich anders an.
Ich gehöre zu den Skeptikern und Kritikern einer Großen Koalition. Aber ich bin auf dieser Basis dennoch dafür, jetzt in Koalitionsverhandlungen einzutreten.
Sie haben weder die Bürgerversicherung, noch die Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsplätzen und eine Anhebung des Spitzensteuersatzes durchgesetzt. Warum wollen Sie dennoch über eine Koalition verhandeln?
Wir haben fast 60 positive Punkte durchgesetzt. Darunter die Aufhebung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern, damit wir mehr in Bildung investieren können. Die paritätische Finanzierung der Krankenversicherung, eine komplett neue Europapolitik, ein Einwanderungsgesetz. Natürlich hätten wir noch andere Sachen gerne bekommen. Aber bei der sachgrundlosen Befristung etwa ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, das kann ja auch in Koalitionsverhandlungen nochmal aufgerufen werden.
Das Einwanderungsgesetz taucht als solches nicht auf den 28 Seiten Sondierungspapier auf.
Weil die Union sich nicht traut, das auch so zu nennen. Faktisch ist es aber genau das.
58, stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD. In den Sondierungen verhandelte er die Themen Migration und Inneres.
Wie groß ist denn das Vertrauen zu einem Partner, der sich mit solchen Begrifflichkeiten aufhält?
Wir wollen ja zum Glück nicht heiraten, dazu ist die Beziehung auch nicht gut genug. Die Union will immer grundsätzlich nichts von den guten und wichtigen Themen, die wir voranbringen wollen. Die CSU hat bis morgens um 8 Uhr mit lauteren und zum Teil auch unlauteren Tricks um die Fallstricke in der Migrationsfrage gerungen. Das war das einzige Thema, das sie interessiert hat.
War die Strategie der CSU denn nicht erfolgreich, wenn man sieht, dass jetzt eine Obergrenze von 180.000 bis 220. 000 Geflüchteten pro Jahr vereinbart wurde?
Das ist keine Obergrenze! Das sage ich ganz ausdrücklich, weil ich diesen Bereich bis in die Früh mitverhandelt habe. Die CSU wollte festlegen, dass wir nicht mehr als eine bestimmte Zahl Menschen ins Land lassen, und das hätten wir unter keinen Umständen mitgetragen. Die Zahlen, die sich jetzt in dem Papier finden, sind eine Beschreibung, wie viele Flüchtlinge wir erwarten. Aber wenn mehr kommen, kommen eben mehr. Es gilt das Asylrecht und die Genfer Flüchtlingskonvention.
Aber auch der Familiennachzug wurde mit 1.000 Geflüchteten pro Monat doch sehr eng begrenzt.
Die Union hatte mit den Grünen bereits vereinbart, den Familiennachzug um ein weiteres Jahr auszusetzen. Das wollten wir auf keinen Fall. Ab dem 18. März können Anträge auf Familiennachzug gestellt werden.
Und die werden dann auch bearbeitet?
Es wird eine Übergangsfrist von drei Monaten bis Ende Juli geben, bis das neue Gesetz wirkt. Aber ab dem 18. März ist der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte nicht länger ausgesetzt.
Wie schätzen Sie die Stimmung in der Partei ein? Glauben Sie, dass sie mit diesem Papier durchkommen?
Die Meinungen sind unterschiedlich, das ist auch gut so. Wir machen es uns nicht leicht. Aber bei aller eigenen Skepsis plädiere ich dafür, es zu versuchen, wenn wir konkret etwas für die Menschen erreichen können.
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