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Räumung des Syndikat in BerlinEine Kneipe zum Verlieben

Der Prototyp der verwurzelten linken Kiezkneipe wurde in Berlin geräumt. Der Protest dagegen und die Solidarität für den Erhalt waren sagenhaft.

Hunderte Menschen protestierten am Donnerstag gegen die Zwangsräumung der Kiezkneipe Foto: Florian Boillot

B ei aller Wut und Trauer über die symbolträchtige Räumung der Berliner Kneipeninstitution Syndikat bleibt am Ende der 35-jährigen Geschichte nur ein ganz unironisches Gefühl: Liebe. Für einen vierzehnstündigen Protestmarathon gegen eine martialisch auftretende Polizei, die mit über 1.000 Polizist:innen, Helikopter und einer Sperrzone eine mittelgroße Kiezspelunke räumen ließ und für einen fast zwei Jahre andauernden juristischen und politischen Existenzkampf, bei dem die linke Kneipe nebenbei noch ein Briefkastengeflecht und Immobilienimperium der britischen Milliardärsfamilie Pears aufdeckte.

Die Kneipe enttarnte dabei einmal mehr eine halbseidene Welt von Großeigentümern, die alle Schlupflöcher ausnutzen, um ihre Interessen schamlos durchzusetzen. Denn dass diese Räumung in Berlin selbst unter einer mietendeckelnden rot-rot-grünen Landesregierung stattfinden konnte, zeigt, wie kaputt der Immobilienmarkt ist.

Selten waren Klassenfragen so einfach wie im Fall des Syndikats auf ein klares Gut-Böse-Schema herunterzubrechen. Die britischen Milliardäre blieben unnahbar und äußerten sich bis zuletzt trotz internationaler Berichterstattung nicht über den für ihre Verhältnisse läppischen Mietvertrag. Auf der anderen Seite war das Syndikat anders als viele linke Szeneorte nicht nur politische Insel für Gleichgesinnte, sondern im Kiez verankert und vollkommen offen.

Wer keine Kohle hatte, durfte sein Späti-Bier mit reinbringen oder bekam gleich ein Gezapftes hingestellt. Das Syndikat ließ Obdachlose bei sich übernachten und half der Omi von gegenüber finanziell aus, wenn diese sich am Ende des Monats keine Medikamente mehr leisten konnte.

Zugleich darf man hoffen, dass diese soziale Institution durch Menschen im Kiez aufgefangen wird. Auch weil das Syndikat angesichts der großen Solidarität aus Nachbarschaft, Stammgästen und Gelegenheitsbesucher:innen nach einer aufreibenden Protestwoche trotz der Räumung so lebendig scheint wie eh und je: „Sie mögen uns diesen Raum genommen haben, das Syndikat haben sie nicht!“, rief Wirt Christian bei seiner Abschiedsrede mit brechender Stimme und mit den Tränen kämpfend, „wir schaffen zwei, drei, viele Syndikate, selbstverwaltete und antikapitalistische Räume!“

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Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium in Potsdam. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
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14 Kommentare

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  • Am Ende muss jemand die Zeche bezahlen. Nichts ist wirklich umsonst, auch nicht das Freibier. Es stand allen Unterstützern und der Politik frei, ein Haus zu kaufen. Aber Berlin war ja so billig, die Mieten so günstig, warum denn kaufen, was ich so billig trotzdem haben kann? Statt dessen hat man das dem Geld der Investoren überlassen und das eigene Geld lieber anderweitig verfrühstückt.

  • Es wird Zeit für ein System, in dem die Politik wildgewordene Richter, Gerichtsvollzieher und Polizei wirksam zurückpfeifen kann. So können linke Freiräume gerettet werden.



    In Neukölln wäre es dann auch möglich, rechte Staatsanwälte mit Berufsverbot aus dem Verkehr zu ziehen.

  • Ist eine Kneipe systemrelevant? Wohl nicht. Und das gerichtliche Räumungsurteil liegt ja vor.



    Es kann nicht angehen, dass manche Menschen meinen, gültige Rechtssprechung gelte für sie nicht.

  • War doch eine linke Kneipe, wer von den sogenannten Volksvertretern setzt sich dafür ein

  • Was aller Protest nicht ändert. Der Vertrag war abgelaufen und es gab einen Rechtsstreit, der logischerweise verloren wurde. Was Soll der Senat da machen??

  • Solidarität sagenhaft. Na und ?



    Das nützt nichts, wenn die Landesregierung nicht einschreitet und den Real Estate Holdings das Vorgehen verbietet.

    • @nzuli sana:

      Warum sollte die Landesregierung einschreiten? Sie kann dies im Übrigen auch gar nicht. Es gibt einen gerichtlichen Räumungsurteil, aus dem vollstreckt werden kann. Mit welchem Grund sollte dem Inhaber des Titels die Vollstreckung verwehrt werden?

  • Und wieder wird ein Stück Berliner Originalität, Selbsthilfe und Austauschort zerstört. Das wird si h auch dann rächen, wenn es keine Randale von Autonomen gibt.

  • Wer das Geld hat, hat die Macht. Wer die Macht hat, hat das Recht.



    Justiz und Polizei, alle machen sie dabei mit, die letzten Oasen von Menschlichkeit in diesem System aus Gier und Profit zu zerstören. Für die Hypo Real Estate hat die Politik 130 Milliarden hingelegt, gegen die internationale Immobilienmafia, die gerade alles, was den besonderen Charakter Berliner Kieze ausmacht, zerstört, tut sie nichts.

    Wählt sie alle ab, besonders die Bundesparteien, die diese Schieflage ermöglicht haben. Nur den Baurat Florian Schmidt (Kreuzberg-F'hain), den kann man wiederwählen. Er hat wenigstens versucht, im Einvernehmen mit der Bevölkerung das Karstadtgebäude am Hermannplatz vor den großkotzigen Plänen der Sigma zu retten.

    • @Ataraxia:

      Polizei und Justiz setzen Recht und Gesetz durch, dass haben sie auch hier getan, nicht mehr, und nicht weniger.

      Wenn Sie mal kurz etwas weiter gedacht hätten, wäre Ihnen aufgefallen, dass nicht Polizei und Justiz für die Abschaffung von Freiräumen verantwortlich sind, sondern die Politiker. Aber auf die kann man so schlecht eindreschen, die sind womöglich von der eigenen Partei.

      • 2G
        2830 (Profil gelöscht)
        @Berliner Berlin:

        Souverän!

      • @Berliner Berlin:

        "alle machen sie dabei mit, die letzten Oasen (...) zu zerstören"



        wer lesen kann, ist klar im Vorteil ;)

        • @RosaLux:

          Lesen kann ich. Denken auch. Und dass nicht Polizei und Justiz für die Politik in Berlin die Verantwortung tragen, habe ich auch gelernt.