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Radwege an BundesstraßenSchleppender Ausbau

Viele Bundesstraßen haben keinen Radweg. Doch mit der Ausweitung geht es nicht voran. Der Erhalt der Infrastruktur geht auf Kosten neuer Strecken.

Der Aufwand für den Erhalt von Radwegen an Bundesstraßen ist in den vergangenen Jahren gewachsen Foto: Hubert Jelinek/imago

Berlin taz | Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will in den kommenden Jahren mehr als eine Milliarde Euro in den Ausbau der Radinfrastruktur stecken – doch bei den in seinen Bereich fallenden Radwegen an Bundesstraßen geht es nur schleppend voran.

Zwischen 2016 und 2019 standen pro Jahr 98 Millionen Euro für Neubau und Erhalt von Radwegen an Bundesstraßen zur Verfügung. In keinem Jahr wurden die Mittel komplett abgerufen, 2016 waren es nur 64,5 Millionen, 2019 immerhin 85,1 Millionen Euro. Das geht aus der Antwort des Verkehrsministeriums auf eine Anfrage des grünen Haushaltspolitikers Sven-Christian Kindler hervor. „Mit durchschnittlich nur 1,6 Millionen Euro Erhaltungsmitteln je Bundesland kann man die Radwege an Bundesstraßen nicht in einem gut befahrbaren Zustand erhalten“, sagt er. Gebaut werden die Radwege von den Ländern. Der Bund müsse dafür sorgen, dass die Mittel auch abfließen, fordert Kindler. Dazu müsse Scheuer mehr Personal bereitstellen. Der Baubedarf ist groß. Wie aus einer weiteren Antwort auf eine Anfrage von Kindler hervorgeht, gibt es etwa in Niedersachsen nur an 2.942 von 4.700 Kilometern Bundesstraße einen Radweg.

Ein weiteres Problem: Der Aufwand für den Erhalt von Radwegen an Bundesstraßen ist in den vergangenen Jahren gewachsen, der Gesamtetat aber nicht. Die Ausgaben für die Sanierung gehen auf Kosten des Neubaus, kritisieren die Grünen. Sie fordern eine Verdoppelung des Etats. „Mehr Geld alleine löst die Probleme aber nicht“, sagt Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. „Bis heute ist die Planung und Genehmigung eines Radweges genauso kompliziert wie der Bau einer Bundesstraße.“ Die Grünen sind deshalb für ein Planungsbeschleunigungsgesetz für den Radverkehr.

Am Montag ist das mit 600 Millionen Euro unterlegte Programm „Stadt und Land“ des Bundesverkehrsministeriums für den Ausbau der Radinfrastruktur in den Kommunen und Ländern gestartet. Bis 2023 stellt die Regierung mit insgesamt 1,46 Milliarden Euro so viel Geld wie noch nie fürs Rad zur Verfügung. Davon stammen 900 Millionen Euro aus dem Klimapaket, das die Bundesregierung im jahr 2019 als Maßnahme gegen die Erderhitzung geschnürt hat.

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6 Kommentare

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  • Dem kann ich nur zustimmen. Was häufig als sogenannter Radweg ausgeschildert ist, ist schon als normaler Radfahrer lebensgefährlich (Huckel, Schlaglöcher, Ausfahrten, viel zu schmal, Falschparker, etc.) zu befahren, geschweige denn mit einem E-Bike. Aber wehe, man weicht dann auf die normale Fahrbahn aus, die ist ja nur für Autofahrer. Das wird dann auch entsprechend artikuliert.

    • @1Mj3tI39F:

      Ich habe mit dem Fahren auf der Fahrbahn nur gute Erfahrungen gemacht, jedenfalls dort, wo kein strassenbegleitender benutzungspflichtiger Radweg in Sicht war.

      Würde die Radwegebenutzungspflicht entfallen, würde sich das Problem weitgehend von selber erledigen, jeder könnte entsprechend seinen Fähigkeiten und Wünschen dort fahren, wo er oder sie will.



      Und sogar diejenigen, die ohne Radweg lieber gar nicht radfahren würden, würden profitieren. Denn vornehmlich die Benutzungspflicht stellt sicher, dass niemand, weder die Planer, noch die für Bau und Pflege Zuständigen, irgend einen Ansporn hat, für Qualität zu sorgen.

  • Dankbar bin ich für jeden Meter Radweg, der nicht gebaut oder ausgebaut wird. Dies schreibe ich als jemand, der nicht nur viel in seiner Freizeit radfährt, sondern auch den den größten Teil seines Berufslebens mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren ist. Was Herr Scheuer hier betreibt, ist die Verdrängung der Radfahrer von den guten Fahrbahnen. Als Beleg dafür mag man den Umstand nehmen, wie eisern an der Benutzungspflicht festgehalten wird. Gute Radwege brauchten keinen Benutzungspflicht.

    • @ws01:

      Stimme Ihnen voll und ganz zu!

      Deutsche Radwege sind Asphaltstreifen, um die Straßen von Radfahrern zu befreien.



      Die mit Abstand meisten und schwersten Unfälle habe ich als Radfahrer auf Radwegen erlebt. Die Gründe waren Autos, deren Fahrer mich übersehen hatten.

      Auch die meisten Pannen hatte ich auf deutschen Radwegen, weil dort Schotter, Steinchen, Sand, Scherben und anderer Müll herumliegen. Die Schlaglöcher und Kanten geben einem dann den Rest.

      Vorzeigeland wie es funktioniert: Die Niederlande! Hier werden Radfahrer auf hervorragenden Radwegen mit Mittelstreifen geführt. Auf nicht zu stark befahrenen Straßen sind auf der Fahrbahn rot markierte Streifen als Radverkehrsfläche mit Vorrang markiert. Das hat viele Vorteile und funktioniert.

      In Deutschland sind diese Fahrstreifen verboten. Vielleicht liegt das an der Reichsstraßenverkehrsordnung von 1934, die es auch dem Radfahrer vorschreibt, den Radweg benutzen zu müssen. Nach dieser Verordnung ist nämlich der Sinn des Radwegs und vor allem der Pflicht, ihn zu benutzen zu müssen, dem Auto freie Bahn zu schaffen. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts galt das als fortschrittlich. Auch heute noch bei der CSU und ihrem Verkehrsminister.

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @ws01:

      Sie wohnen in einer Gegend mit Autofahrern der Gattung Homo sapiens?



      Da haben sie Glück.



      Wenn sie Mal erlebt haben, wie ihnen ein auf der Bundesstraße aus der Gegenrichtung kommender Fahrer nur so zum Spaß auf die linke Spur gewechselt ist, dann wissen sie Radwege zu schätzen.



      Auf Bundestraßen sind die Herrschaften mit 130 unterwegs.

      • @4813 (Profil gelöscht):

        @schnurzelpu Seltsame Frage. Ich bin über die Jahre nicht nur dort Rad gefahren, wo ich wohne, sondern beispielsweise auch zur Arbeit, im Urlaub und in der Freizeit. Anders als sie sich selber oder anderen weismachen wollen, kommen Radfahrer nicht überwiegend ums Leben, weil sie auf der Bundesstrasse von überholenden Gegenverkehr plattgefahren werden, sondern z.B. dadurch, das sie unter den Rädern von rechts oder links über den Radweg abbiegenden Pkw oder Lkw landen.

        Gerade Radwege entlang von Bundesstrassen, die meist einseitig ausgeführt werden und auf denen aufgrund nachfolgenden Verkehrs Radwege gern zu schnell und ohne jede Rücksicht auf Vorfahrt oder Vorrang gequert werden, habe ich diesbezüglich als besonders übel in Erinnerung.

        Ich vermute, sie kennen die Situation vornehmlich aus der Windschutzscheibenperspektive, sonst wüssten sie, dass man als Radfahrer einem rücksichtlos trotz Gegenverkehr überholenden Kfz aufgrund der Fahrstreifenbreite durchaus ausweichen kann, wo dies mit einem Pkw ziemlich aussichtslos wäre. Sicher ist das erschreckend, ärgerlich und sicherlich nicht ungefährlich. Aber gewiss nicht so tödlich, wie von jemandem beim häufig nötigen Queren auf Aus- und Zufahrten mit Tempo 50 überfahren zu werden. Es ist weitgehend egal, ob man mit 60, 100 oder 130 km/h angefahren wird, es geht darum, solche Unfälle nach Möglichkeit zu vermeiden, indem man Konfliktsituationen vermeidet, deren Zahl und Gefährlichkeit durch Radwege erheblich zunimmt.

        Im übrigen sollte man nicht unterschätzen, wie sehr Radwege solche "Erziehungsmassnahmen mit der Stosstange" fördern, wie sie sie hier schildern. Auch und gerade auf Bundesstrassen.