Radverkehr in Bremen: Abstrampeln für die Verkehrswende

Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub hat zum Thema Radverkehr ein „Barometer zur Bürgerschaftswahl 2019“ erstellt. In diesem enttäuscht die SPD.

Radfahrer fahren über die Bremer Wilhelm-Kaisen-Brücke.

Emissionsfrei unterwegs: Radfahrer*innen auf der Wilhelm-Kaisen-Brücke Foto: ADFC Bremen

BREMEN taz | Bremens Radverkehrsanteil von 25 Prozent ist der höchste unter den deutschen Städten mit über 500.000 EinwohnerInnen – so weit, so erfreulich und hinlänglich bekannt. Weniger bekannt ist allerdings, dass er seit über einem Jahrzehnt stagniert und im Gegenzug die Anzahl der PKW-Neuzulassungen kontinuierlich steigt. Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) Bremen hat angesichts dessen ein „Barometer zur Bürgerschaftswahl 2019“ erstellt: Dafür haben fünf Parteien Stellung bezogen zu den aus Sicht des ADFC sieben drängendsten Problemen im Bremer Radverkehr.

Verkehrspolitische Zielsetzungen zur Stärkung des Rad- und Fußverkehrs, des ÖPNV und Car-Sharings sind in Bremen – nach breiter Beteiligung der Parteien, Verbände und BürgerInnen – bereits seit dem Jahr 2014 festgeschrieben: im Verkehrsentwicklungsplan 2025 (VEP). „Leider ist aber seither erschreckend wenig an konkreten Maßnahmen umgesetzt worden“, sagt Sven Eckert, Geschäftsführer des ADFC Bremen. Und so bezieht sich der erste Punkt des Fragenkatalogs an die Parteien auch auf ein ganz konkretes Vorhaben aus dem VEP, nämlich den Bau von Radpremiumrouten und Weserquerungen für Fahrräder und FußgängerInnen.

Das Stichwort „Parkraumbewirtschaftung“ – ebenfalls Bestandteil des VEP – fragt der ADFC genauso ab wie die Verbesserung der Sicherheit für Radfahrende durch Tempo-30-Zonen, bessere Ampelschaltungen, Einhaltung des vorgeschriebenen Sicherheitsabstands zu RadfahrerInnen, besser gekennzeichnete Radwege und Kreuzungen und natürlich auch, wie viel Geld die Parteien pro Jahr in den Radverkehr investieren wollen. Momentan werden pro BremerIn jährlich sechs Euro siebzig für den Radverkehr ausgegeben. Zum Vergleich: Kopenhagen investiert 36 Euro pro Person, das niederländische Utrecht sogar über 130 Euro.

Erwartungsgemäß fallen vor allem die Antworten der Grünen im Sinne des ADFC aus: Wenngleich auch sie nicht konkret beantworten, ob sie wenigstens einen Teil der geplanten acht Premiumrouten sowie der Weserquerungen in der kommenden Legislaturperiode realisieren wollen, benennen die Grünen die aus ihrer Sicht am dringendsten benötigten Routen: „D15 (Hemelingen-Bremen-Nord) soll fertig werden. Die teilweise fertiggestellte Route von Lilienthal nach Huchting (D16) und die D17 (Obervieland bis GVZ) halten wir für vorrangig. Wir haben uns für die innenstadtnahe Weserquerung (D22) stark gemacht, setzen uns für Fuß- und Radbrücken in Hemelingen und zwischen der Überseestadt und Woltmershausen ein.“

Die Grünen wollen „eine spürbare Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung“, ein Überholverbot für PKW auf Fahrradstraßen, eine innerstädtische Regelgeschwindigkeit von Tempo 30, grüne Welle für RadfahrerInnen und die Sanierung von Radwegen und Kreuzungen. Für die Umsetzung der Maßnahmen sollen die Investitionen in den Radverkehr auf vorerst 26 Euro pro Kopf und Jahr erhöht werden.

Zum Ausgeben des Geldes und zum Eintreiben von Fördergeldern sollen nach dem Willen der Grünen acht bis zehn zusätzliche Stellen beim Verkehrssenator und beim Amt für Straßen und Verkehr (ASV) geschaffen werden sowie eine Radverkehrsabteilung in Bremerhaven. Und die Pro-Kopf-Ausgaben sollen auch noch sukzessive auf Kopenhagener Niveau gesteigert werden.

Fast so zufrieden ist der ADFC mit den Plänen der Linken, bloß bei den Themen Parkraumbewirtschaftung und Sicherheitsabstand bleiben deren Aussagen ein wenig dünn. So wolle man, heißt es in der Linken-Antwort, nach dem Vorbild Berlins auch für Bremen prüfen, ob die gesetzlichen Möglichkeiten für das Abschleppen falsch geparkter PKW verschärft werden könnten. „Prüfen ist uns zu wenig“, sagt Eckert. „Gleiches gilt für das Vorhaben einer Parkraumbewirtschaftung: Die Linke fordert sie für Quartiere mit hohem Parkdruck – warum nur dort?“

Sven Eckert, Geschäftsführer des ADFC Bremen

„Die SPD hat leider noch nicht erkannt, dass Verkehrswende bedeutet, die Verkehrsräume umzuverteilen“

FDP will mehr PKW-Parkplätze

„Insgesamt ausbaufähig“, so Eckert, fielen hingegen die Antworten der FDP aus, die sich weitestgehend auf die Sanierung bestehender Radwege beschränken will. Als Grund dafür nennt die FDP: „Auch in der nächsten Legislaturperiode werden die Mittel begrenzt sein.“ Darüber hinaus plädieren die Freien Demokraten für mehr PKW-Parkplätze und kostenloses Parken für zwei Stunden in der Innenstadt. Tempo 30 lehnen sie klar ab. Im Haushalt plant die FDP drei Millionen Euro pro Jahr für den Radverkehr ein.

Das ist nicht viel, aber zufriedenstellender als die entsprechenden Antworten von CDU und SPD: Beide Parteien wollen sich nämlich gar nicht auf eine Investitionssumme festlegen. Die SPD argumentiert mit Finanzmitteln „aus verschiedenen Töpfen, nicht zuletzt vom Bund“ für neue Radwege oder Weserquerungen, weswegen sie „einen konkreten Betrag daher noch nicht nennen“ könne.

CDU und SPD gleich auf

Und die CDU findet „die Nennung globaler Summen nicht zielführend“, da „jede Einzelmaßnahme eine positive Kosten-Nutzen-Relation aufweisen“ müsse. Bei den Themen Premiumrouten, Weserquerungen und Parkraumbewirtschaftung antwortet die CDU konkreter als die SPD, bei den Themen Sicherheitsabstand und Ampelschaltung ist’s umgekehrt.

„Ein wenig erschreckend“ findet Eckert die Tatsache, dass die SPD bei den ADFC-Wahlprüfsteinen nicht mehr punkten konnte als die CDU: „Die SPD hat sich beim Thema Radverkehr auf den richtigen Weg gemacht, aber leider noch nicht so recht erkannt, dass Verkehrswende bedeutet, die Verkehrsräume umzuverteilen – und zwar zu Ungunsten des motorisierten Individualverkehrs.“

Die Ergebnisse seines „Barometers zur Bürgerschaftswahl“ will der ADFC Bremen ab Mitte April online veröffentlichen. Am Dienstag werden die Ergebnisse des „Fahrradklimatests“ präsentiert, einem alle zwei Jahren vom ADFC erstellten, bundesweiten „Zufriedenheitsindex“ von RadfahrerInnen. 2016 erhielt Bremen hier die eher schlechte Benotung von 3,5, „und Gründe für eine Verbesserung sehe ich auch für 2018 nicht“, sagt Eckert.

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