Racial Profiling bei Fußballspielen: Fans unter Generalverdacht
Kurdische Anhänger:innen des FC St. Pauli beklagen, dass sie anlasslos von der Polizei kontrolliert werden. Die Fanhilfe vermutet Racial Profiling.
Woran liegt es also? „Äußerlich unterscheiden wir uns nun mal von der Mehrheit der Fans“, antwortet Azad. Die „Braun-Weiße Hilfe“, das Rechtshilfeprojekt des Clubs, hält das Verhalten der Polizei entsprechend für Racial Profiling.
Seit 2019 gibt es den Fanclub, seit zwei Jahren fahren die Anhänger:innen gemeinsam zu Auswärtsspielen. Seither häufen sich die Kontrollen, für die sie keinen legitimen Anlass sehen. Im Sommer 2022 ging es mit den Kontrollen los, am Treffpunkt der St.-Pauli-Fans am Hannoveraner Hauptbahnhof. „Wir waren gerade dort angekommen und schon wurde ich herausgezogen“, sagt Abdulhalim. Ein halbes Dutzend Polizist:innen habe ihn auf den Boden geworfen, dann zu einem Auto abgeführt.
„Direkt an der Straße musste ich mich mit verbundenen Händen hinstellen und fotografieren lassen“, sagt Abdulhalim. „Das war mir peinlich.“ Er sei mit auf die Wache genommen worden, durfte nach einigen Stunden wieder gehen. Zunächst sei ihm keine Begründung für die Maßnahme genannt worden. Später sei ihm gesagt worden, man verdächtige ihn, einige Monate zuvor eine Körperverletzung begangen zu haben. Auf ihn passe die Personenbeschreibung. Adulhalim zeigt das Schreiben, das er einige Monate später dazu von der Polizei erhielt: Das Verfahren wurde eingestellt.
„Kontrollen sorgen für Angst“
Racial Profiling bezeichnet eine Praxis, bei der die Polizei Personen aufgrund von äußeren Merkmalen wie Hautfarbe oder vermuteter Religionszugehörigkeit einer bestimmten Personengruppe zuordnet und pauschal als verdächtig behandelt. Auch in Braunschweig und beim Hamburger SV waren es in den vergangenen Monaten einzig Azadi-St.-Pauli-Mitglieder, die am Stadion aus einer Vielzahl von St.-Pauli-Fans von der Polizei herausgezogen wurden, bestätigt die Braun-Weiße Hilfe.
In beiden Fällen sei ihnen kein konkreter Anlass genannt worden, sagt Azad. Als sich in beiden Situationen sofort die Fanhilfe einschaltete und darauf hinwies, dass kein Anlass vorliege, habe die Polizei sie wieder ziehen lassen.
„Diese ständigen Kontrollen sorgen mittlerweile für Angst“, sagt Abdulhalim, „aber wir wollen uns nicht einschüchtern lassen.“ Sie überlegen noch, vor Gericht die Kontrollen als rechtswidrig feststellen zu lassen. Allerdings sind die Chancen auf einen Erfolg gering, weil der Nachweis in der Regel kaum zu erbringen ist.
*Namen geändert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt
Ministerpräsidentenwahl in Sachsen
Der Kemmerich-Effekt als Risiko