RBB-Staatsvertrag: Ein schmaler Grat
Ein außer Kontrolle geratenes System wie den RBB wieder einhegen und doch komplette Staatsferne wahren, kann eigentlich gar nicht funktionieren.

W er zahlt, bestellt. Oder, bildhafter auf Englisch: He who pays the piper calls the tune. Einer der wenigen Bereiche, in denen diese sonst gängige Regel nicht gilt, ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk. In der Hauptstadtregion ist das der RBB, für den die beteiligten Länder Berlin und Brandenburg am Montag den Entwurf eines neuen Staatsvertrags vorgelegt haben – in einer Zeit, in der diese Unabhängigkeit unter Druck steht.
Der RBB ist wie die anderen acht ARD-Landesrundfunkanstalten zwar finanziert vom Staat über die Rundfunkgebühren, aber eben nicht weisungsgebunden. Basis dafür ist das Grundgesetz, genauer: Artikel 5, Absatz 1, Satz 2. Dieser Satz schreibt nach Auslegung des Bundesverfassungsgerichts für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Vielfalt und „die Wahrung einer hinreichenden Staatsferne“ vor. Das hat seinen Grund: Zwischen 1933 und 1945 war der staatlich gesteuerte Rundfunk eines der wichtigsten NS-Propagandamittel, was die Alliierten nach 1945 zum Aufbau eines Rundfunks nach Vorbild der britischen BBC veranlasste. Doch wieviel Staatsferne ist „hinreichend“?
Fast jede einzelne Festlegung im Staatsvertrag ist im Grunde eine Einmengung. Wieviel darf es sein, wieviel muss es aber auch sein? Denn nach den Enthüllungen über verschiedene Fehlentwicklungen beim RBB – von üppig gewordenen Vergütungen bis hin zu unternehmerischen Fehlplanungen und falschen Schwerpunktsetzungen – kam auch die Frage auf: Hätten die zuständigen Leute in der Berliner Senatskanzlei beziehungsweise der Staatskanzlei in Potsdam nicht, wie auch immer, tätig werden und einschreiten müssen?
Am Montag bei der Vorstellung des neuen Entwurfs fiel dabei der Begriff der Rechtsaufsicht – die Pflicht, sicherzustellen, dass der Sender die Vorgaben des Staatsvertrags einhält.
Rechtsaufsicht? Einschreiten des Staats bei einer formal nicht weisungsgebundenen Stelle? Das erinnert stark an die Debatte über die Pannen bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus und zum Bundestag im September 2021, die zur Wiederholungswahl in diesem Februar führten. Denn die Wahlen zu organisieren, war und ist eben nicht Aufgabe der Senatsverwaltung für Inneres, sondern der Landeswahlleitung. Wann war was zu erkennen, bei dem Rechtsaufsicht und damit ein Eingreifen des Staats gefragt war?
Gedeckeltes Intendantengehalt
Genau das ist auch beim RBB die Frage: Ab wann ist bei der Staatsferne auf „Pause“ zu drücken, weil Dinge aus dem Ruder laufen? Wie stark müssen deshalb die Vorgaben eines Staatsvertrags sein, um als Leitplanken Möglichkeiten zum Eingriff zu bieten? Wie stark dürfen sie zugleich sein, damit ein öffentlich-rechtlicher Sender nicht zum Staatssender zu werden droht.
Viele Passagen im neuen Entwurf enthalten daher ein „soll“ oder noch vorsichtiger ein „sollte“. Lediglich Empfehlungen seien das, war am Montag zu hören. Ob es tatsächlich dazu kommt, liegt weiter in der Hand der von gesellschaftlichen Gruppen wie Parteien und Verbänden besetzten Gremien des Senders. Weit einfacher war es da, das künftige Intendantengehalt zu deckeln, indem es an das gebunden ist, was ein Mitglied des Berliner Senats laut Gesetz verdient.
Dass zu den neuen Leitplanken im Staatsvertrag künftig Vorgaben gehören sollen, wer welche Kompetenzen mitbringen muss, um Mitglied des Verwaltungsrats zu werden, ist grundsätzlich gut. Wobei sich hier wiederum die Frage aufdrängt: Hat es nicht jenseits von vertraglichen Festsetzungen schon immer gesunder Menschenverstand nahegelegt, befähigte Leute in Gremien zu senden? Es braucht kein Gesetz und keine Vorgaben, um zu wissen, dass Menschen eine Unternehmensspitze besser kontrollieren können, wenn sie vorher schon mal eine Bilanz nicht nur gelesen, sondern auch verstanden haben.
Insofern können es diejenigen, die Schriftsätze wie den jetzt vorgelegten RBB-Vertragsentwurf schreiben, nur falsch machen, in die eine wie in die andere Richtung. Dass es nach der Präsentation am Montag keinen solchen Aufschrei gab, deutet darauf hin, dass die beteiligten Staatssekretäre – Benjamin Grimm (SPD) in Potsdam und Florian Graf (CDU) in Berlin – einen Mittelweg gefunden haben, den es bei derart widerstreitenden Interessen eigentlich gar nicht gibt.
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