Queere Filmreihe im Haus der Statistik: Filmkunst als Waffe der Veränderung
Das Sinema Transtopia, liebevoll vom bi'bak Projektraum im Haus der Statistik eingerichtet, öffnet wieder. Los geht es mit „Imagining Queer Bandung“.
Filme nicht nur einfach wegkonsumieren, sondern sich mit ihnen intensiv beschäftigen, sie als Lehrmittel zu begreifen, das hat das Kollektiv bi’bak, was auf Türkisch so viel heißt wie “Schau mal“, im Sinn. Seit September letzten Jahres zeigt es am Haus der Stastik im Rahmen von “Sinema Transtopia“ Filme, die anschließend als Teil der Vorstellung auch diskutiert werden. Nach der langen Kinopause durch die Pandemie ist “Sinema Transtopia“ jetzt wieder da als Open-Air-Kino und wird bis Ende August verschiedene Filmreihen präsentieren.
“Sinema Transtopia“ versteht sich als “transnationaler Raum für Filmkultur, Wissen und Nachbarschaft“, heißt es in einer Selbstbeschreibung, und man wolle “marginalisiertes Wissen“ vermitteln. Dafür hat man vor allem People of color gewinnen können, die Reihen zu kuratieren. Der Anspruch ist, von Unterdrückung, negativen kapitalistischen Auswüchsen, intersektionalem Rassismus und Sexismus, aber auch von Freiheitskämpfen aus den diversesten Perspektiven erzählen zu lassen.
Dafür sind Kurz- genauso recht wie Langfilme. Es werden Dokumentationen gezeigt, aber auch Filme, die für die Kunstgalerie gemacht wurden. Ein politisch engagierteres Filmprogramm als bei “Sinema Transtopia“ wird man in Berlin jedenfalls nirgendwo finden.
Neustart mit Queer Cinema
SİNEMA TRANSTOPIA, Reihe „Imagining Queer Bandung“, bis 3. Juli, Haus der Statistik – Haus B, Otto-Braun-Str. 72.
“My Name’s Untac“ (R: Vana Hem, 2012), im Rahmen des Filmabends “Trans-Gressive“, OmeU, im Anschluss Gespräch mit Elliot Blue und Zoya, Do. 1. Juli, 21:30 Uhr.
„Non, je ne regrette rien (No Regret) „ (R: Marlon T. Riggs, 1992), im Rahmen des Filmabends “Blood and Bounds“, im Anschluss Gespräch mit Ahmad Awadalla, Sarnt Utamachote, Popo Fan und Ragil Huda, Sa. 3. Juli, 21:30 Uhr.
Los geht der Neustart mit der Reihe “Imagining Queer Bandung“, kuratiert von Sarnt Utamachote, Popo Fan und Ragil Huda, in der queere Standpunkte mit Fragen rund um “Race“ verknüft werden. Wie etwa in dem kambodschanischen Kurzfilm “My Name’s Untac“ von Vana Hem aus dem Jahr 2012. In der Doku wird Ladyboy Untac portraitiert, der davon erzählt, wie er als trans Person diskriminiert wurde. Aber was für ihn noch schlimmer war: eine andere Hautfarbe als die anderen zu haben. Denn Untac ist Afro-Kambodschaner:in, der Vater kommt aus Ghana.
Man sieht Untac beim Wäsche aufhängen, in seinem ganz normalen Alltag, und wie er davon berichtet, sich lange aufgrund von internalisiertem Rassismus selbst gehasst zu haben. Man erlebt aber gleichzeitig einen Menschen, der es geschafft hat, sich aus dem Geflecht an Diskriminierungen weitestgehend selbst zu befreien. Untac tritt inzwischen auf bei Drag-Shows, bei denen er es genießt, noch einmal ein Stück weit anders auszusehen als die anderen. Ja, Untac findet sich inzwischen genauso ansehnlich wie die die anderen auch.
Klassiker von Marlon T. Riggs
In eine ähnliche Stroßrichtung geht der eindrucksvoll kunstvolle, nach Edith Piafs Selbstbehauptungshymne benannte Aidsaktivismus-Klassiker “Non, je ne regrette rien (no regret)“ von Marlon T. Riggs aus dem Jahr 1992. Auch hier wird viel von Scham und Diskriminierung berichtet. Davon, was man als queerer Mensch oft zu erdulden hat, erst recht, wenn man HIV-positiv ist, aber auch als PoC. Doch am Ende steht auch hier Stolz und die klare Aussage, sich nicht unterkriegen zu lassen.
Die Dokumentation, die raffiniert Gospelmusik und Poetry in die Erzählungen fünf Schwarzer Männer verwebt, die allesamt HIV-positiv sind, führt zurück in eine Zeit, in der in den USA noch ein weit stigmatisierender Umgang mit der Krankheit vorherrschte. Aids war noch weit tödlicher als heute, Aids galt als die „Schwulenseuche“ und die Portraitierten berichten davon, wie sie mit den Schamgefühlen zu kämpfen hatten, die ihnen von der Gesellschaft eingetrichtert wurden. Einfach nur, weil sie sich unglücklicherweise mit dem Virus infiziert hatten. Sie werden gemieden als Schwule, Kranke und dann auch noch als Schwarze.
Die eingestreute Gospelmusik, in der die Unterdrückungt der Afroamerikaner in den USA besungen wird, sorgt in besonderem Maße dafür, intersektionale Diskriminierung spürbar werden zu lassen. Doch am Ende des Films sagt dann einer der Männer: Ja, er ist krank. Aber er habe den feinsten Sex gehabt, überall, und er habe jede Sekunde davon genossen. Deswegen ein stolzes: “Non, je ne regrette rien“.
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“Imagining Queer Bandung“ soll gesellschaftliche Diskurse neu anstoßen oder fortführen und will Filmkunst als Waffe im Kampf für Veränderungen einsetzen. Man kann dieser sehr besonderen Reihe nur ein großes Publikum wünschen.
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