Putins Dekret für Gaszahlungen in Rubel: Was denn nun?
Rubel, Euro, doch Rubel? Der Zickzackkurs des russischen Präsidenten bei der Bezahlung für Erdgas sorgt bei den Europäern für Fragezeichen.
Lediglich der Zahlungsmodus sei umgearbeitet worden, so steht es auch im Dekret von Putin, das am Donnerstag veröffentlicht wurde: Die EU zahlt in Euro auf ein spezielles Rubelkonto. Hier konvertiert die russische Bank das Geld in Rubel. Kein Moskauer Trotz mehr – und doch die Frage: Ja, was denn nun?
Die Verträge zwischen Gazprom und den EU-Ländern, die russisches Erdgas bekommen und die Russland nach der Einführung europäischer Sanktionen als „unfreundliche Staaten“ ansieht, sehen die Bezahlung in Euro oder Dollar vor. Davon will die EU auch nicht abrücken. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte das bei einem Telefonat mit Putin am Mittwoch nochmals betont – und die Zusicherung des Präsidenten erhalten, dass Europa weiter in Euro bezahlen könne.
Das bekräftigte der Bundeskanzler am Donnerstag nach Bekanntwerden der Dekreterlassung. Für die Unternehmen gelte „auf alle Fälle“, dass sie in Euro zahlen „wollen, können und werden“, so Scholz. Nun will die Bundesregierung die russischen Forderungen prüfen. Man werde sich genau anschauen, was der russische Präsident vorlege.
„Ein kolossaler Schlag für den russischen Staatshaushalt“
Nach Russlands Verständnis hat sich ohnehin nichts geändert: Europa zahlt in Euro auf ein Konto der Gazprombank – die ist nicht von Sanktionen betroffen. Allerdings müssen die EU-Staaten neue Rubelkonten eröffnen. Die Gazprombank wird dabei bevollmächtigt, den Eurobetrag in Rubel zu wechseln und das Geld auf das Rubelkonto zu überweisen. So käme Moskau an seine Rubel. Die Regelung soll ab diesem Freitag gelten.
Exporteure in Russland müssen bereits jetzt innerhalb von drei Tagen, nach Eingang von Zahlungen in Euro oder Dollar, 80 Prozent des Geldes zum Tageskurs in Rubel wechseln. Nun dürften es 100 Prozent sein. Mit diesem Vorgehen will Russland Fremdwährungen kontrollieren. Es sorgt aber vor allem bei russischen Firmen für Einbußen, weil der Rubel instabil ist.
Mit der Neuregelung verlöre Gazprom viel Geld – und der Staat einen großen Teil seiner Einnahmen. „In erster Linie ist Putins Ankündigung, kein Gas mehr nach Europa liefern zu lassen, wenn es nicht in Rubel bezahlt wird, ein kolossaler Schlag für den russischen Staatshaushalt“, sagt der russische Gas-Experte Michail Krutichin im kremlkritischen Radio Echo Moskwy. Der Sender streamt bei Youtube, nachdem er in Russland verboten wurde.
Russlands Zickzackkurs sorgt vielerorts für Verwirrung und Verunsicherung. Auch Scholz’ Versuch, vom Kreml „schriftliche Informationen“ zu bekommen, um „das Verfahren genauer zu verstehen“, zeugt von den Schwierigkeiten der Deutschen, die Volte des Kreml nachzuvollziehen.
Gas ist eine wichtige Exportware Russlands, noch wichtiger als Öl. Das Bestehen auf Zahlungen in Rubel würde die Verträge verletzen, ein Schiedsgericht in Stockholm müsste bei Streit entscheiden. Bis zur Entscheidung könnte es bis zu fünfeinhalb Jahre dauern. Viel zu lang aus russischer Sicht. Dies könnte den Rückzug Moskaus von einer harten Linie erklären.
Russland blickt Richtung China und Indien
Drohungen, den auf Lieferungen aus Russland angewiesenen Europäern das Gas abzudrehen, stehen aber weiter im Raum. 2006, 2009 und 2014 wurden sie schon wahr gemacht. Die EU müsse sich bewusster machen, dass Russland kein zuverlässiger Partner sei, sagt Gasexperte Krutichin. Der russische Parlamentssprecher Wjatscheslaw Wolodin schwadronierte derweil schon davon, auch Waren wie Dünger, Getreide, Metall aus Russland künftig in Rubel zahlen zu lassen.
Politisch orientiert sich Moskau indes nach China und Indien, um der EU zu zeigen, dass es auch ohne sie ginge. Außenminister Sergei Lawrow besuchte Peking am Mittwoch und Neu-Delhi am Donnerstag.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste