Putin zur Kriegslage: „Hauptziel“ Donbass
Beim Wirtschaftsforum in Wladiwostok zeigt sich Russlands Präsident optimistisch. Den US-Wahlen begegnet er mit antisemitischer Verschwörungsideologie.
Die Menschen, vor allem in der Region Kursk, verlassen gerade nur mit dem, was sie am Leib tragen, ihre Häuser, weil die ukrainische Armee Tausende Quadratmeter dieser Region kontrolliert. Sie stranden in Flüchtlingsunterkünften, Zukunft ungewiss.
In anderen Teilen des Landes verpflichten sich Menschen als Soldaten, weil Millionen Rubel sie locken und die russische Propaganda sie glauben macht, sie verteidigten als Helden ihr Vaterland. Die Mütter dieser Neusoldaten wissen, dass sie ihre Söhne verlieren werden, und reden sich gleichzeitig ein, es werde diesen schon nichts passieren. Eine Strategie der Beschönigung, um sich den Verbrechen der Söhne und des eigenen Staates nicht stellen zu müssen.
Zynismus und Beschönigungen
Beschönigen, verdrehen, dazu zynisch lachen, das beherrscht auch Russlands Präsident, wie er in Wladiwostok zeigt. Beim US-Wahlkampf unterstütze er natürlich Kamala Harris, sagt er, und überrascht damit offensichtlich einige. Seine Körpersprache, sein verächtliches Lächeln verraten allerdings, dass Putin sich über die US-amerikanische Präsidentschaftskandidatin lustig macht. Sie habe so ein ansteckendes Lachen, sagt einer, dem gerade das fehlt. „Es geht ihr also gut. Das wird sie hoffentlich davon abhalten, gegen unser Land so viele Sanktionen einzuführen wie einst Präsident Trump.“ Dann wartet er auf die nächste Frage.
Dass die Ukraine Teile der russischen Region Kursk besetzt hält, die erste Eroberung russischen Territoriums seit 1941, erwähnt er fast beiläufig. „Der Feind wollte uns nervös machen und dazu bringen, Truppen zu verlegen und unsere Offensive im Donbass zu stoppen. Doch die Befreiung des Donbass ist unser Hauptziel“, sagt Putin. Dann driftet er ab. „Ich habe den Eindruck, dass die, die die Ukraine regieren, entweder Außerirdische oder Ausländer sind“, sagt er und bedient sich damit antisemitischer Verschwörungstheorien.
Rechtsesoterische Weltverschwörungstheorien
Der weltweit populäre rechtsesoterische Brite David Icke beschreibt in seinen Schriften reptilienähnliche Außerirdische, die aus unterirdischen Bunkern heraus politische Prozesse kontrollieren. In Russland verbreitete der Antizionist Waleri Jemeljanow bis zu seinem Tod 1999 die Theorie der Weltverschwörung durch reptilienartige Außerirdische und schwadronierte über die Überlegenheit der russischen Nation.
Putin bedient sich nicht zum ersten Mal antisemitischer Sprüche. Den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bezeichnete er einst als „Schande des jüdischen Volkes“. Das hätten ihm „jüdische Freunde“ gesagt. Ein antisemitischer Klassiker.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste