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Putin will Verhandlungen mit UkraineEuropa muss nicht nur zugucken, sondern konsequent sein

Anastasia Magasowa
Kommentar von Anastasia Magasowa

Der russische Präsident Putin sucht keinen Kompromiss. Er sucht ein günstiges Format, um die Ukraine zur Kapitulation zu zwingen.

Zuggucken reicht nicht aus, Keir Starmer, Friedrich Merz und Emmanuel Macron müssen handeln, um Putin in die Schranken zu weisen Foto: Kay Nietfeld/dpa

D en von der Ukraine ausgearbeiteten Vorschlag einer bedingungslosen Waffenruhe hat der Kremlchef erwartungsgemäß ignoriert. Eine 30 Tage lange Feuerpause ab dem 12. Mai sollte der erste Schritt zur Aufnahme von Friedensverhandlungen sein. Stattdessen setzte Wladimir Putin in seiner nächtlichen Ansprache an die ukrainische Seite ein Treffen in Istanbul für den 15. Mai „ohne Vorbedingungen“ an.

Ein solches bilaterales Format gab es schon, letztmalig im Frühjahr 2022. Es wurde damals abgebrochen, da Russland keinen Dialog mit der Ukraine suchte, sondern lediglich eine Liste mit Forderungen für ihre faktische Kapitulation vorlegte. Drei Jahre später bleiben diese Bedingungen für eine Beendigung der russischen Aggression unverändert: Annexion ukrainischer Gebiete, Aufhebung der Sanktionen, Neutralität der Ukraine sowie ihre Entmilitarisierung und „Entnazifizierung“.

Die Verhandlungen in Istanbul sind für Putin ein sehr günstiges Format. Weigert sich die Ukraine, die absurden russischen Forderungen zu erfüllen, kann Putin sie für das Scheitern der Friedensverhandlungen verantwortlich machen. Putin stellt sich als großzügigen Diplomaten dar, der angeblich Frieden anbietet – aber eigentlich den Krieg weiterführen will.

Trotz der enthusiastischen Kommentare aus verschiedenen Hauptstädten der Welt zum historischen Durchbruch in den Verhandlungen gibt es in Wirklichkeit keine neuen Inhalte: Die Ukraine ist nicht bereit, über die Bedingungen ihrer Kapitulation zu sprechen, und Russland will von seinem Ziel, die ukrainische Staatlichkeit zu zerstören, nicht abrücken. Es handelt sich nicht mehr um ein Schach-, sondern um ein Pingpongspiel, bei dem die eine Seite Bedingungen stellt, die für die andere Seite inakzeptabel sind. Und dennoch werden sie einfach wiederholt. Aus dieser Sackgasse kann nur ein Schiedsrichter herausführen, sonst geht das Hin und Her endlos weiter.

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In der aktuellen Situation bedeutet dies, dass die westlichen Partner konsequent sein müssen, falls Putin sich weigert, in einen Waffenstillstand einzuwilligen. In diesem Fall sollten sie bereits am 12. Mai verschärfte Sanktionen gegen Russland verhängen. Ob Friedrich Merz, Emmanuel ­Macron, Keir Starmer und Donald Tusk entschlossen genug sind und ob sie Donald Trump überzeugen können, sich ihnen anzuschließen, wird den weiteren Verlauf der Verhandlungen maßgeblich bestimmen. Wahrscheinlicher ist jedoch ein weiteres inhaltsloses Treffen in Istanbul, das nur um des Treffens willen stattfindet und nicht der Suche nach einem wirklichen Weg zum Frieden dient.

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Anastasia Magasowa
Anastasia Rodi (Magazova) ist 1989 auf der Krim (Ukraine) geboren. Studium der ukrainischen Philologie sowie Journalismus in Simferopol (Ukraine). Seit 2013 freie Autorin für die taz. Von 2015 bis 2018 war sie Korrespondentin der Deutschen Welle (DW). Absolventin des Ostkurses 2014 und des Ostkurses plus 2018 des ifp in München. Als Marion-Gräfin-Dönhoff-Stipendiatin 2016 Praktikum beim Flensburger Tageblatt. Stipendiatin des Europäischen Journalisten-Fellowships der FU Berlin (2019-2020) in Berlin. 2023 schloss sie ihr Studium am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin ab. Sie hat einen Master of Arts (Politikwissenschaft). Als Journalistin interessiert sie sich besonders für die Politik in Osteuropa sowie die deutsch-ukrainischen Beziehungen. Von den ersten Tagen der Annexion der Krim bis heute hat sie mehrere hundert Reportagen über den Krieg Russlands gegen die Ukraine geschrieben.
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8 Kommentare

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  • "Weigert sich die Ukraine, die absurden russischen Forderungen zu erfüllen, kann Putin sie für das Scheitern der Friedensverhandlungen verantwortlich machen. Putin stellt sich als großzügigen Diplomaten dar, der angeblich Frieden anbietet"



    Kommt halt vielfach gut an in Deutschland, das weiß Putin allzu genau. Wenn ich daran denke, wie regelmäßig allein hier im Forum das Istanbul-Märchen (nebst ähnlichen) immer wieder neu aufgetischt wird.

  • Danke für diesen treffenden Beitrag

  • "Die Ukraine ist nicht bereit, über die Bedingungen ihrer Kapitulation zu sprechen, und Russland will von seinem Ziel, die ukrainische Staatlichkeit zu zerstören, nicht abrücken. Es handelt sich nicht mehr um ein Schach-, sondern um ein Pingpongspiel, bei dem die eine Seite Bedingungen stellt, die für die andere Seite inakzeptabel sind."



    Sehr gut auf den Punkt gebracht👍



    Und es fehlt beiden Seiten an überzeugten Unterstützern.



    Europa tut seit Jahren nur so viel, dass die Ukraine nicht verliert. China wiederum stützt Russland auch nur halbherzig.



    Und die USA unter Trump fahren einen Schlingerkurs - erst Selenski vorgeführt, jetzt Putin kritisierend.



    Keine Seite kann die Oberhand erringen, ein klassisches - in diesem Fall auch tödliches - Patt.

  • Die Realität hat den Artikel überholt.



    Selensky agiert sehr geschickt, indem er Putins Vorschlag annimmt und sagt, er sei am Donnerstag in Istanbul und warte dort auf Putin.



    Da gibt es für den Kremelchef eigentlich keine Ausreden mehr, schließlich hat er selbst den Vorschlag gemacht.



    In einer Welt des Testosterons würde es als



    " Feigheit vor dem Feind" gewertet, wenn Putin nicht auftauchte.



    Die Rochade des ukrainischen Präsidenten ist auch deshalb zeitgemäß, da sich zu Viele Akteure in den Vordergrund drängen.



    Allen Voran trump, der Frieden vortäuscht, wo er nur Geschäfte wittert.



    Von seinen Versprechen ist nicht viel übrig und wie ein Waffenstillstand ausgeht, in dem er mitmischt, sieht man/frau in Gaza.



    Der frischgebackene Kanzler dachte auch, er könne sich mit einem Zugticket verlorene Sympathien erkaufen.



    Doch so leicht ist Diplomatie dann doch nicht.



    Ich wünsche Selensky alles Gute und Erfolg in seinem Bestreben nach Frieden.



    Auch wenn Putin eine Gefahr bleibt, das tägliche Blutvergießen ist keine Lösung.

  • Verhandlungen sind erst einmal Verhandlungen und kein Diktat. Dass solche wieder möglich sein könnten, sollte wahrgenommen werden.

  • "Wahrscheinlicher ist jedoch ein weiteres inhaltsloses Treffen in Istanbul, das nur um des Treffens willen stattfindet und nicht der Suche nach einem wirklichen Weg zum Frieden dient."

    Natürlich kann das sein. Es wäre ja “bemerkenswert“, wenn Putin sich zum jetzigen Zeitpunkt auf Verhandlungen einlässt. Trotzdem sollte man nach jedem "Strohhalm" greifen. Etwas was man auch schon in den Jahren davor hätte tun sollen. Ein Waffenstillstand wäre wünschenswert, jedoch sollte man davon nicht Verhandlungen abhängig machen, schließlich gab es bei vielen Verhandlungen keinen Waffenstillstand davor.



    Anders als bei den letzten bilateralen Verhandlungen sollten die Unterstützer jedoch indirekt auch an den Verhandlungen teilnehmen.

  • Wenn man sich die Schlachtfeldkarte anschaut, dann ist Putin eindeutig in der Position der Stärke und nicht die Ukraine oder der Westen.



    Keine Ahnung, warum man denkt, dass der aktuell Schwächere Bedingungen stellen kann.. Geht mir nicht in den Kopf... Wirklich nicht. Ist doch irrational. Warum tun alle so, als würde das Sinn geben?

    • @Petzi Worpelt:

      Eigentlich ist die Lage noch dramatischer. Bei den Gesprächen von 2022 war Russland noch bei weitem nicht soweit ins Land vorgedrungen, es gab Tausende weniger Tote und es gab noch keinen USA Zufallspolitiker.



      In den knapp 3 Jahren haben sehr viele Menschen ihr Leben gelassen für Ziele, die auch heute nicht realistischer sind. Auch wenn es natürlich hart ist, es ist doch unrealistisch zu glauben, Putin würde auf viele seiner Forderungen verzichten, nur weil man den sogenannten Druck erhöht (Putin verkauft noch immer Gas in die EU, daran wird sich kurzfristig nichts ändern und nichts ändern lassen), der Handel mit Uran geht ungehindert weiter, ....



      Die Folgen für die EU sind ja schon jetzt unübersehbar, und werden bei weiteren Verschärfungen lediglich die Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung der Ukraine untergraben, ohne große Wirkung zu zeigen.



      Und auf einen amerikanischen Papiertiger, der sich bei jedem Windzug dreht, ist auch kein Verlass.



      Der Westen ignoriert komplett, dass Putin NICHT isoliert ist, da weder China, noch Indien, Afrika oder große Teile Südamerikas eine klare Position beziehen, und ihre Handelsbeziehungen mit der Russland weit über den Frieden stellen.