Psychische Krankheiten in Südafrika: Ein Psychiater für 150.000 Patienten

Ein Drittel der südafrikanischen Bevölkerung gilt als psychisch krank. Angebote zu Behandlung und Pflege sind teils menschenunwürdig.

Eine Frau in einem Wickelkleid trägt einen Eimer

Hohe Arbeitslosigkeit, Armut, mangelnde Zugehörigkeit in den Townships liegt vielen Erkrankungen zugrunde Foto: dpa

BERLIN taz | Südafrika braucht dringend bessere Betreuung für psychisch Kranke. Seit Ende der Apartheid vor einem Vierteljahrhundert sind keine neuen Einrichtungen für die Psychiatrie entstanden. Das bedeutet eine große Belastung für die normalen Krankenhäuser, bestätigten Gesundheitsexperten jüngst auf einer Fachkonferenz in Johannesburg. Einer von drei Südafrikanern wird im Laufe seines Lebens psychisch krank,.

„Unsere Kapazitäten sind extrem limitiert“, sagt Professor Bernard van Rensburg, Präsident der südafrikanischen Gesellschaft für Psychiatrie (­SASOP). „Wir brauchen mehr Personal und Teams, die psychosoziale Hilfe in den Gemeinden leisten können. Es gibt einen großen Mangel, besonders in den Gemeinden und auf dem Land.“

Aus einer Studie von Eugene Allers aus dem Jahr 2012 ging hervor, dass es nur 320 praktizierende Psychiater in Südafrika gibt – also im Durchschnitt einen für 150.000 Menschen. Rund 200 der 320 arbeiten im privaten Gesundheitswesen, das nur 15 Prozent der Bevölkerung abdeckt. Während die privaten 200 Psychiater 33.000 Patienten behandeln, müssten sich 440.000 weitere Erkrankte die restlichen 120 im staatlichen System teilen.

„Achtzig Prozent der anfälligen Gruppen besitzen keine Krankenversicherung“, sagt van Rensburg und erklärt den Mangel im staatlichen System: „In Johannesburg haben wir vier Distrikte, und in jedem ist nur ein einziger Psychologe zuständig.“

Laut van Rensburg folgt Südafrika dem globalen Trend: Die Zahl psychisch kranker Menschen nimmt zu. Bipolare Störungen betreffen ein Prozent der 56 Millionen Südafrikaner. Depressionen sind wesentlich häufiger, auch Angstpsychosen – häufig in Verbindung mit Alkoholmissbrauch. Die hohe HIV-Infektionsrate wirkt sich zusätzlich aus.

Nur ein Patient starb an einer psychischen Erkrankung

Studien zufolge sollen rund 30 Prozent der Südafrikaner in ihrem Leben psychisch erkranken und derzeit 17 Millionen psychisch krank sein. Zu den besonderen Faktoren in Südafrika zählt das Erbe der Apartheid und die gravierende soziale Ungleichheit. Hohe Arbeitslosigkeit, Armut, Gewalt und mangelnde Zugehörigkeit in rapide wachsenden Townships liegt vielen Erkrankungen zugrunde.

Bezeichnend ist, dass der größte Psychiatrieskandal des Landes bisher nur begrenzte Konsequenzen nach sich gezogen hat. Der Tod von 94 Psychiatriepatienten in der Provinz Gauteng rund um Johannesburg war im Februar in einem Bericht des Ombudsmannes der Gesundheitsbehörde ans Licht gekommen.

Mehr als 1.300 Psychiatriepatienten hatten Pflege in den Einrichtungen des öffentlich-privaten Trägers Life Esidemeni – eine Kette von Pflegeheimen für chronisch Kranke – bekommen, wurden dann aber in 27 nichtstaatliche Einrichtungen verlegt, die über keine Ärzte oder kein qualifiziertes Personal verfügten und in denen es manchmal nicht einmal Essen, Wasser, Medikamente oder eine Heizung gab. Manche hatten keine Betriebsgenehmigung.

Laut Untersuchungsbericht starb nur einer der Patienten an einer psychischen Erkrankung. Die anderen starben an Herzinfarkten, epileptischen Anfällen, Hunger, Wundbrand, Dehydration und Durchfallerkrankungen. Am schlimmsten waren die Zustände in dem Haus Precious Angels – dort starb ein Drittel der überführten Patienten innerhalb eines Monats.

Todesursache: Natürlicher Tod. – Zweifelhaft.

Der Bericht spricht von chaotischen Zuständen, angefangen mit dem Transport auf Ladeflächen von Kleinlastern. Laut Bericht hätten die Einrichtungen täglich 112 Rand pro Patient (8 Euro) zur Verfügung gehabt; in der Klinik Esidimeni waren es zuvor 320 Rand gewesen.

Die Gesundheitsministerin von Gauteng war damals zurückgetreten, auch der Leiter des Gesundheitsamtes in Johannesburg war suspendiert worden. Untersuchungen laufen noch, es drohen Klagen wegen grober Fahrlässigkeit.

Gautengs neuer Gesundheitsminister, Aaron Motsoaledi, wartet immer noch auf den Abschlussbericht der Untersuchung, die im März begann. „Wenn der Bericht des Tribunals vorliegt, kann der Minister das Nötige in die Wege leiten“, sagte sein Sprecher Joe Maila am Dienstag. Im Mai hatte der Minister 14 der 27 psychiatrischen Einrichtungen der Provinz geschlossen.

Den Hinterbliebenen dauert das zu lange. „Wir sind echt verärgert“, sagt Lucas Mogwerane, dessen Bruder vor einem Jahr in einer der Einrichtungen verstarb. In der Sterbeurkunde steht als Todesursache: natürlicher Tod. Er bezweifelt das.

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