Prüfung der Bremer Asyl-Entscheidungen: Ausgebamft
Nur ein Bruchteil der Entscheidungen in der sogenannten Bamf-Affäre muss zurückgenommen werden. Was ist noch übrig vom Skandal?
Wobei Widerruf nicht einmal heißt, dass irgendetwas „zu Unrecht“ gewährt worden wäre, sondern nur, dass sich inzwischen die Rechtslage geändert hat, weil es beispielsweise im Herkunftsland sicherer geworden sei. Wie viele der 4.500 Akten bereits abschließend geprüft wurden, ist unklar, offiziell unbestätigt soll es sich um eine Zahl im höheren dreistelligen Bereich handeln – ergibt also 13 Rücknahmen auf wenigstens 501 Fälle, das entspricht gerade einmal 2 Prozent.
Das ist für eine Behörde keine schlechte Quote, vor allem, wenn man sich anschaut, wie überbelastet die Außenstellen des Bamfs 2015 waren.
Für alle, die sich überhaupt nicht mehr an den Bamf-Skandal erinnern: Mitte April skandalisierten Medien, dass es in der Bremer Außenstelle der Behörde positive Asylbescheide ohne rechtliche Grundlage gegeben haben soll. Die ehemalige Leiterin Ulrike B. habe in Zusammenarbeit mit drei Anwälten in mindestens 1.200 Fällen unrechtmäßig Asyl erteilt. Die Staatsanwaltschaft ermittele auch wegen Korruption. Ganze Busladungen von Asylbewerbern seien nach Bremen gebracht worden, um dort entscheiden zu lassen.
Nur noch wenig übrig
Schon Anfang Juni war davon wenig übrig: Ein interner Bericht der interimsmäßigen Behördenleiterin FDP-Politikerin Josefa Schmid war fehlerhaft. Aus „3.332 unzulässigerweise in Bremen bearbeiteten Asylanträgen“ wurden 578 Asylentscheidungen, die möglicherweise widerrufen werden müssen – aber nicht, weil sie falsch sind, sondern weil die Rechtslage sich geändert hat. Ulrike B. bestreitet über ihren Anwalt die Vorwürfe, von Korruption könne keine Rede sein.
Dass in Bremen Entscheidungen für andere Außenstellen getroffen wurden, war 2015 angesichts der Überlastung der Behörde vollkommen normal und von den Behördenchefs gewollt. Bremen sollte dem Umland helfen. Busse dafür hatte etwa die Stadt Cuxhaven bestellt. Zuständig war Bremen auch für Fälle aus den niedersächsischen Landkreisen Verden und Osterholz-Scharmbeck, wie aus Dokumenten des Bamf und der Antwort auf eine Landtags-Anfrage, die der taz vorliegen, hervorgeht.
In vielen der Fälle ging es um Jesid*innen, die 2015 angesichts des drohenden Genozids durch den IS bundesweit eine hohe Schutzquote hatten. Für diese Personengruppen waren daher verkürzte Verfahren vorgesehen – auch das war eine Anweisung der Leitung der Bundesbehörde.
Negative Bescheide sind kein Skandal
Die Bremer Außenstelle des Bamf wurde nach Bekanntwerden der „Affäre“ sofort geschlossen, zahlreiche Ermittler sichten bis heute auf Druck des Innenministeriums positive Asylbescheide seit dem Jahr 2000. Negative Asylbescheide werden nur stichprobenartig geprüft, obwohl diese deutlich häufiger auftreten und zuletzt fast jede zweite Klage gegen eine Ablehnung Erfolg hatte. Das allerdings wird nicht skandalisiert.
In der Gesamtschau kritisiert die Linken-Abgeordnete Jelpke dann auch folgerichtig, dass nun Schluss sein müsse mit dem Gerede über einen angeblich großen Bamf-Skandal.
Unterm Strich bleibt mediales Versagen: ein Recherchenetzwerk, das nicht recherchiert. Ein Innenminister Horst Seehofer (CSU), der der Skandalisierung nichts entgegensetzte, obwohl seinen Fachleuten vollkommen klar gewesen sein musste, dass es 2015 normal und durch die Bamf-Leitung gewünscht war, dass Außenstellen sich gegenseitig aushelfen. Eine neue Bamf-Leitung, die vermutlich die Ablehnungsquote in den Höhe treiben wird. Und natürlich ein insinuierte Unsicherheitsgefühl der rechten Hetzer*innen, das bar jeder Fakten auch noch in Talkshows breiter getreten wird – alles auf dem Rücken von Menschen, die Schutz suchen.
Zudem wurde mit der Stilllegung der Bremer Außenstelle gleichzeitig die dortige Integrationsabteilung geschlossen, die Sprachkurse und Integrationskurse für Neu-Bremer*innen vermittelte. Wochenlang passierte dort gar nichts, erst vor wenigen Wochen wurden die Aufgaben an die Außenstelle Oldenburg delegiert. Inzwischen sollen die Mitarbeiter*innen dort nun ihre Arbeit wieder aufnehmen, wie das Bamf der taz mitteilte. Von einem Normalbetrieb ist die Außenstelle Bremen trotzdem noch immer weit entfernt: Derzeit werden Bremens Asylbewerber in ganzen Busladungen nach Bad Fallingbostel gebracht.
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