piwik no script img

Prozess um UmweltschutzNorwegen will Fjord vermüllen

Die norwegische Regierung hat einem Bergbauunternehmen erlaubt seinen Grubenabfall im Gewässer zu entsorgen. Umweltschützer sind vor Gericht gezogen.

Hier in Førdefjord möchte das Bergbauunternehmen Nordic Mining den Grubenabfall seiner geplanten Mineralgewinnung entsorgen Foto: Kiedrowski, R./picture alliance

Härnösand taz | Wann wird ein industrielles Vorhaben so wichtig für die Öffentlichkeit, dass dies schwerer wiegt als die Umweltschäden, die es anrichtet? Anders gefragt: Darf das Bergbauunternehmen Nordic Mining den Grubenabfall seiner geplanten Mineralgewinnung an der norwegischen Westküste im Førdefjord entsorgen? Regierung und Umweltorganisationen standen sich am Mittwoch vor dem EFTA-Gerichtshof in Luxemburg in dieser Frage gegenüber. Der Gerichtshof waltet über die Anwendung des EU-Rechts in Norwegen, Island und Liechtenstein, den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR).

Die nötigen Genehmigungen für die Mülldeponie im Fjord hatte Nordic Mining nach und nach vom norwegischen Staat bekommen – 2022 meldete das Unternehmen, es werde nun mit dem Bau der Grube am Berg Engebø beginnen. Eine Klage des norwegischen Naturschutzverbandes und der Organisation „Natur og Ungdom“ scheiterte in erster Instanz.

Jetzt erhofft sich das Berufungsgericht mehr Klarheit durch eine Einschätzung aus Luxemburg: Wie genau ist die EU-Wasserrahmenrichtlinie, die auch für das EWR-Land Norwegen gilt, auf diesen Fall anzuwenden? Und wenn die Regierung dabei einen Fehler gemacht hat: Sind die Genehmigungen dann ungültig?

Das ist die Hoffnung der klagenden Umweltschutzverbände. Vorab hatten sie sich optimistisch gegeben: Für eine Ausnahmeregelung gemäß der EU-Richtlinie reiche das Versprechen auf ein paar neue Arbeitsplätze und mehr Steuereinnahmen nicht aus, und diese Einschätzung werde auch von der EU-Kommission und EWR-Überwachungsorgan ESA geteilt.

taz.de mit neuem Layout

Hier sieht alles ungewohnt aus? Stimmt, seit Dienstag, 15.10.2024, hat die taz im Netz einen rundum erneuerten Auftritt. Damit stärken wir, was die taz seit Jahrzehnten auszeichnet: Themen setzen und laut sein. Alles zum Relaunch von taz.de, der Idee dahinter und der Umsetzung konkret lesen Sie hier.

„Eine Ausnahmeregelung, würde den Sinn der Wasserdirektive, europäische Gewässer zu schützen, völlig untergraben“

Juristisch ging es nun um die Frage, was in der Richtlinie mit „übergeordnetem öffentlichen Interesse“ gemeint ist, das eine Ausnahme möglich machen könnte. Umweltorganisationen und EU-Kommission betonten vor Gericht erneut, dass die üblichen wirtschaftlichen Vorteile, die ein Ort durch die Ansiedelung privatwirtschaftlicher Unternehmen erfährt, nicht in diese Kategorie fallen. „Wenn das reichen würde für eine Ausnahmeregelung, würde das den Sinn der Wasserdirektive, europäische Gewässer zu schützen, völlig untergraben“, stellte Anwalt Amond Noss fest.

Die betroffene Gemeinde und die Region Sunnfjord könnten auch nicht als bedürftige, abgelegene Gegend beschrieben werden. Dass die Regierung dies als Grund für die wirtschaftliche Bedeutung der Grube anführte, kommentierte Noss in der Liveübertragung des Verfahrens mit: „Wir sind nicht beeindruckt.“

Die Arbeitslosigkeit sei dort traditionell ausgesprochen niedrig, die in der Bauphase angefallenen lokalen Arbeitsplätze seien temporär, die Grube bedrohe stattdessen andere Wirtschaftszweige wie den Tourismus. Noss betonte zudem, dass die Regierung ihre Argumentation nicht im Nachhinein verändern könne, um sie den Regeln anzupassen. Entscheidungsgrundlage für das Gericht müsse die Begründung zur Zeit der Genehmigungen bleiben. Lorna Armati, Vertreterin der EU-Kommission, gab ihm recht: „Im Nachhinein mit einer guten Geschichte zu kommen, das ist einfach nicht ausreichend.“

Die norwegische Regierung verweist auf die Nutzung des Rohhstoffs Rutil für die Waffenproduktion

Der Vertreter der norwegischen Regierung, Henrik Vaaler, hatte argumentiert, dass Rutil, welches Nordic Mining abbauen will, ein kritischer Rohstoff sei für die Titanproduktion und damit für Waffenproduktion unerlässlich. Er wies auf die aktuelle Sicherheitslage seit Beginn des Ukrainekriegs hin, als Begründung für ein übergeordnetes öffentliches Interesse dieses europäischen Rutilabbaus. Dieses Argument hatte bei der Erteilung der Genehmigung aber keine Rolle gespielt. Noss warf der Regierung vor zu unterschlagen, dass der allergrößte Anteil des weltweiten Rutilvorkommens für die Produktion weißer Farbpigmente benutzt würde, nicht für Titan.

Proteste gegen die Pläne gibt es seit 2014. Neben lokalen Akteuren und nationalen Naturschutzorganisationen hatte sich auch das staatliche Meeresforschungsinstitut in Norwegen gegen den geplanten Grubenabfall mit Schwefelsäure, Schwermetallen und Titan-Nano-Partikel im Fjord ausgesprochen.

Mit der Einschätzung des EFTA-Gerichtshofs rechnen die Anwälte im ersten Quartal 2025. Nach bisher geltender Genehmigung könnte Nordic Mining frühstens Mitte kommenden Jahres das Abfallrohr zum Fjord installieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ja, so ist das im schönen Norwegen, wemns der Wirtschaft dient. In den Oslofjord darf auch was rein, Rüstung ist wichtig. Wie überhaupt Wasser ideal ist, man sieht nichts oder fadt nichts, bisschen Damm und 3ine Sztomleitung hie und da.



    Windräder hingegen, das geht gar nicht.

    • @Momo33:

      Nicht nur in Norwegen...

      • @Erfahrungssammler:

        Nur hat Norwegen das ganz große Naturimage. Anspruch und Wirklichkeit klaffen besonders auseinander.

    • @Momo33:

      Bei Walfang und dem Abbau von Bodenschätzen vom Meeresboden sind die Norweger*innen auch nicht zimperlich. Doch warum auch sollten sie? Es ist -wieder mal- der Europäischer Wert: Profit. Sonst nix. Ich werde nicht mehr mein Urlaubsgeld dort ausgeben, ganz sicher nicht.

      • @Perkele:

        Kommt es wirklich auf den einen Fjord an, bei dem das jetzt neu beschlossen wird? Weil die Norweger nutzen ihre tiefen Fjorde schon seit Jahrzehnten als Deponien, nicht nur für Schutt, sondern auch anderen Sondermüll, wie mir Einheimische vor Jahren bestätigten. Ebenso wird gerne auch mal ein altes Auto oder ähnlicher Schrott einfach in den Wald zum verrosten gestellt. Es fällt eben nur nicht so auf, weil dort wenig Menschen in viel Land siedeln.