Prozess nach Anschlag auf Linken-Büro: Wirklich nur eine Böllerei?
Ein Paar soll das Linkenbüro in Oberhausen mit Sprengstoff zerstört haben, gefunden wurden Nazi-Devotionalien. Doch es verneint ein politisches Motiv.
Laut einer Gerichtssprecherin soll ein Schaden von mehr als 6.000 Euro entstanden sein. „Fast genauso schlimm war, dass unsere politische Arbeit nur eingeschränkt stattfinden konnte“, sagt Fraktionsmitarbeiter Henning von Stolzenberg vor Prozessbeginn am Rande einer Kundgebung vor dem Landgericht der taz.
Obwohl bei einer Durchsuchung der gemeinsamen Wohnung des Duos im Februar dieses Jahres Bilder von Adolf Hitler und andere verfassungsfeindliche Devotionalien sichergestellt wurden, bestritten Thomas L. und Nina S. am Montag vor Gericht vehement ein politisches Motiv der Tat. Beide sitzen seit rund sechs Monaten in U-Haft und beteuerten, der rechten Szene abgeschworen zu haben. Thomas L. befindet sich laut eigener Aussage in einem „Aussteigerprogramm“.
Ob die Angeklagten aus politischen Motiven heraus handelten oder nicht, kann Auswirkung auf das Strafmaß haben. So oder so droht den beiden Beschuldigten eine Strafe von einem bis zu 15 Jahren.
Angeklagter spricht von „Schnapsidee“
Der nächtliche Anschlag auf das Linken-Zentrum sei nicht geplant gewesen, behaupteten beide Angeklagten am Montag. Man habe nur auf einer öffentlichen Fläche sehen wollen, wie die „Böller“ hochgehen, erklärte Nina S., eine kleine, tätowierte Mittdreißigerin. „Wir wollten nichts kaputt machen.“ Ihre Aufgabe sei es gewesen, Schmiere zu stehen, für die Tat, die ihr Freund Thomas L. verübte.
In der Nacht auf den 5. Juli 2022 sei sie mit Thomas L. und ihrem Hund planlos durch die Innenstadt getingelt. „Natürlich wollten wir die Böller ausprobieren“, gibt Nina S. zu. Das Parteibüro der Linken habe auf ihrem Weg gelegen. „Es war eine sinnlose Schnapsidee, eine dumme Kurzschlussreaktion“, nuschelt Thomas L., der früher als Schlosser arbeitete.
Die „Böller“ aber waren ein wuchtiger Sprengkopf, unter anderem aus Gas und Kalium. Auch als Zeugen geladene Polizisten sprachen von einer „heftigen Detonation mit einer großen zerstörerischen Wirkung“.
Linke kritisiert schleppende Ermittlungen
Die Linke ist nach wie vor schockiert ob der Vorkommnisse von vor zwei Jahren. Viel mehr aber ist sie es aktuell wegen der aus ihrer Sicht schleppenden Ermittlungen und ungenügenden Informationsweitergabe seitens des Landgerichts Duisburg.
Für die Oberhausener Linken stand schnell fest, welche Gesinnung die Täter haben mussten. Immer wieder habe es Vorfälle rund um das Oberhausener Parteibüro wie „rechtsextreme Schmierereien und kleinere Sachbeschädigungen“ gegeben. Diesen Hinweisen sei von der Polizei allenfalls „halbherzig“ nachgegangen worden.
Nachdem das LKA nach dem Anschlag mit der Ermittlungskommission „Elsass“ erfolglos „in alle Richtungen“ ermittelt hatte, wurde das Verfahren im Juli 2023 eingestellt. Nur durch „Kommissar Zufall“, wie es ein Polizist vor Gericht am Montag aussagte, wurden während einer Hausdurchsuchung wegen illegalen Besitzes von Betäubungsmitteln im Februar 2024 bei dem Pärchen Hinweise zu dem Anschlag auf das Linke-Zentrum gefunden.
Vom Tag des Anschlags bis heute sei die Linke als Betroffene nur „schleppend bis gar nicht informiert“ worden, kritisiert die Partei. Mehrfach sei ihnen nach der Festnahme der Rechtsextremen eine Akteneinsicht verwehrt worden. Das Landgericht begründet dies mit „prozessinternen Vorgängen“ und dass zuerst die Verteidiger die Akte erhalten müssten.
Die Akte erreichte die Linke schließlich erst zehn Tage vor Prozessbeginn und über den Prozesstermin wurde sie im Vorfeld nach eigener Darstellung nicht informiert. Das bestreitet das Gericht. „Alles ist so gelaufen wie sonst auch“, sagte die Sprecherin.
Eine Nebenklage der Linken wurde von der Kammer abgelehnt, da keine körperlichen oder gar seelischen Beeinträchtigungen aufgrund der Tat vorliegen. Das sei laut Vorsitzendem Richter bei einer Sachbeschädigung nicht der Fall. Etwaige Schadensersatzansprüche kann die Linke Liste Oberhausen aber sehr wohl noch geltend machen.
Am Dienstag in einer Woche wird der Prozess vor dem Landgericht Duisburg fortgesetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner