Prozess gegen Pegida-Anführer: Die Bachmann-Show in Dresden
Der Prozess wegen Volksverhetzung in Dresden beeindruckt den Pegida-Anführer kaum. Die Besucher liefern einen tiefen Einblick ins Milieu.
Staatsanwalt Tobias Uhlemann wirft ihm deshalb eine Störung des öffentlichen Friedens und einen Angriff auf die Menschenwürde vor.Zu diesem Zeitpunkt lief für den mehrfach wegen Einbruch, Diebstahl, Körperverletzung und Drogenbesitz vorbestraften Bachmann noch eine Bewährungsfrist.
Einen Einblick in das Pegida-Milieu, weit tiefer als jede Studie bisher, lieferten derweil die etwa 60 Demonstranten und Prozessbesucher. Glühende Verehrer des narzisstischen Selbstdarstellers, die nur mit Mühe an ständigen Beifallskundgebungen gehindert werden konnten und die die kriminelle Karriere ihres Idols nicht interessiert. Größtenteils höhere Jahrgänge von sächsischer Einfalt, Vulgarität und unverkennbarer Ost-Prägung: „Solch einen Kindergarten hätte es in der DDR nicht gegeben“, tönte es.
Der Angebetete und seine Frau Viki, eine ehemalige Stripperin, erschienen im Saal mit einer Tarnbalkenbrille, wie sie zur Unkenntlichmachung von Gesichtern in Medien üblich ist. Bachmann sprach am ersten Verhandlungstag nicht selbst, gerierte sich aber in der bekannten unerschütterlichen Chuzpe und Arroganz.
Der inkriminierte Facebook-Chat gelangte im Januar 2015 durch Kontakte einer Userin in die Hände eines Journalisten der Dresdner Morgenpost. Der wiederum informierte die Staatsanwaltschaft. Bachmanns Verteidigerin Katja Reichel verfolgt nun eine Doppelstrategie.
Zunächst will sie durch einen nicht näher bezeichneten ausländischen Gutachter feststellen lassen, dass die Äußerungen ihres Mandanten vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz gedeckt sind. Die zweite Verteidigungslinie ist in sich widersprüchlich. Bachmann will abstreiten, dass er es war, der sich so diffamierend äußerte. Die Einträge seien manipuliert worden. Hilfsweise wird gleichzeitig unterstellt, dieser Chat sei privat und nicht öffentlich bei Facebook erfolgt. Damit hätte Bachmann aber die Urheberschaft anerkannt.
Der Screenshot dokumentiert ein unmittelbares und mehrfaches Pingpong der einander nicht unbekannten Kontrahenten, das kaum zu manipulieren war. Nach Veröffentlichung seiner Äußerungen hatte sich Bachmann außerdem am 9. Februar 2015 bei seinen Pegidianern für Worte entschuldigt, „die jeder von uns schon mal am Stammtisch benutzt hat“.
Bei einer Verurteilung würde ihm eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren drohen. Am 3. und 10. Mai soll weiterverhandelt werden. Das Verfahren führt Amtsrichter Hans-Joachim Hlavka, der 2013 den Berliner Tim Herudek wegen angeblicher Rädelsführerschaft bei den Anti-Nazi-Demonstrationen 2011 in Dresden zu 22 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt hatte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer