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Nein, es ist nicht leicht, mehr Polizistinnen und Polizisten vor die Synagogen zu stellen. Sonst hätten in Halle welche gestanden.
@04708 (Profil gelöscht) Sehe ich ebenfalls so. In Grunde geht es nur um Kosten und letztlich, konsequent, eben leider nicht um Gesundheit, Leben und Sicherheit. Knappe bzw unwiederbringlich verlorene bzw verbrauchte Ressourcen, ok, wohl ohne Benzin oder Diesel nur eine eingeschränkte Sicherheit. Aber bei Geld habe ich kein Verständnis, denn davon ist immer genug da, dessen Einsatz nur eine Frage von Willensbildung ist, aber machtvollen Schranken unterliegt. Das ist neoliberal, und deswegen sind für mich neoliberale Thesen faschistoide Thesen.
Mich befremden Kommentare dieser Art immer wieder aufs Neue. Ich weiß nicht, was die Autorin liest oder hört, aber ich kenne niemanden, wirklich niemanden, der meint, das Problem sei erledigt, wenn der Attentäter von Halle hinter Schloß und Riegel sitzt. Mit Strohmannargumenten lässt sich der Kampf gegen Rechts nicht gewinnen.
@Katharina Reichenhall Ich kann nicht ganz folten: wo sehen Sie einen Strohmann?
@tomás zerolo Den Strohmann sehe ich darin, dass die Autorin unterstellt, die Leute würden denken, das Problem mit dem Rechtsterrorismus sei gelöst, wenn der Attentäter von Halle abgeurteilt ist. Wie geschrieben, ich kenne niemanden, der das so sieht, so dass es keinen Sinn ergibt, sich an dieser fiktiven Aussage abzuarbeiten.
@Katharina Reichenhall "Den Strohmann sehe ich darin, dass die Autorin unterstellt, die Leute würden denken, das Problem mit dem Rechtsterrorismus sei gelöst, wenn der Attentäter von Halle abgeurteilt ist."
Leider ist das ein bisher nicht selten vorkommendes Denkmuster. Daher halte ich die Befürchtung der Autorin für durchaus realistisch.
Meine Meinung ist, dass hier grundsätzlich ein guter Artikel vorliegt, der motiviert und mitnimmt, ein gedeihliches Zusammenleben aller zu fordern, aber bei der Erforschung einer "gesellschaftlichen Schuldfrage" scheitert. Es reicht eben auch hier nicht ein Basta-Argument, wie dass sich "bestimmte" Menschen nicht sorgen dürfen. Für mich sitzen Scharfmacher im Wesentlichen eben auch in der s.g. Wirtschaft bzw es handelt sich um Menschen, die andere ökonomisch unterdrücken.
Wie oder was wäre denn ein Einzeltäter?
@TazTiz Einzeltäter, hier im Wiktionary [1]
Hannover wird nicht autofrei. Ist das schlimm? Ja, denn es steht für das Scheitern sämtlicher Ansätze für eine progressive Verkehrs- und Klimapolitik.
Prozess gegen Halle-Attentäter: Kein Einzeltäter
Es mit einem Urteil in Magdeburg gut sein zu lassen wäre falsch. Die Bedrohung von Rechts bleibt für viele Menschen real.
Am 9. Oktober 2019 wurden in Halle zwei Menschen erschossen Foto: Jonas Woitas/dpa
In Magdeburg steht der Attentäter von Halle vor Gericht. Der Mann, der im Oktober am jüdischen Feiertag Jom Kippur erst ein Massaker in der Synagoge von Halle anrichten wollte, dann eine Passantin auf der Straße erschoss und anschließend einen Mann in einem Dönerimbiss, wird zu einer langen Haftstrafe verurteilt werden. Großes Aufatmen, endlich kehrt wieder Ruhe und Ordnung ein. Für manche Menschen in diesem Land zumindest – für viel zu viele aber nicht.
„Wie konnte es so weit kommen?“ Diese Frage war „nach Halle“ allenthalben zu hören. Von einem „Alarmzeichen“ sprach CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, von „Entsetzen“ Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Aber antisemitische Gewalt ist in Deutschland nicht neu, im Gegenteil. In seinem gerade erschienenen Buch „Terror gegen Juden“ listet der Autor Ronen Steinke auf 90 Seiten eine Chronik antisemitischer Gewalt seit 1945 auf. Der Attentäter mag allein gehandelt haben, aber er war nicht allein.
Nicht nur radikalisierte er sich anscheinend in einer von Hass durchsetzten Online-Community – sondern auch in einem Land, dessen gesellschaftlicher Diskurs nach rechts sperrangelweit offen steht und das vor mörderischen Zusammenhängen die Augen verschließt. Der Mörder von Halle übertrug seine Tat ins Netz. Er wollte Anerkennung und war überzeugt, dass er sie bekommen würde.
Dass er so dachte, liegt längst nicht nur an Neonazis, sondern auch an Menschen, die als „besorgte Bürger“ von „Islamisierung“ und „Überfremdung“ reden. An Menschen, die eine immer selbstbewusstere Vielfalt in Deutschland – sei es in Sachen Herkunft, Religion, sexueller oder geschlechtlicher Identität – als Bedrohung für die „deutsche Kultur“ empfinden.
Wer „Überfremdung“ sagt, macht sich mit schuldig
Die meisten dieser Menschen würden niemals eine Waffe zur Hand nehmen, viele haben sicher mit Entsetzen auf die Tat in Halle reagiert. Trotzdem sorgen sie mit ihrer Haltung für den fruchtbaren Boden, auf dem solcher Hass mit einem solchen Selbstbewusstsein wächst. Es darf deshalb nicht wieder Ruhe und Ordnung einkehren. Es muss endlich Aufruhr herrschen. Sich allein auf diesen einen Täter und den Anschlag in Halle zu fokussieren, greift zu kurz.
In einem Beitrag der linken Videojournalismus-Plattform Leftvision sagt eine Frau, die den Anschlag in der Synagoge erlebt hat: Es sei es leicht, mehr Polizei vor Synagogen zu stellen und zu sagen: „Die Juden und Jüdinnen sind sicher. Problem gelöst.“ Doch das reiche nicht. Der Täter war nicht nur Antisemit, er war auch Rassist und Antifeminist. Das ist kein Zufall: Wenn von „gesteuerter Überfremdung“ die Rede ist – dann muss es im Hintergrund jemanden geben, der steuert.
Wenn von „Geburtenkrieg“ die Rede ist, dann hat jemand den perfiden Plan, die Geburtsraten zu manipulieren – so dass christliche, weiße Frauen weniger Kinder bekommen und muslimische Frauen of Color mehr. So ist der Anschlag von Halle nicht zu trennen vom Mord an Walter Lübcke, nicht von dem rassistischen Anschlag in Hanau, bei dem ein Rassist neun Menschen in und um Shisha-Bars erschoss, und auch nicht von den Drohschreiben des NSU 2.0, von denen ganz besonders linke und Frauen of Color betroffen sind.
Nur ganz bestimmte Menschen in Deutschland können es sich leisten, sich nach dem Urteilsspruch in Magdeburg zurückzulehnen und zu sagen: Zum Glück ist dieses Monster hinter Gitter, das normale Leben kann weitergehen. Das Monster kam nicht aus dem Nichts, und die Bedrohung ist für so viele Menschen in diesem Land real. Für Jüdinnen und Juden, für Migrant*innen, für People of Color. Für Queers. Für Frauen.
Es reicht deshalb nicht, wenn Hessens Innenminister Peter Beuth einen Sonderermittler einsetzt, der feststellen soll, ob es ein rechtes Netzwerk in der hessischen Polizei gibt. Die Fragen müssen endlich lauten: Wo gibt es dieses Netzwerk – und wie können wir es zerschlagen.
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Schwerpunkt Rechter Terror
Kommentar von
Dinah Riese
Redakteurin Inland
ist seit Oktober 2018 Redakteurin für Migration und Integration. War von 2016-17 Volontärin der taz Panter Stiftung. Für ihre Berichterstattung zu Paragraf 219a wurde sie 2018 vom Journalistinnenbund mit dem Sonderpreis des Marlies-Hesse-Nachwuchspreises und 2019 vom Journalistenverband Berlin-Brandenburg mit dem 1. Preis des Langen Atems ausgezeichnet. Im März 2022 erschien von Gesine Agena, Patricia Hecht und ihr das Buch "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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Rechter Terror in Deutschland
Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.
■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.
■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.
■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.
■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.
■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.
■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.
■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.
■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.
Aminata Touré: Wir können mehr sein – Die Macht der Vielfalt – taz Talk